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Es ist ein Bauwerk, das die Grenzen des Vorstellbaren sprengte - und das ohne moderne Technik: der Florentiner Dom mit seiner gewaltigen Kuppel. Ein Blick hinter eines der größten Bauprojekte der Renaissance und auf das Genie dahinter: Filippo Brunelleschi. Von Susanne Hofmann (BR 2025)
Credits
Autorin: Susanne Hofmann
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Rahel Comtesse, Christian Baumann, Friedrich Schloffer
Technik: Andreas Caramelle
Redaktion: Nicole Ruchlak
Im Interview: Dr. Bernd Kulawik, Ross King
Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks 2025
Besonderer Linktipp der Redaktion:
BR: W. M. Thackeray: Vanity Fair - Jahrmarkt der Eitelkeit
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SR (2025): UNESCO Weltkulturerbe – Schätze für die Ewigkeit in Florenz
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Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
MUSIK & ATMO Glocken, Menschenmenge
ERZÄHLERIN
Es ist ein Festtag, wie ihn selbst die Stadt Florenz in ihrer glanzvollen Geschichte selten erlebt hat. Der 25. März 1436. Das Geläut von Kirchenglocken und der Duft von Weihrauch ziehen durch die Gassen. Die ganze Stadt ist auf den Beinen. Die betuchten Herrschaften tragen ihre Festgewänder – bodenlange Kleider aus purpurrotem oder königsblauem Samt und golddurchwirktem Brokat für die Damen, enganliegende Beinkleider und Säbel für die Herren. Man feiert nicht nur den Beginn des Neuen Jahres. Der fällt damals in Florenz traditionell auf den Festtag Mariä Verkündigung. Die stolze Stadt Florenz – Heimat der Medici und aufstrebende Kunst-Metropole – legt Wert auf kulturelle Eigenständigkeit, dazu gehört auch ein eigener Kalender. Am Neujahrstag von 1436 kommt jedoch noch ein besonderer Anlass dazu: Die Weihe des Doms zu Florenz, der Kathedrale Santa Maria del Fiore. Papst Eugen IV. persönlich weilt in der Stadt, er leitet die Zeremonie. Von seiner Residenz, der Kirche Santa Maria Novella, zieht er in einer feierlichen Prozession zum Dom, flankiert von Kardinälen, mehreren Dutzend Bischöfen sowie Mitgliedern der Florentiner Regierung. Um die schaulustige Menschenmenge auf Abstand zu halten, hat man eigens eine Art Laufsteg für den Papst und seine Entourage gezimmert. Auf der hölzernen Plattform schreiten sie über den Köpfen des Volkes einher und ziehen in den Dom ein.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Es erklingt die eigens komponierte Motette eines damaligen Weltstars, des franko-flämischen Komponisten Guillaume Dufay: Nuper rosarum flores.
Ein gregorianischer Choral über die biblischen Zeilen „Terribilis est locus iste” bildet die Grundlage – “Ehrfurchtgebietend ist dieser Ort”. Noch heute gilt die Komposition als herausragendes Werk der frühen Renaissance. Und ist damit eine angemessene Würdigung des Bauwerks, das hier besungen und von den Florentinern gefeiert wird, so der Musikwissenschaftler und Architekturhistoriker Dr. Bernd Kulawik. Er lehrt an der Technischen Universität Wien:
1. ZUSPIELUNG Bernd Kulawik
Dass das das mit Abstand größte architektonische Wunderwerk seit der Antike sein würde, das war klar. … der größte imposanteste Kirchenraum, den man überhaupt haben konnte. Und das ist ganz klar: Wer den baut, ist der Star. Das ist ein Könner ohnegleichen.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Dieser Könner ist der gelernte Goldschmied Filippo Brunelleschi. Er kommt ein halbes Jahrhundert zuvor, 1377, in Florenz zur Welt. Damals ist der Dombau schon seit mehreren Generationen im Gange. Ein überaus ehrgeiziges Unterfangen, allein schon in seinen Ausmaßen. Das Gebäude soll 150 Meter lang werden und mit seiner Kuppel mehr als 100 Meter in den Himmel ragen. Schließlich wollte man der Welt zeigen, wer man war und insbesondere den ewigen Konkurrenten, den Stadtstaat Siena im Süden der Toskana, ausstechen. Um Platz für das Gotteshaus zu schaffen, ließ man ein ganzes Stadtviertel abreißen, auch zwei alte Kirchen mussten weichen, so der kanadisch-britische Kunsthistoriker Ross King. Er ist für sein Buch „Das Wunder von Florenz“ in die Geschichte des Florentiner Doms eingetaucht.
2. ZUSPIELUNG King
8.16 Making a cathedral was a work of centuries. In those days, the work of many decades at least. And after a century of building the Florentines still had not reached the east end of the cathedral where they were going to have this massive dome.
OVERVOICE
Einen Dom zu bauen, war zu dieser Zeit das Werk von Jahrhunderten, zumindest aber vieler Jahrzehnte. Und nach einem Jahrhundert Bauzeit hatten die Florentiner noch immer nicht das östliche Ende des Doms erreicht, wo sie diese gewaltige Kuppel errichten wollten.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Menschen wurden neben der Dauerbaustelle geboren und starben, ohne, dass sie darauf hoffen durften, die Vollendung des Bauwerks zu erleben.
Fassade und Wände des Längsschiffs wuchsen nur langsam aus dem Boden. Als auch noch die Pest wütete und einen Großteil der Bevölkerung dahinraffte, verzögerte sich der Dombau weiter. Doch auch diese Krise überwanden die Florentiner. Nur für ein strukturelles Problem hatten sie keine Lösung. Und dieses Problem war gewaltig und für alle sichtbar, die hier lebten – wie der Goldschmied Brunelleschi. Im entstehenden Dom klaffte ein riesiges Loch über dem Altarraum. Hier, über einem achteckigen Grundriss, sollte sich eine mächtige Kuppel erheben – nur, wie sollte man die erbauen? Darüber rätselte die gesamte Stadt, so der Architekturhistoriker Bernd Kulawik.
3. ZUSPIELUNG Kulawik
Als Brunelleschi geboren wurde, das kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen, gab es … auf der ganzen großen weiten Welt niemanden, der gewusst hätte, wie man das technische Problem löst, diese Kuppel zu errichten.
ERZÄHLERIN
Wie um Himmels Willen sollte man eine Spannweite von rund 45 Metern überwölben? Das entspricht der Länge eines halben Fußballfeldes. Und damit nicht genug: Die Kuppel sollte erst in einer schwindelerregenden Höhe von rund 40 Metern beginnen, also ungefähr in der Höhe eines 12-stöckigen Wohnhauses. Nie zuvor war ein derart ehrgeiziger Bau realisiert worden. Der Kunsthistoriker Ross King.
4. ZUSPIELUNG King
And what they planned for, was something that was absolutely gargantuan and it was unprecedented in size. And so, what they were hoping is that in future – they knew in 1367 when the townspeople voted for this audacious plan they knew, when the time came for them to build this, they would all be dead. And so, it was still a generation or two away. But they believed sincerely that someone would come into their midst and show them how it could be built. And that’s of course going to become Filippo Brunelleschi, he is going to become this architectural messiah who arrives with the beautiful plan of how exactly he is going to do it.
