„Beten ist Atmen der Seele“, so schrieb der norwegische Theologe Hallesby vor Jahren. Muss ich mir jetzt über die seelische Gesundheit vieler Menschen große Sorgen machen, weil sie unter akuten Atembeschwerden ihrer Seele leiden? Doch dann lernte ich, dass viel mehr Menschen, beten, als ich dachte. Dazu zählt vermutlich auch das schönste kurze Gebet, das ich kenne und das von vielen benutzt wird: Gott sei Dank!
Also setze ich jetzt einmal voraus, dass Sie auch zu den regelmäßigen oder gelegentlichen Betern und Beterinnen gehören.
Über das eigene, persönliche Gebet wird normalerweise selten oder gar nicht geredet. Das gehört zu den privaten, intimen Bereichen unseres Lebens. Oft haben wir eine Scheu, uns über den eigenen Glauben und die eigene Frömmigkeit mit anderen auszutauschen. Viele empfinden das als peinlich. Oder als Ausdruck von eigener Schwäche, die man nicht zeigen oder sich eingestehen möchte.
Öffentlich mag man schon gar nicht beten. Zu Hause gibt es ja vielleicht ein Tischgebet, wo man sich bewusst wird, dass es überhaupt nicht selbstverständlich ist, dass wir so gut versorgt sind. Aber öffentlich? Im Restaurant?
Ganz anders habe ich das in anderen Teilen der Welt gelebt. In den USA verfolgte ich einmal in einem Regionalsender die TV-Berichterstattung über einen Unfall mit Verletzten. Während der Krankenwagen in Richtung Hospital aufbrach, stellten sich Polizisten, Zeugen und Betroffene im Kreis zusammen, fassten sich bei der Hand und beteten. Das wurde live im Fernsehen übertragen und es schien keinem irgendwie peinlich zu sein.
Das Gebet für andere – in Notsituationen wie auch ohne besonderen Anlass - ist ein wichtiges Element der Anteilnahme und Ausdruck der Gewissheit, dass wir in der Gegenwart Gottes leben dürfen.
Und für was sollen und können wir für uns selbst beten? Dazu habe ich einen guten Hinweis in dem Bibelwort gefunden:
„Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist.“ So heißt es im Psalm 51.
Dieses Gebet hilft mir, ehrlich zu werden vor mir selbst. Es geht um viel mehr als ein funktionierendes Herz. Das wünsche ich Ihnen natürlich. Jesus hat einmal das menschliche Herz als den Ort bezeichnet, in dem Gutes und Böses entsteht. Es ist nicht nur Quelle der Liebe, sondern auch des Bösen, wo Lüge und Hass und Neid entstehen, die mein Leben vergiften und die Beziehung zu anderen Menschen belastet wird.
Also eine wichtige Bitte: „Gib mir, Gott, ein reines Herz.“
Das heißt aber auch, dass ich selbst drauf achte, womit ich mich beschäftige. Was mein Verhalten prägt. Die Bitte um Vergebung für böse Gedanken und falsch Gelaufenes ist dann folgerichtig, damit mich diese Vergangenheit nicht weiter bestimmt.
Der zweite Teil der Bitte lautet: „Gib mir einen neuen, beständigen Geist“. Damit nehme ich meine nächsten Schritte, die Zukunft in den Blick. Beständigkeit. Nachhaltigkeit, Verlässlichkeit. Wir kennen die Not-Ruf-Gebete, wenn wir in Schwierigkeiten stecken oder uns Schlimmes oder Unangenehmes droht. Aber es geht um mehr: wie richte ich mein Leben aus, das ich von Wankelmut oder Verirrungen bewahrt bleibe. Das mein Leben in der Spur bleibt. Im christlichen Glauben ist die Orientierung an Jesus immer wieder der Praxis-Test im Alltag.
Vielleicht haben Sie schon lange den Einwand im Kopf. Hört sich gut an, aber das schaffe ich nicht. Ich bin nicht so fromm. Ich bin nicht so gut. Ich bin nicht so beständig.
Das ist ehrlich und währt bekanntlich länger als viele gute Vorsätze.
Und trotzdem ist das nicht das letzte Wort in dieser Sache. Was ich nicht schaffe, kann ich von Gott erbitten. Das ist der Clou. Die Erfüllung dieser Bitte sollte ich dann aber auch bei mir zulassen.
„Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist.“
Dieses Gebet lässt meine Seele frei atmen. Und das wünsche ich Ihnen auch.
Autor: Pfarrer Hans-Georg Filker
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