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Medikamentöse Migräne-Prophylaxe: How to...?! - mit Cem Thunstedt * Neurologie


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Welches Medikamente stehen Dir zur Migräne-Prophylaxe zur Verfügung? Welche Vor- und Nachteile bieten diese?

Medikamentöse Migräne Prophylaxe - mit Cem Thunstedt

Herzlich Willkommen zu einer neuen Podcastfolge von Klinisch Relevant!

Heute sprechen wir mit Cem Thunstedt über die verschiedenen Möglichkeiten der Migräneprophylaxe.

Wir fragen für euch: Welche Medikamente stehen uns zur Verfügung? Wie und wann erfolgt die Behandlung mit Botulinumtoxin? Welche Therapien sind vielversprechend und welche stehen in der Pipeline? Die spannenden Antworten zu diesen und weiteren Fragen gibt es für euch im Podcast!

First line Medikamente:

  • Betablocker (Metoprolol, Propanolol)
  • Topiramat (Antikonvulsivum, Antiepileptikum)
  • Amitriptylin (Trizyklisches Antidepressivum)
  • Flunarizin (Calciumkanalblocker)
  • Senken die Anzahl der Migräneattacken und reduzieren die Schmerzen.

    Die Wahl der Prophylaxe hängt unter anderem von Begleiterkrankungen ab: Patienten mit einer Depression oder Angststörung könnten primär von Amitriptylin profitieren. Hier würde man Topiramat oder Flunarizin nicht einsetzen. Betablocker wären in diesem Fall, nach Amitriptylin, die 2. Wahl.

    Metoprolol (100 mg, Retardpräparat):

    • Wird langsam über mehrere Wochen aufdosiert.

    • Kontraindikationen: Bradykarde Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffuzienz, Asthma, COPD, Diabetes, Psoriasis?
    • Nebenwirkungen (NW): Schwindel, Unwohlsein, Benommenheitsgefühl, Schlafstörungen

    Flunarizin:

    • Bewegungsstörungen und Depressionen können ausgelöst bzw. verstärkt werden

    • Abends: 5mg initial und dann auf 10mg steigern
    • NW: Unwohlsein, Benommenheit

    Topiramat:

    • Kann Depressionen deutlich verstärken
    • Deutliche Gewichtsabnahme möglich
    • Schwindel
    • Übelkeit
    • Sehstörungen (Vorsicht bei Engwinkelglaukom)
    • Kontrazeption sollte erfolgen

    Amitriptylin:

    • Gewichtszunahme möglich
    • Harnretention; Vorsichtige Gabe bei Prostatahyperplasie
    • Bradykarde Herzrhythmusstörungen
    • Kalium im Verlauf kontrollieren

    Die first line Medikamente sind ähnlich von der Wirksamkeit. Hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils ist die Gabe von Metoprolol oder Amitriptylin zu bevorzugen.

    Indikation für eine Prophylaxe

    • 3-4 Migräneattacken pro Monat
    • Kompliziert verlaufende Auren z.B. Hemiplegische Migräne,
    • Anhaltende Auren
    • Migränöser Infarkt
    • Ungenügendes Ansprechen der Akuttherapie
    • Wunsch des Patienten
    • Definition: Chronische Migräne

      • > 15 Migräneattacken/Monat über einen Zeitraum von drei Monaten
      • Von den 15 Attacken sollten mindestens 8 migräneartig sein. Von den 15 Migräneattacken sind nicht alle gleich intensiv.
      • Wann und wie wird mit Botulinumtoxin A (Botox) behandelt?

        • Zugelassen für die chronische Migräne seit 2011
        • Versagen von 2-3 oralen, klassischen Prophylaktika
        • • Unwirksamkeit in therapeutischer Dosis nach 12-wöchiger Behandlungsdauer
          • Unverträglich
          • Kontraindikationen für andere Prophylaktika
        • Gute Evidenz zur Prophylaxe der chronischen Migräne in Kombination mit Topiramat
        • Botox-Injektionsschema:

          • Injektionen an 31 Punkten (M. frontalis, M. corrugator, M. procerus, M. temporalis, M. occipitalis, Zervikale und paravertebrale Muskulatur, M. trapezius)
          • 155 oder 195 Einheiten

          Botox wird vermutlich retrograd in Neurone aufgenommen und hemmt die Sezernierung von (Neuro)peptiden (Substanz P, Glutamat, Neurokinin, CGRP) welche an der Entstehung und Wahrnehmung von Schmerzen beteiligt sind.

          Injektionen erfolgen subkutan, alle 3 Monate. Es lassen sich end-of-dose-Effekte beobachten.

          Die Zeiträume können bei erhaltener Wirksamkeit ausgeweitet werden (z.B. auf 4 Monate).

          Wünschenswert ist die Modulation der Migräne und ein Therapieeffekt nach Beendigung der Botox-Injektionen.

          -Initial werden 155 Einheiten gespritzt. Die Therapie schlägt an, wenn die Patienten eine subjektive Besserung der Kopfschmerzattacken oder -intensität von 50 % angeben. Die Therapie würde 4-5 Mal, alle 3 Monate, wiederholt werden.

          Bei guter Wirksamkeit würde anschließend eine Intervallverlängerung erfolgen. Das bedeutet, dass die Injektionen alle 4 Monate gegeben werden.

          Bei guter Wirksamkeit wird anschließend ein Auslassversuch durchgeführt. Setzt eine Verschlimmerung der Symptomatik ein, kann erneut ein Therapiezyklus gestartet werden.