OVERVOICE
Sie planten etwas Gigantisches, in seiner Größe nie Dagewesenes. Als die Florentiner 1367 für diesen kühnen Plan stimmten, war ihnen klar, dass sie alle bereits tot sein würden, ehe es zu dem Bau kommen würde. Aber sie glaubten fest daran, dass ein, zwei Generationen nach ihnen jemand kommen würde, der wissen würde, wie man die Kuppel bauen könnte. Und dieser Jemand sollte Filippo Brunelleschi sein, eine Art architektonischer Messias. Er sollte erscheinen, mit einem wunderbaren Plan zur Umsetzung.
ERZÄHLERIN
Für den Architekturhistoriker Bernd Kulawik ist dies eines der spannendsten Kapitel der Architekturgeschichte überhaupt:
5. ZUSPIELUNG Bernd Kulawik
Das Irre ist eben: Brunelleschi wurde dann erst geboren. Dass er so genial ist als Ingenieur und Techniker, dass er das Problem lösen kann, das haben die dem Moment, wo die die Größe beschlossen haben, noch gar nicht gewusst, nicht ahnen können.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Die Florentiner planten in ihrem Stadtzentrum also quasi die Errichtung eines Luftschlosses. Ein Bauwerk zu entwerfen und zu beschließen, ohne zu sagen, wie man es bautechnisch ausführen, ja, ob es überhaupt halten würde – für heutige Architekten ist das völlig unvorstellbar. Ross King:
6. ZUSPIELUNG King
So … really what they took both in 1367 and then in 1420, when Brunelleschi was given the task of building it, what they took in each case was a huge leap of faith. They believed that they were going to somehow be able to do this against the odds. Because B for example did not have a single mathematical equation he could have worked with, he didn’t have any sort of knowledge of how the structure was going to behave when it was built to that size. And so, it was a leap into the dark, because they simply did not know what problems they were going to encounter. To quote the late Donald Rumsfeld, the American politician, there were all sorts of unknown unknowns that they were going to be faced with as they started building the dome.
OVERVOICE
Sie unternahmen also einen riesigen Sprung ins Ungewisse, sowohl 1367 als auch 1420, als man dann Brunelleschi mit dem Bau der Kuppel beauftragte. Sie glaubten daran, dass sie es allen Widrigkeiten zum Trotz irgendwie schaffen könnten. Brunelleschi hatte keine einzige mathematische Gleichung zur Verfügung, mit der er hätte arbeiten können. Es war also ein Sprung ins Ungewisse, sie hatten keine Ahnung, welche Probleme beim Bau auf sie zukommen würden.
ERZÄHLERIN
Obwohl die Kathedrale der Sitz des Bischofs ist, handelte es sich nicht um ein Bauvorhaben der katholischen Kirche. Bauherrin war die Wollweberzunft, die Arte della Lana, die reichste Gilde der Stadt Florenz. Bernd Kulawik:
7. ZUSPIELUNG Kulawik
Die aber eben vor allen Dingen deswegen so reich war, nicht, weil die alle so fleißig gewebt haben, sondern weil die ganz groß im Tuchhandel aktiv war, über Florenz lief auch der Großteil des Seidenimportes aus China - also sprich, die Tuchhändler waren das eigentlich.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Die Vertreter der Wollweberzunft waren selbstbewusst. Sie hatten Florenz zum europäischen Zentrum der Textilverarbeitung sowie des Handels mit Stoffen gemacht. Auch politisch hatten die Wollweber was zu sagen. Etliche Mitglieder der Stadtregierung gehörten ihrer Zunft an.
Florenz war zudem die Heimatstadt der Medici. Die einflussreiche Bankiers-Familie prägte die Entwicklung der Stadt entscheidend – finanziell, wirtschaftlich, politisch und kulturell als wichtigste Mäzene der Florentiner Geschichte. Die Medici hatten im frühen 14. Jahrhundert ihre eigene Bank gegründet, die schnell zur wichtigsten Bank Europas avancierte. Unter anderem verwaltete sie das Vermögen des Vatikans. Das gab den Medici Einfluss auf die Kirchenpolitik, sie stellten später sogar selbst zwei Päpste. Außerdem finanzierten sie diverse Königshäuser in Europa und mischten bei Handelsgeschäften mit. Diese wickelten sie zum Teil in Goldflorin ab, der Währung der Stadt Florenz. Ross King:
8. ZUSPIELUNG King
The Florin was the most reliable currency in Europe at that time because the Florentines very zealously guarded the gold content in the coin and made sure they weren’t counterfit. … Things like that made the Florentines incredibly wealthy. And the next part of the story is, that this wealth is going to be put into the service of art and architecture.
OVERVOICE
Der Goldflorin war die verlässlichste Währung im damaligen Europa, weil die Florentiner über den Goldgehalt ihrer Münzen mit großer Aufmerksamkeit wachten und sicherstellten, dass sie nicht gefälscht wurden. … Das machte die Florentiner unglaublich reich. Und dieser Reichtum würde in den Dienst von Kunst und Architektur gestellt werden.
ERZÄHLERIN
Florenz hatte um 1400 nur noch rund 40.000 Einwohner, denn der schwarze Tod hatte einen Großteil von ihnen das Leben gekostet. Florenz war eine Stadtrepublik, ihre Bürger lebten nach ihren eigenen Gesetzen.
9. ZUSPIELUNG King
About 5.000, all of them men above the age of 29, had the right to vote and hold political office. By our standard that’s not very democratic, but by the standard of most of the rest of Europe that’s not bad. And so, the Florentines were quite proud of their political system, and they thought they represented a kind of beacon of liberty, at least in Italy. There was a kind of civic pride that they had about themselves and their city. And why not? It was a very prosperous city and a city in which a lot of people did hold a political stake because of the voting rights and office holding rights.
OVERVOICE
Etwa 5.000, allesamt Männer über 29 Jahre, hatten das Wahlrecht und konnten politische Ämter bekleiden. Nach unseren Maßstäben ist das nicht sehr demokratisch, aber nach den Maßstäben des Großteils des restlichen damaligen Europas ist es nicht schlecht. Die Florentiner waren daher ziemlich stolz auf ihr politisches System und hielten sich für eine Art Leuchtturm der Freiheit, zumindest in Italien. Sie empfanden eine Art Bürgerstolz auf sich und ihre Stadt. Und warum auch nicht? Florenz war eine sehr wohlhabende Stadt, in der viele Menschen aufgrund ihres Wahl- und Ämterrechts politisch aktiv waren.
ERZÄHLERIN
Und die majestätische Kuppel des Doms sollte Ausdruck des Florentiner Selbst- und Machtbewusstseins werden. Um den besten Entwurf für die noch fehlende Kuppel zu ermitteln, richteten die Florentiner 1418 einen Wettbewerb aus.
