Vor kurzem fand ich, versteckt unter vielen anderen Papieren, einen Gutschein. Leider ist es nicht mehr möglich, diesen Gutschein einzulösen. Es war eine Einladung von Freunden zu einem besonderen Event in Hamburg. Und dieses Event gibt es inzwischen nicht mehr. - Schade, ein Gutschein, der verfallen ist. Möglicherweise ist es Ihnen auch schon einmal so oder ähnlich ergangen? Da haben Freunde in guter Absicht eine gemeinsame Unternehmung zugesagt, vielleicht sogar schriftlich als Gutschein – und dann wird nichts draus. Arbeit, Urlaub, Vergesslichkeit oder andere Gründe sorgen dafür, dass der gut gemeinte Plan immer wieder aufgeschoben, vielleicht irgendwann vergessen wird.

Im Psalm 119 lesen wir von einem Beter, der auch so etwas wie einen „Gutschein“ besitzt. Im gesamten Psalm 119 wird immer wieder von allen Seiten beleuchtet, was unter „Gottes Wort“ zu verstehen ist. Gottes Wort ist mehr, als kluge Worte zu hören oder zu lesen. Wo Gott redet, geschieht etwas. Gott mischt sich ein ins Weltgeschehen. Er gibt sich zu erkennen durch das, was er tut und schafft. Und insbesondere sein Volk Israel erlebt, wer Gott ist und wie er sich für sie einsetzt. Das erleben die Israeliten als lebendiges Wort Gottes. Dafür finden sie Worte als Gebet in diesem Psalm 119. Und mittendrin der Vers 82, die Tageslosung der Herrnhuter Brüdergemeine. Es sind bittende, fast klagende Worte in Richtung Gott. Dieser Vers 82 lautet:

„Meine Augen sehnen sich nach deinem Wort und sagen: Wann tröstest du mich?“ Da ist einer, der weiß um Gott und kennt viele Geschichten von ihm. Er richtet sich nach dem, was Gottes Worte vorgeben und er vertraut auf das, was Gott zugesagt und schon alles getan hat. Aber jetzt ist er an einem Punkt, der ihn niederdrückt und hilflos macht. Er vermisst Gottes Unterstützung. Weitere Verse lassen erkennen, was ihn belastet. Er wird bedrängt von Andersdenkenden, wird belogen und verfolgt. Er fühlt sich alleingelassen mit seinem Glauben.  – Hat Gott seine Zusage, für ihn da zu sein, vergessen? -  Diesem Beter geht es nicht darum, ein paar gute Worte zu hören. Nein, er wünscht sich sehnlichst, endlich wieder etwas von Gottes Kraft zu sehen. Er betet: „Meine AUGEN sehnen sich nach deinem Wort“. 

Kennen Sie diesen Wunsch auch? Wenn der eigene Glaube schwach wird, wenn sich in meiner Kirche oder meiner Gemeinde von Gottes Kraft und Hilfe offensichtlich nichts erleben lässt – was dann? Dann können wir bei diesem Beter des Psalms neuen Mut gewinnen. Er traut sich, auszusprechen, was ihn bedrückt, was er von Gott erwartet – und er sagt es nicht ins Nichts hinein. Er spricht Gott an. Er wendet sich direkt an den, der ihm im Moment fremd ist und zu anderen Zeiten doch so vertraut war.

Gottes Wort ist für ihn wie ein Gutschein, der niemals seine Gültigkeit verliert. Der Beter des Psalms vertraut darauf, dass seine Sehnsucht nach Gottes Hilfe ernstgenommen wird. Und wenn es um uns herum gerade sehr düster aussehen mag, lassen Sie es uns so machen, wie der Beter des Psalms – es direkt in Gottes Richtung klagen. Er wird seinen Gutschein, uns beizustehen, einlösen.

Autor: Ursula Eggers

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