          Bei Patienten, bei denen die Therapie nur eine 30-50%ige Besserung ergibt, kann die Dosis auf 195 Einheiten erhöht werden.

          Follow the pain Prinzip: Injektionen in besonders schmerzhafter und verspannter Muskulatur.

          Wann sind Botox-Injektionen kontraindiziert?

          • Patienten mit Muskelerkrankungen:
          • • Muskeldystonie
            • Myasthenia gravis
          • Schwangere Patientinnen
          • Patienten mit Blutungsneigung
          • Antikoagulierte Patienten
          • Nebenwirkungen

            • Schmerzen an der Einstichstelle
            • Rötungen
            • Infektionen
            • Ptosis (temporär)
            • Atrophie der behandelten Muskulatur
            • Monitoring

              • Analoges Kopfschmerztagebuch eher bei älteren Patienten beliebt
              • Apps (DMKG-App) häufig von jüngeren Patienten genutzt
              • Welche Antikörper-Präparate sind verfügbar?

                Erenumab:

                • Bindet an den CGRP-Rezeptor und blockiert diesen.

                • Dosis: 70 oder 140mg/Monat subkutan

                Fremanezumab:

                • Ligandenantikörper binden an CGRP.
                • Dosis: 1 x 225 mg s.c. pro Monat oder 1 x 675 mg alle 3 Monate

                Galcanezumab:

                • Ligandenantikörper binden an CGRP
                • Dosis: Loading dose mit 240 mg bei der ersten Gabe, dann 120 mg pro Monat

                Die drei Antikörper sind sowohl für die episodische als auch chronische Migräne zugelassen

                • Nebenwirkungen:
                • • Rötungen, Infektionen, Schmerzen an der Injektionsstelle
                  • Systemische Nebenwirkungen sind aufgrund des sehr spezifischen Wirkmechanismus selten
                  • Obstipation und Ileus (sehr selten)
                  • Da die Antikörper noch sehr neu sind, muss in den nächsten Jahren beobachtetet werden, ob noch weitere Nebenwirkungen auf die Medikamente zurückgeführt werden können.
                • Wirksamkeit:
                • • Man erhofft sich eine 50%ige Reduktion der Migräneattacken
                  • In Einzelfällen kommt es zu einer drastischen Reduktion der Migräneattacken. (z.B. 30 vor vs. 2 Attacken nach Therapie)
                  • Teilweise bleibt die Anzahl der Attacken gleich und nur die Schwere der Attacken nimmt ab.
                  • Die Therapien kosten jährlich ca. 8500 €

                  **Welche Medikamente sind noch in der Pipeline? **

                  • Lasmiditan:
                  • • Wirken als Agonist auf den 5-HT1F-Rezeptor
                    • Akuttherapie
                    • Kann man trotz kardiovaskulärer Risikofaktoren geben
                  • Ubro- und Atogepant:
                  • • Orale Gabe
                    • CRGP-Antagonisten

                    Kontrollfragen

                    1. Wann sollte eine Migräneprophylaxe erfolgen?

                    2. a) Die Prophylaxe sollte generell bei jedem Patienten erfolgen.
                      b) Die Prophylaxe sollte nur bei der chronischen Migräne erfolgen.
                      c) Ab 3-4 Migräneattacken sollte eine Prophylaxe erfolgen.
                      d) Wenn kompliziert verlaufende Auren auftreten, sollte eine Prophylaxe erfolgen.

                    3. Welche Medikamente gehören zu den Prophylaxe-Medikamenten?

                    4. a) Citalopram
                      b) Fluoxetin
                      c) Flunarizin
                      d) Topiramat
                      e) Metoprolol

                    5. Welche Aussagen sind korrekt?

                    6. a) Botox-Injektionen sollten erst nach Versagen von 2-3 Prophylaktika gegeben werden.
                      b) Botox wirkt wahrscheinlich über die Hemmung der Reizweiterleitung an den Axonen
                      c) Botox wird retrograd aufgenommen und hemmt die Sezernierung verschiedener Neuropeptide wie z.B. CGRP
                      d) Patienten mit Muskelerkrankungen profitieren besonders von den Botox-Injektionen

                    7. Welche Antikörper sind zur Behandlung der Migräne zugelassen (Stand 12.2020)?

                    8. a) Rituximab
                      b) Galcanezumab
                      c) Infliximab
                      d) Erenumab
                      e) Fremanezumab

                    9. Mögliche Nebenwirkungen der Botox-Injektionen sind:

                    10. a) Rötungen an der Injektionsstelle
                      b) Atrophie der Muskulatur
                      c) Infektionen der Injektionsstelle
                      d) Ptosis

                      Disclaimer

                      Bei den Podcasts von Klinisch Relevant handelt es sich um Fortbildungsinhalte für Ärzte und medizinisches Personal und keinesfalls um individuelle Therapievorschläge. Sie ersetzen also keineswegs einen Arztkontakt, wenn es um die Behandlung von Erkrankungen geht.

                      Dabei spiegeln die Beiträge den Kenntnisstand unserer medizinischen Partner und Experten wider, den sie nach besten Wissen und Gewissen mit Dir teilen. Häufig handelt es sich dabei auch um persönliche Erfahrungen und subjektive Meinungen.
                      Wir übernehmen für mögliche Nachteile oder Schäden, die aus den im Podcast gegebenen Hinweisen resultieren, keinerlei Haftung. Bei gesundheitlichen Beschwerden muss immer ein Arzt konsultiert werden!
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                      Klinisch Relevant PodcastBy Dr. med. Kai Gruhn, Dr. med. Dietrich Sturm, Prof. Markus Wübbeler

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