MUSIK
ZITATOR1
Wer ein Modell oder eine Zeichnung für die Errichtung der Hauptkuppel des Domes anzufertigen wünscht und für Standgerüste, Baugerüste und andere Dinge oder für Hebemaschinen aller Art zum Zwecke der Errichtung und Vollendung besagter Kuppel – soll seinen Entwurf vor Ende September einreichen. Derjenige, dessen Modell ausgewählt wird, erhält 200 Goldflorine.
ERZÄHLERIN
200 Goldflorine, für einen Handwerker der Zeit entsprach das dem Verdienst von mehr als zwei Jahren. Die Ausschreibung erregte unter den Steinmetzen, Zimmerleuten und Maurern - Architekten als Berufsstand mit eigener Ausbildung gab es damals noch nicht – in der gesamten Region Aufsehen. Das Rennen machte schließlich ein Außenseiter: der Florentiner Goldschmied Filippo Brunelleschi. Er war bis dahin nur als Baumeister kleinerer Kapellen in Erscheinung getreten. Seine Vision sah im Unterschied zu den anderen Entwürfen vor, die Kuppel ohne das bislang übliche hölzerne Stützgerüst zu bauen. Aus gutem Grund, so Bernd Kulawik:
10. ZUSPIELUNG Kulawik
Ein Gerüst, das so hoch reicht und das dann erst das eigentliche Kuppel-Gerüst trägt, das hätte wahrscheinlich alle Wälder der Toskana gekostet und hätte trotzdem nicht funktioniert.
ERZÄHLERIN
Ein Gerüst bis hinauf zur Spitze der Kuppel, also auf eine Höhe von mehr als 100 Metern, wäre wohl schon unter dem eigenen Gewicht in sich zusammengefallen – wenn man überhaupt imstande gewesen wäre, ausreichend lange und starke Baumstämme zu beschaffen. Und trotzdem stößt Brunelleschi mit seiner Idee, die Kuppel mithilfe eines freischwebenden Gerüsts zu mauern, auf immense Skepsis. Den Bauherren fehlte offensichtlich die Phantasie, sich vorzustellen, wie das funktionieren sollte.
11. ZUSPIELUNG Kulawik
Das war eine heftige Diskussion damals … in der Dombau-Behörde, da wurde Brunelleschi dann rausgetragen, wie ein Verrückter, weil man ihn weghaben wollte und der Meinung war, was der da erzählt, ist sowieso alles Unsinn. Und dann hat er ein Modell aus Stein und aus Ziegeln gebaut, um zu zeigen, dass man die Kuppel, so wie er sich das denkt, ohne solche Gerüste, bauen kann. Und dann hat man ihn erst gelassen.
12. ZUSPIELUNG King
The key thing for him was to get the job to build it, I think he was supremely self-confident, he believed that if you give me the chance to do it, I will be able to solve these problems. Under his breath he might have admitted – I do not know what all of these problems are going to be, but I do think I can solve them, when the time comes.
OVERVOICE
Das Wichtigste für ihn war, den Auftrag für den Bau zu bekommen. Ich glaube, er war äußerst selbstbewusst und glaubte: Wenn man mir die Chance gibt, werde ich diese Probleme lösen können. Unter vorgehaltener Hand gab er vielleicht zu: Ich weiß zwar nicht, welche Probleme das sein werden, aber ich glaube, ich kann sie lösen, wenn es so weit ist.
ERZÄHLERIN
Jetzt endlich kann Brunelleschi loslegen. Er hat eine Mammutaufgabe zu bewältigen, die ihn auf den unterschiedlichsten Gebieten fordert. Er ist Bauleiter, Tüftler, Statiker, Baumaschinen-Erfinder und Logistiker in einer Person. Es gilt, tonnenweise Material zu organisieren und heranzuschaffen – feinsten weißen Marmor aus den Steinbrüchen von Carrara, rund 100 Kilometer von Florenz entfernt, dazu große Sandsteinblöcke und Millionen von Ziegelsteinen aus den Brennereien rund um Florenz. All diese Materialien sucht er eigenhändig aus, verhandelt mit den verschiedenen Gewerken, organisiert die Transporte und ihr rechtzeitiges Eintreffen auf der Baustelle und ist Chef einer wechselnden Belegschaft von gut 100 Handwerkern und Bauarbeitern.
MUSIK
Schritt für Schritt setzt er seinen Entwurf um, und er weiht niemanden in seine Pläne ein. Keine einzige Zeile, keine Berechnung, keine Skizze in seiner Handschrift ist erhalten. Vielleicht hat er bewusst alle Spuren verwischt, weil er Ideenklau befürchtet. Die Kuppel, die in den nächsten 16 Jahren vor den Augen seiner zunächst skeptischen, schließlich vor allem staunenden Zeitgenossen in den Himmel wächst, besteht aus zwei Schalen. Die innere, unten rund drei Meter starke, trägt die dünnere äußere. Dazwischen liegt ein Gang, in dem sich die Bauleute bewegen und heute die Touristen bis zur Spitze hinaufsteigen können. Die Ziegel, aus denen die Kuppel gemauert wird, lässt Brunelleschi im sogenannten Fischgrätenmuster legen. So verkeilen sie sich ineinander und geben sich gegenseitig Halt. Außerdem verlegt er im Gemäuer dicke horizontale Balken, die vermutlich eine Art inneren Gürtel bilden und die Wände zusammenhalten. Ganz genau weiß man das selbst heute noch nicht, obwohl man die Domkuppel mit allem durchleuchtet hat, was die moderne Technik zu bieten hat: Laserstrahlen, Metalldetektoren, Georadar und so weiter. Um die insgesamt knapp 30.000 Tonnen Material, die für die Kuppel gebraucht werden, in luftige Höhen zu befördern, erfindet Brunelleschi, quasi en passant, diverse Gerätschaften und Maschinen.
13. ZUSPIELUNG King
Probably, Brunelleschi’s greatest invention was his ox hoist, a very powerful hoist with 3 gears, it was a three gears hoist … so he could send small loads up very quickly and very heavy loads with great security and power. … One of the greatest innovation of the 1400 comes from Brunelleschi and that is a clutch mechanism, it’s the first clutch mechanism in history, so every time you shift gears in your car … you can thank Brunelleschi because of the fact that he is the one who figured out the reversable clutch.
OVERVOICE
Brunelleschis größte Erfindung war wahrscheinlich sein Ochsen-Aufzug, ein sehr leistungsstarker Flaschenzug mit drei Gängen, damit konnte er kleine Lasten sehr schnell und große Lasten sicher und kraftvoll in die Höhe befördern. Eine der größten Innovationen des 15. Jahrhunderts stammt damit von Brunelleschi, nämlich ein Kupplungsmechanismus, der erste Kupplungsmechanismus der Geschichte. Jedes Mal, wenn Sie in Ihrem Auto den Gang wechseln, können Sie Brunelleschi danken, denn er hat die Kupplung für den Vor- und Rückwärtsgang erfunden.
ATMO Pferde
ERZÄHLER
Angetrieben wurde der Lastenaufzug von einem Ochsengespann, das unter dem Gewölbe im Kreis lief. Kraft dieser Bewegung wurde die Last mittels eines Gewindes nach oben befördert. Dank der Gangschaltung konnte man den leeren Aufzug mit wenigen Handgriffen wieder nach unten schicken, um ihn dort neu zu beladen, ohne dass die Ochsen anhalten und umdrehen mussten.
14. ZUSPIELUNG King
He was unquestionably a genius, he was a mechanical genius, but he was also a great manager. I mean, he ran a huge work force with great efficiency, and he also could deal with the politicians and the wardens of the wool guild in Florence, so he did have quite a few people skills. But he was an eccentric character to say the least. … He was very secretive and that was because of the fact that he did not want anyone else to get the credit for his inventions. He wanted the dome to be known as Brunelleschi’s dome.
OVERVOICE
Er war zweifellos ein Genie, ein Genie der Mechanik, aber auch ein großartiger Manager. Er leitete eine riesige Belegschaft mit großer Effizienz und konnte auch mit den Politikern und den Vorstehern der Wollzunft in Florenz umgehen. Er besaß also einiges an zwischenmenschlichem Geschick. Aber er war, gelinde gesagt, ein exzentrischer Charakter. … Er war geheimniskrämerisch, weil er nicht wollte, dass jemand anderes die Anerkennung für seine Erfindungen bekam. Er wollte, dass die Kuppel als Brunelleschis Kuppel bekannt wurde.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Um das zu erreichen, musste er die Kuppel zu seinen Lebzeiten fertigstellen, durfte also keine Zeit verlieren. Und es galt, zunächst noch einen Rivalen aus dem Feld zu schlagen: Den berühmten Bildhauer Lorenzo Ghiberti, der ihm als gleichberechtigten Bauleiter und eine Art Controller zur Seite gestellt worden war.
15. Kulawik 18.00
Und da hat Brunelleschi sich krankgemeldet. Und dann stand die Baustelle still, weil Ghiberti technisch das gar nicht durchdrungen und verstanden hat, wie das gehen soll. Und da hat man eingesehen: Okay, wir brauchen den Ghiberti nicht, aber wir brauchen unbedingt Brunelleschi.
ERZÄHLERIN
Seine Bauleute stammten zum großen Teil aus armen Familien und bekamen nur einen geringen Lohn, so Ross King. Für einen Knochenjob, der von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang dauerte. Ihr Arbeitswerkzeug, wie Hammer, Meißel oder Maurerkelle, mussten sie selbst mitbringen. Wenn es regnete oder stürmte, ruhte die Baustelle und die Belegschaft blieb ohne Lohn. Dann veranstaltete man eine Art Lotterie unter den Arbeitern. Zog man das große Los, wurde man während der arbeitsfreien Tage bezahlt.
16. ZUSPIELUNG King
28.50 And its very dangerous work, because by about 1426 they had reached a point were the dome was curving inward and they were working many of them on the inward curving surface without any sort of wood beneath them to catch them if they fell. So one of the things B did to keep them safe he appears to have invented some sort of safety harness for them, so if you were working on the hight on an inward curving surface with the abyss beneath you would be clipped/tethered essentially to the wall itself, rather like a mountaineer or a window cleaner today on a high rise
OVERVOICE
Und es war eine sehr gefährliche Arbeit, denn um 1426 hatten sie einen Punkt erreicht, an dem sich die Kuppel nach innen wölbte, und viele von ihnen arbeiteten auf der nach innen gewölbten Fläche, ohne dass sie Holz unter sich hatten, das sie im Falle eines Sturzes hätte auffangen können. Zu ihrer Sicherheit erfand Brunelleschi offenbar unter anderem eine Art Sicherheitsgurt für sie. Wenn man also in der Höhe auf einer nach innen gewölbten Fläche arbeitete und sich darunter ein Abgrund befand, war man praktisch an der Wand festgeschnallt bzw. angebunden, ähnlich wie ein Bergsteiger oder Fensterputzer heute in einem Hochhaus.
ERZÄHLERIN
Im Laufe der 16 Jahre, die Brunelleschi auf der Baustelle arbeitete, ereigneten sich dort nur zwei tödliche Unfälle. Auch das eine beachtliche Leistung des Bauleiters. Die Arbeiter mussten nicht nur Wind und Wetter trotzen, sie mussten auch schwindelfrei sein und körperlich fit:
17. ZUSPIELUNG
They did not have to go jogging or go to the gym before they started work because they got their exercise on the site because of course the first thing they had to do was to climb the stairs to get up into their place of work. …most of them, before the dome was completed, were doing I suppose 400 plus steps up. Many of them would go down for lunch… anyone who’s climbed the dome knows that it takes you a certain amount of time, even someone who is in relatively good shape … and so what B ultimately decided he would do by 1426, some 6 years into the construction of it, is: serve them lunch on the platform. … he watered the wine down, he didn’t want them getting drunk on the job, … Some of them would use the hoist to go up and down, they would climb into the bucket, that brought the bricks up and they would go down for their lunch in that bucket. Obviously, it would have been very dangerous, probably a lot of fun … so he put a stop to that.
OVERVOICE
Sie mussten vor Arbeitsbeginn nicht joggen oder ins Fitnessstudio gehen, sondern konnten direkt auf der Baustelle trainieren. Denn natürlich mussten sie zuerst die Treppe zu ihrem Arbeitsplatz hinaufsteigen. … Die meisten von ihnen haben vor Fertigstellung der Kuppel vermutlich über 400 Stufen erklommen. Viele von ihnen gingen zum Mittagessen hinunter und … jeder, der schon einmal auf die Kuppel gestiegen ist, weiß, dass man dafür eine gewisse Zeit braucht, selbst wenn man relativ fit ist … und so beschloss Brunelleschi im Jahr 1426, also etwa sechs Jahre nach Baubeginn, ihnen das Mittagessen oben auf der Plattform zu servieren. … den Wein verdünnte er, damit sie sich bei der Arbeit nicht betranken… Einige der Arbeiter benutzten den Lastenaufzug, um rauf und runter zu kommen, sie kletterten in den Eimer, der die Ziegel nach oben brachte, und ließen sich in diesem Eimer zum Mittagessen hinunterbefördern. Natürlich war das sehr gefährlich, wenngleich wahrscheinlich auch sehr lustig… Aber Brunelleschi hat ihnen das verboten.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Und so wächst die Kuppel langsam, aber stetig in den Florentiner Himmel, rund 30 Zentimeter im Monat. Für ihre Schalung werden Ziegel verschiedenen Zuschnitts und in hundert verschiedenen Größen verbaut. Je nach Position und Neigungswinkel kommen andere Ziegelsteine zum Einsatz. Wie bei einem gigantischen dreidimensionalen Puzzle. Während der 16-jährigen Bauzeit liegt Florenz im Krieg mit den Städten Lucca und Mailand. Die militärische Auseinandersetzung kostet die Florentiner viel Geld. Und Brunelleschi selbst wird von seiner Baustelle wegbeordert und zum Kriegsdienst einberufen. Doch schließlich ist es vollbracht, das Wunder von Florenz. Der große Kunstmäzen Lorenzo de Medici schwärmt:
ZITATOR1
Niemals zuvor gab es etwas Großartigeres und Genialeres
MUSIK
ERZÄHLERIN
Majestätisch thront die Kuppel über der Stadt, weithin sichtbar. Rot leuchten ihre Dachziegel, weiß die Marmorrippen dazwischen. Geleitet von einer Mischung aus Größenwahn, Gottvertrauen und grenzenlosem Optimismus, hatten die Florentiner ihrer Stadt ein Monument errichtet. An diesem Meilenstein der Baugeschichte sollten sich alle künftigen Bauwerke messen.
4.7
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Es ist ein Festtag, wie ihn selbst die Stadt Florenz in ihrer glanzvollen Geschichte selten erlebt hat. Der 25. März 1436. Das Geläut von Kirchenglocken und der Duft von Weihrauch ziehen durch die Gassen. Die ganze Stadt ist auf den Beinen. Die betuchten Herrschaften tragen ihre Festgewänder – bodenlange Kleider aus purpurrotem oder königsblauem Samt und golddurchwirktem Brokat für die Damen, enganliegende Beinkleider und Säbel für die Herren. Man feiert nicht nur den Beginn des Neuen Jahres. Der fällt damals in Florenz traditionell auf den Festtag Mariä Verkündigung. Die stolze Stadt Florenz – Heimat der Medici und aufstrebende Kunst-Metropole – legt Wert auf kulturelle Eigenständigkeit, dazu gehört auch ein eigener Kalender. Am Neujahrstag von 1436 kommt jedoch noch ein besonderer Anlass dazu: Die Weihe des Doms zu Florenz, der Kathedrale Santa Maria del Fiore. Papst Eugen IV. persönlich weilt in der Stadt, er leitet die Zeremonie. Von seiner Residenz, der Kirche Santa Maria Novella, zieht er in einer feierlichen Prozession zum Dom, flankiert von Kardinälen, mehreren Dutzend Bischöfen sowie Mitgliedern der Florentiner Regierung. Um die schaulustige Menschenmenge auf Abstand zu halten, hat man eigens eine Art Laufsteg für den Papst und seine Entourage gezimmert. Auf der hölzernen Plattform schreiten sie über den Köpfen des Volkes einher und ziehen in den Dom ein.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Es erklingt die eigens komponierte Motette eines damaligen Weltstars, des franko-flämischen Komponisten Guillaume Dufay: Nuper rosarum flores.
Ein gregorianischer Choral über die biblischen Zeilen „Terribilis est locus iste” bildet die Grundlage – “Ehrfurchtgebietend ist dieser Ort”. Noch heute gilt die Komposition als herausragendes Werk der frühen Renaissance. Und ist damit eine angemessene Würdigung des Bauwerks, das hier besungen und von den Florentinern gefeiert wird, so der Musikwissenschaftler und Architekturhistoriker Dr. Bernd Kulawik. Er lehrt an der Technischen Universität Wien:
1. ZUSPIELUNG Bernd Kulawik
Dass das das mit Abstand größte architektonische Wunderwerk seit der Antike sein würde, das war klar. … der größte imposanteste Kirchenraum, den man überhaupt haben konnte. Und das ist ganz klar: Wer den baut, ist der Star. Das ist ein Könner ohnegleichen.
MUSIK
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Dieser Könner ist der gelernte Goldschmied Filippo Brunelleschi. Er kommt ein halbes Jahrhundert zuvor, 1377, in Florenz zur Welt. Damals ist der Dombau schon seit mehreren Generationen im Gange. Ein überaus ehrgeiziges Unterfangen, allein schon in seinen Ausmaßen. Das Gebäude soll 150 Meter lang werden und mit seiner Kuppel mehr als 100 Meter in den Himmel ragen. Schließlich wollte man der Welt zeigen, wer man war und insbesondere den ewigen Konkurrenten, den Stadtstaat Siena im Süden der Toskana, ausstechen. Um Platz für das Gotteshaus zu schaffen, ließ man ein ganzes Stadtviertel abreißen, auch zwei alte Kirchen mussten weichen, so der kanadisch-britische Kunsthistoriker Ross King. Er ist für sein Buch „Das Wunder von Florenz“ in die Geschichte des Florentiner Doms eingetaucht.
2. ZUSPIELUNG King
8.16 Making a cathedral was a work of centuries. In those days, the work of many decades at least. And after a century of building the Florentines still had not reached the east end of the cathedral where they were going to have this massive dome.
OVERVOICE
Einen Dom zu bauen, war zu dieser Zeit das Werk von Jahrhunderten, zumindest aber vieler Jahrzehnte. Und nach einem Jahrhundert Bauzeit hatten die Florentiner noch immer nicht das östliche Ende des Doms erreicht, wo sie diese gewaltige Kuppel errichten wollten.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Menschen wurden neben der Dauerbaustelle geboren und starben, ohne, dass sie darauf hoffen durften, die Vollendung des Bauwerks zu erleben.
Fassade und Wände des Längsschiffs wuchsen nur langsam aus dem Boden. Als auch noch die Pest wütete und einen Großteil der Bevölkerung dahinraffte, verzögerte sich der Dombau weiter. Doch auch diese Krise überwanden die Florentiner. Nur für ein strukturelles Problem hatten sie keine Lösung. Und dieses Problem war gewaltig und für alle sichtbar, die hier lebten – wie der Goldschmied Brunelleschi. Im entstehenden Dom klaffte ein riesiges Loch über dem Altarraum. Hier, über einem achteckigen Grundriss, sollte sich eine mächtige Kuppel erheben – nur, wie sollte man die erbauen? Darüber rätselte die gesamte Stadt, so der Architekturhistoriker Bernd Kulawik.
3. ZUSPIELUNG Kulawik
Als Brunelleschi geboren wurde, das kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen, gab es … auf der ganzen großen weiten Welt niemanden, der gewusst hätte, wie man das technische Problem löst, diese Kuppel zu errichten.
ERZÄHLERIN
Wie um Himmels Willen sollte man eine Spannweite von rund 45 Metern überwölben? Das entspricht der Länge eines halben Fußballfeldes. Und damit nicht genug: Die Kuppel sollte erst in einer schwindelerregenden Höhe von rund 40 Metern beginnen, also ungefähr in der Höhe eines 12-stöckigen Wohnhauses. Nie zuvor war ein derart ehrgeiziger Bau realisiert worden. Der Kunsthistoriker Ross King.
4. ZUSPIELUNG King
And what they planned for, was something that was absolutely gargantuan and it was unprecedented in size. And so, what they were hoping is that in future – they knew in 1367 when the townspeople voted for this audacious plan they knew, when the time came for them to build this, they would all be dead. And so, it was still a generation or two away. But they believed sincerely that someone would come into their midst and show them how it could be built. And that’s of course going to become Filippo Brunelleschi, he is going to become this architectural messiah who arrives with the beautiful plan of how exactly he is going to do it.
OVERVOICE
Sie planten etwas Gigantisches, in seiner Größe nie Dagewesenes. Als die Florentiner 1367 für diesen kühnen Plan stimmten, war ihnen klar, dass sie alle bereits tot sein würden, ehe es zu dem Bau kommen würde. Aber sie glaubten fest daran, dass ein, zwei Generationen nach ihnen jemand kommen würde, der wissen würde, wie man die Kuppel bauen könnte. Und dieser Jemand sollte Filippo Brunelleschi sein, eine Art architektonischer Messias. Er sollte erscheinen, mit einem wunderbaren Plan zur Umsetzung.
ERZÄHLERIN
Für den Architekturhistoriker Bernd Kulawik ist dies eines der spannendsten Kapitel der Architekturgeschichte überhaupt:
5. ZUSPIELUNG Bernd Kulawik
Das Irre ist eben: Brunelleschi wurde dann erst geboren. Dass er so genial ist als Ingenieur und Techniker, dass er das Problem lösen kann, das haben die dem Moment, wo die die Größe beschlossen haben, noch gar nicht gewusst, nicht ahnen können.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Die Florentiner planten in ihrem Stadtzentrum also quasi die Errichtung eines Luftschlosses. Ein Bauwerk zu entwerfen und zu beschließen, ohne zu sagen, wie man es bautechnisch ausführen, ja, ob es überhaupt halten würde – für heutige Architekten ist das völlig unvorstellbar. Ross King:
6. ZUSPIELUNG King
So … really what they took both in 1367 and then in 1420, when Brunelleschi was given the task of building it, what they took in each case was a huge leap of faith. They believed that they were going to somehow be able to do this against the odds. Because B for example did not have a single mathematical equation he could have worked with, he didn’t have any sort of knowledge of how the structure was going to behave when it was built to that size. And so, it was a leap into the dark, because they simply did not know what problems they were going to encounter. To quote the late Donald Rumsfeld, the American politician, there were all sorts of unknown unknowns that they were going to be faced with as they started building the dome.
OVERVOICE
Sie unternahmen also einen riesigen Sprung ins Ungewisse, sowohl 1367 als auch 1420, als man dann Brunelleschi mit dem Bau der Kuppel beauftragte. Sie glaubten daran, dass sie es allen Widrigkeiten zum Trotz irgendwie schaffen könnten. Brunelleschi hatte keine einzige mathematische Gleichung zur Verfügung, mit der er hätte arbeiten können. Es war also ein Sprung ins Ungewisse, sie hatten keine Ahnung, welche Probleme beim Bau auf sie zukommen würden.
ERZÄHLERIN
Obwohl die Kathedrale der Sitz des Bischofs ist, handelte es sich nicht um ein Bauvorhaben der katholischen Kirche. Bauherrin war die Wollweberzunft, die Arte della Lana, die reichste Gilde der Stadt Florenz. Bernd Kulawik:
7. ZUSPIELUNG Kulawik
Die aber eben vor allen Dingen deswegen so reich war, nicht, weil die alle so fleißig gewebt haben, sondern weil die ganz groß im Tuchhandel aktiv war, über Florenz lief auch der Großteil des Seidenimportes aus China - also sprich, die Tuchhändler waren das eigentlich.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Die Vertreter der Wollweberzunft waren selbstbewusst. Sie hatten Florenz zum europäischen Zentrum der Textilverarbeitung sowie des Handels mit Stoffen gemacht. Auch politisch hatten die Wollweber was zu sagen. Etliche Mitglieder der Stadtregierung gehörten ihrer Zunft an.
Florenz war zudem die Heimatstadt der Medici. Die einflussreiche Bankiers-Familie prägte die Entwicklung der Stadt entscheidend – finanziell, wirtschaftlich, politisch und kulturell als wichtigste Mäzene der Florentiner Geschichte. Die Medici hatten im frühen 14. Jahrhundert ihre eigene Bank gegründet, die schnell zur wichtigsten Bank Europas avancierte. Unter anderem verwaltete sie das Vermögen des Vatikans. Das gab den Medici Einfluss auf die Kirchenpolitik, sie stellten später sogar selbst zwei Päpste. Außerdem finanzierten sie diverse Königshäuser in Europa und mischten bei Handelsgeschäften mit. Diese wickelten sie zum Teil in Goldflorin ab, der Währung der Stadt Florenz. Ross King:
8. ZUSPIELUNG King
The Florin was the most reliable currency in Europe at that time because the Florentines very zealously guarded the gold content in the coin and made sure they weren’t counterfit. … Things like that made the Florentines incredibly wealthy. And the next part of the story is, that this wealth is going to be put into the service of art and architecture.
OVERVOICE
Der Goldflorin war die verlässlichste Währung im damaligen Europa, weil die Florentiner über den Goldgehalt ihrer Münzen mit großer Aufmerksamkeit wachten und sicherstellten, dass sie nicht gefälscht wurden. … Das machte die Florentiner unglaublich reich. Und dieser Reichtum würde in den Dienst von Kunst und Architektur gestellt werden.
ERZÄHLERIN
Florenz hatte um 1400 nur noch rund 40.000 Einwohner, denn der schwarze Tod hatte einen Großteil von ihnen das Leben gekostet. Florenz war eine Stadtrepublik, ihre Bürger lebten nach ihren eigenen Gesetzen.
9. ZUSPIELUNG King
About 5.000, all of them men above the age of 29, had the right to vote and hold political office. By our standard that’s not very democratic, but by the standard of most of the rest of Europe that’s not bad. And so, the Florentines were quite proud of their political system, and they thought they represented a kind of beacon of liberty, at least in Italy. There was a kind of civic pride that they had about themselves and their city. And why not? It was a very prosperous city and a city in which a lot of people did hold a political stake because of the voting rights and office holding rights.
OVERVOICE
Etwa 5.000, allesamt Männer über 29 Jahre, hatten das Wahlrecht und konnten politische Ämter bekleiden. Nach unseren Maßstäben ist das nicht sehr demokratisch, aber nach den Maßstäben des Großteils des restlichen damaligen Europas ist es nicht schlecht. Die Florentiner waren daher ziemlich stolz auf ihr politisches System und hielten sich für eine Art Leuchtturm der Freiheit, zumindest in Italien. Sie empfanden eine Art Bürgerstolz auf sich und ihre Stadt. Und warum auch nicht? Florenz war eine sehr wohlhabende Stadt, in der viele Menschen aufgrund ihres Wahl- und Ämterrechts politisch aktiv waren.
ERZÄHLERIN
Und die majestätische Kuppel des Doms sollte Ausdruck des Florentiner Selbst- und Machtbewusstseins werden. Um den besten Entwurf für die noch fehlende Kuppel zu ermitteln, richteten die Florentiner 1418 einen Wettbewerb aus.
MUSIK
ZITATOR1
Wer ein Modell oder eine Zeichnung für die Errichtung der Hauptkuppel des Domes anzufertigen wünscht und für Standgerüste, Baugerüste und andere Dinge oder für Hebemaschinen aller Art zum Zwecke der Errichtung und Vollendung besagter Kuppel – soll seinen Entwurf vor Ende September einreichen. Derjenige, dessen Modell ausgewählt wird, erhält 200 Goldflorine.
ERZÄHLERIN
200 Goldflorine, für einen Handwerker der Zeit entsprach das dem Verdienst von mehr als zwei Jahren. Die Ausschreibung erregte unter den Steinmetzen, Zimmerleuten und Maurern - Architekten als Berufsstand mit eigener Ausbildung gab es damals noch nicht – in der gesamten Region Aufsehen. Das Rennen machte schließlich ein Außenseiter: der Florentiner Goldschmied Filippo Brunelleschi. Er war bis dahin nur als Baumeister kleinerer Kapellen in Erscheinung getreten. Seine Vision sah im Unterschied zu den anderen Entwürfen vor, die Kuppel ohne das bislang übliche hölzerne Stützgerüst zu bauen. Aus gutem Grund, so Bernd Kulawik:
10. ZUSPIELUNG Kulawik
Ein Gerüst, das so hoch reicht und das dann erst das eigentliche Kuppel-Gerüst trägt, das hätte wahrscheinlich alle Wälder der Toskana gekostet und hätte trotzdem nicht funktioniert.
ERZÄHLERIN
Ein Gerüst bis hinauf zur Spitze der Kuppel, also auf eine Höhe von mehr als 100 Metern, wäre wohl schon unter dem eigenen Gewicht in sich zusammengefallen – wenn man überhaupt imstande gewesen wäre, ausreichend lange und starke Baumstämme zu beschaffen. Und trotzdem stößt Brunelleschi mit seiner Idee, die Kuppel mithilfe eines freischwebenden Gerüsts zu mauern, auf immense Skepsis. Den Bauherren fehlte offensichtlich die Phantasie, sich vorzustellen, wie das funktionieren sollte.
11. ZUSPIELUNG Kulawik
Das war eine heftige Diskussion damals … in der Dombau-Behörde, da wurde Brunelleschi dann rausgetragen, wie ein Verrückter, weil man ihn weghaben wollte und der Meinung war, was der da erzählt, ist sowieso alles Unsinn. Und dann hat er ein Modell aus Stein und aus Ziegeln gebaut, um zu zeigen, dass man die Kuppel, so wie er sich das denkt, ohne solche Gerüste, bauen kann. Und dann hat man ihn erst gelassen.
12. ZUSPIELUNG King
The key thing for him was to get the job to build it, I think he was supremely self-confident, he believed that if you give me the chance to do it, I will be able to solve these problems. Under his breath he might have admitted – I do not know what all of these problems are going to be, but I do think I can solve them, when the time comes.
OVERVOICE
Das Wichtigste für ihn war, den Auftrag für den Bau zu bekommen. Ich glaube, er war äußerst selbstbewusst und glaubte: Wenn man mir die Chance gibt, werde ich diese Probleme lösen können. Unter vorgehaltener Hand gab er vielleicht zu: Ich weiß zwar nicht, welche Probleme das sein werden, aber ich glaube, ich kann sie lösen, wenn es so weit ist.
ERZÄHLERIN
Jetzt endlich kann Brunelleschi loslegen. Er hat eine Mammutaufgabe zu bewältigen, die ihn auf den unterschiedlichsten Gebieten fordert. Er ist Bauleiter, Tüftler, Statiker, Baumaschinen-Erfinder und Logistiker in einer Person. Es gilt, tonnenweise Material zu organisieren und heranzuschaffen – feinsten weißen Marmor aus den Steinbrüchen von Carrara, rund 100 Kilometer von Florenz entfernt, dazu große Sandsteinblöcke und Millionen von Ziegelsteinen aus den Brennereien rund um Florenz. All diese Materialien sucht er eigenhändig aus, verhandelt mit den verschiedenen Gewerken, organisiert die Transporte und ihr rechtzeitiges Eintreffen auf der Baustelle und ist Chef einer wechselnden Belegschaft von gut 100 Handwerkern und Bauarbeitern.
MUSIK
Schritt für Schritt setzt er seinen Entwurf um, und er weiht niemanden in seine Pläne ein. Keine einzige Zeile, keine Berechnung, keine Skizze in seiner Handschrift ist erhalten. Vielleicht hat er bewusst alle Spuren verwischt, weil er Ideenklau befürchtet. Die Kuppel, die in den nächsten 16 Jahren vor den Augen seiner zunächst skeptischen, schließlich vor allem staunenden Zeitgenossen in den Himmel wächst, besteht aus zwei Schalen. Die innere, unten rund drei Meter starke, trägt die dünnere äußere. Dazwischen liegt ein Gang, in dem sich die Bauleute bewegen und heute die Touristen bis zur Spitze hinaufsteigen können. Die Ziegel, aus denen die Kuppel gemauert wird, lässt Brunelleschi im sogenannten Fischgrätenmuster legen. So verkeilen sie sich ineinander und geben sich gegenseitig Halt. Außerdem verlegt er im Gemäuer dicke horizontale Balken, die vermutlich eine Art inneren Gürtel bilden und die Wände zusammenhalten. Ganz genau weiß man das selbst heute noch nicht, obwohl man die Domkuppel mit allem durchleuchtet hat, was die moderne Technik zu bieten hat: Laserstrahlen, Metalldetektoren, Georadar und so weiter. Um die insgesamt knapp 30.000 Tonnen Material, die für die Kuppel gebraucht werden, in luftige Höhen zu befördern, erfindet Brunelleschi, quasi en passant, diverse Gerätschaften und Maschinen.
13. ZUSPIELUNG King
Probably, Brunelleschi’s greatest invention was his ox hoist, a very powerful hoist with 3 gears, it was a three gears hoist … so he could send small loads up very quickly and very heavy loads with great security and power. … One of the greatest innovation of the 1400 comes from Brunelleschi and that is a clutch mechanism, it’s the first clutch mechanism in history, so every time you shift gears in your car … you can thank Brunelleschi because of the fact that he is the one who figured out the reversable clutch.
OVERVOICE
Brunelleschis größte Erfindung war wahrscheinlich sein Ochsen-Aufzug, ein sehr leistungsstarker Flaschenzug mit drei Gängen, damit konnte er kleine Lasten sehr schnell und große Lasten sicher und kraftvoll in die Höhe befördern. Eine der größten Innovationen des 15. Jahrhunderts stammt damit von Brunelleschi, nämlich ein Kupplungsmechanismus, der erste Kupplungsmechanismus der Geschichte. Jedes Mal, wenn Sie in Ihrem Auto den Gang wechseln, können Sie Brunelleschi danken, denn er hat die Kupplung für den Vor- und Rückwärtsgang erfunden.
ATMO Pferde
ERZÄHLER
Angetrieben wurde der Lastenaufzug von einem Ochsengespann, das unter dem Gewölbe im Kreis lief. Kraft dieser Bewegung wurde die Last mittels eines Gewindes nach oben befördert. Dank der Gangschaltung konnte man den leeren Aufzug mit wenigen Handgriffen wieder nach unten schicken, um ihn dort neu zu beladen, ohne dass die Ochsen anhalten und umdrehen mussten.
14. ZUSPIELUNG King
He was unquestionably a genius, he was a mechanical genius, but he was also a great manager. I mean, he ran a huge work force with great efficiency, and he also could deal with the politicians and the wardens of the wool guild in Florence, so he did have quite a few people skills. But he was an eccentric character to say the least. … He was very secretive and that was because of the fact that he did not want anyone else to get the credit for his inventions. He wanted the dome to be known as Brunelleschi’s dome.
OVERVOICE
Er war zweifellos ein Genie, ein Genie der Mechanik, aber auch ein großartiger Manager. Er leitete eine riesige Belegschaft mit großer Effizienz und konnte auch mit den Politikern und den Vorstehern der Wollzunft in Florenz umgehen. Er besaß also einiges an zwischenmenschlichem Geschick. Aber er war, gelinde gesagt, ein exzentrischer Charakter. … Er war geheimniskrämerisch, weil er nicht wollte, dass jemand anderes die Anerkennung für seine Erfindungen bekam. Er wollte, dass die Kuppel als Brunelleschis Kuppel bekannt wurde.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Um das zu erreichen, musste er die Kuppel zu seinen Lebzeiten fertigstellen, durfte also keine Zeit verlieren. Und es galt, zunächst noch einen Rivalen aus dem Feld zu schlagen: Den berühmten Bildhauer Lorenzo Ghiberti, der ihm als gleichberechtigten Bauleiter und eine Art Controller zur Seite gestellt worden war.
15. Kulawik 18.00
Und da hat Brunelleschi sich krankgemeldet. Und dann stand die Baustelle still, weil Ghiberti technisch das gar nicht durchdrungen und verstanden hat, wie das gehen soll. Und da hat man eingesehen: Okay, wir brauchen den Ghiberti nicht, aber wir brauchen unbedingt Brunelleschi.
ERZÄHLERIN
Seine Bauleute stammten zum großen Teil aus armen Familien und bekamen nur einen geringen Lohn, so Ross King. Für einen Knochenjob, der von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang dauerte. Ihr Arbeitswerkzeug, wie Hammer, Meißel oder Maurerkelle, mussten sie selbst mitbringen. Wenn es regnete oder stürmte, ruhte die Baustelle und die Belegschaft blieb ohne Lohn. Dann veranstaltete man eine Art Lotterie unter den Arbeitern. Zog man das große Los, wurde man während der arbeitsfreien Tage bezahlt.
16. ZUSPIELUNG King
28.50 And its very dangerous work, because by about 1426 they had reached a point were the dome was curving inward and they were working many of them on the inward curving surface without any sort of wood beneath them to catch them if they fell. So one of the things B did to keep them safe he appears to have invented some sort of safety harness for them, so if you were working on the hight on an inward curving surface with the abyss beneath you would be clipped/tethered essentially to the wall itself, rather like a mountaineer or a window cleaner today on a high rise
OVERVOICE
Und es war eine sehr gefährliche Arbeit, denn um 1426 hatten sie einen Punkt erreicht, an dem sich die Kuppel nach innen wölbte, und viele von ihnen arbeiteten auf der nach innen gewölbten Fläche, ohne dass sie Holz unter sich hatten, das sie im Falle eines Sturzes hätte auffangen können. Zu ihrer Sicherheit erfand Brunelleschi offenbar unter anderem eine Art Sicherheitsgurt für sie. Wenn man also in der Höhe auf einer nach innen gewölbten Fläche arbeitete und sich darunter ein Abgrund befand, war man praktisch an der Wand festgeschnallt bzw. angebunden, ähnlich wie ein Bergsteiger oder Fensterputzer heute in einem Hochhaus.
ERZÄHLERIN
Im Laufe der 16 Jahre, die Brunelleschi auf der Baustelle arbeitete, ereigneten sich dort nur zwei tödliche Unfälle. Auch das eine beachtliche Leistung des Bauleiters. Die Arbeiter mussten nicht nur Wind und Wetter trotzen, sie mussten auch schwindelfrei sein und körperlich fit:
17. ZUSPIELUNG
They did not have to go jogging or go to the gym before they started work because they got their exercise on the site because of course the first thing they had to do was to climb the stairs to get up into their place of work. …most of them, before the dome was completed, were doing I suppose 400 plus steps up. Many of them would go down for lunch… anyone who’s climbed the dome knows that it takes you a certain amount of time, even someone who is in relatively good shape … and so what B ultimately decided he would do by 1426, some 6 years into the construction of it, is: serve them lunch on the platform. … he watered the wine down, he didn’t want them getting drunk on the job, … Some of them would use the hoist to go up and down, they would climb into the bucket, that brought the bricks up and they would go down for their lunch in that bucket. Obviously, it would have been very dangerous, probably a lot of fun … so he put a stop to that.
OVERVOICE
Sie mussten vor Arbeitsbeginn nicht joggen oder ins Fitnessstudio gehen, sondern konnten direkt auf der Baustelle trainieren. Denn natürlich mussten sie zuerst die Treppe zu ihrem Arbeitsplatz hinaufsteigen. … Die meisten von ihnen haben vor Fertigstellung der Kuppel vermutlich über 400 Stufen erklommen. Viele von ihnen gingen zum Mittagessen hinunter und … jeder, der schon einmal auf die Kuppel gestiegen ist, weiß, dass man dafür eine gewisse Zeit braucht, selbst wenn man relativ fit ist … und so beschloss Brunelleschi im Jahr 1426, also etwa sechs Jahre nach Baubeginn, ihnen das Mittagessen oben auf der Plattform zu servieren. … den Wein verdünnte er, damit sie sich bei der Arbeit nicht betranken… Einige der Arbeiter benutzten den Lastenaufzug, um rauf und runter zu kommen, sie kletterten in den Eimer, der die Ziegel nach oben brachte, und ließen sich in diesem Eimer zum Mittagessen hinunterbefördern. Natürlich war das sehr gefährlich, wenngleich wahrscheinlich auch sehr lustig… Aber Brunelleschi hat ihnen das verboten.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Und so wächst die Kuppel langsam, aber stetig in den Florentiner Himmel, rund 30 Zentimeter im Monat. Für ihre Schalung werden Ziegel verschiedenen Zuschnitts und in hundert verschiedenen Größen verbaut. Je nach Position und Neigungswinkel kommen andere Ziegelsteine zum Einsatz. Wie bei einem gigantischen dreidimensionalen Puzzle. Während der 16-jährigen Bauzeit liegt Florenz im Krieg mit den Städten Lucca und Mailand. Die militärische Auseinandersetzung kostet die Florentiner viel Geld. Und Brunelleschi selbst wird von seiner Baustelle wegbeordert und zum Kriegsdienst einberufen. Doch schließlich ist es vollbracht, das Wunder von Florenz. Der große Kunstmäzen Lorenzo de Medici schwärmt:
ZITATOR1
Niemals zuvor gab es etwas Großartigeres und Genialeres
MUSIK
ERZÄHLERIN
Majestätisch thront die Kuppel über der Stadt, weithin sichtbar. Rot leuchten ihre Dachziegel, weiß die Marmorrippen dazwischen. Geleitet von einer Mischung aus Größenwahn, Gottvertrauen und grenzenlosem Optimismus, hatten die Florentiner ihrer Stadt ein Monument errichtet. An diesem Meilenstein der Baugeschichte sollten sich alle künftigen Bauwerke messen.
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