Da stand ich nun vor dem Gewürzschrank unserer Küche. Siehe da, es fand sich dort ein kleines Glas mit Senfkörnern. Auch wenn ich weiß, dass es viele verschiedene Senfpflanzen gibt, meine Faszination galt der Vorstellung, wie so ein kleines Körnchen zu einem Baum werden würde, in dem die Vögel des Himmels Schatten finden und Nester bauen würden. Nun, da wäre ich doch mal gespannt: Was passiert wohl, wenn ich nach biblischem Vorbild, meinen Vorrat an Senfkörnern in meinen Garten werfe? Mit Vergnügen dachte ich daran, wie ein wahrer Senfbaum-Dschungel daraus entstehen würde. Ich mag Senf sehr! Nun, die rauen Klimaverhältnisse bei uns im Oberharz würden das verhindern. Auch weiß ich, dass die Worte von Jesus ja nur ein Vergleichsbild aus seiner damaligen Zeit beschreiben.

In solchen wechselnden Bildern behandelte Jesus immer wieder die eine, wichtige Frage: Wie verhält sich das mit dem Reich Gottes? Die Senfkorngeschichte beginnt mit einem dahingeworfenen Samen. Auch in anderem Zusammenhang erklärte Jesus schon, dass dies das Besondere am Samen ist: Er muss in die Erde, er muss ausgestreut worden sein, sonst kann sich seine Keimkraft nicht zeigen.

Spricht Jesus von sich selbst? Er, ein unscheinbarer Nazarener, ein Galiläer aus dem Norden, ein Zimmermannssohn mit zweifelhaftem Stammbaum, was den Vater angeht. Er hat nie einen Krieg gewonnen, nie einen Thron besteigen können, er hinterließ keinerlei Reichtümer. Seine wenigen Anhänger waren mehrheitlich eine Mischung aus einfachen Fischern, Schafhirten, Hausfrauen und nur wenigen Intellektuellen, mit bescheidenem Einfluss. Noch dazu war Jesus zur Bedeutungslosigkeit verurteilt, als er wie ungezählte andere, gewöhnliche Verbrecher des Römischen Reiches, gekreuzigt wurde. Sein Ende war beschämend. Jesus und seine Botschaft - ist das der unscheinbare Same, den ich da vor mir sehe? Ist das das Reich Gottes? Da soll was Großes draus werden?! Kleine Ursache – unglaubliche Wirkung?

Einen Satz später betont Jesus diesen Vergleich nochmals. Im Vergleich zu drei Scheffeln Mehl (ca. 126kg) reicht eine Winzigkeit an Hefe (Lukas13,21). Mir wird klar, wie falsch ich mit meiner Skepsis liege. Das, was ich sehe, mag mir wirkungslos vorkommen, hat aber eine ungeahnte Kraft. Die wenige Hefe durchdringt den gesamten Brotteig, und das kleine Senfkorn hat Kraft, ein Baum zu werden. Jesus vergewissert seine Zuhörer. So ist es mit dem Reich Gottes. Es beginnt so klein. Es mag unzureichend scheinen, die Wirksamkeit zweifelhaft sein, die Botschaft merkwürdig vorkommen, die Umstände Besorgnis erregen - und doch wird dieses Korn den vielen „Vögeln des Himmels“ eine Heimat, ein Nest werden.

 Mit den „Vögeln des Himmels“ könnten die Völker der Welt gemeint sein. Aus allen Himmelsrichtungen wird die Schar derer kommen, die im wachsenden Reich Gottes ein ewiges Zuhause haben. Einige werden dabei sein, von denen jeder dachte, sie wären die Letzten, die in Frage kämen, und die zwitschern ganz oben. Einige, von denen man sicher war, dass sie auf jeden Fall dazugehören, werden mit Mühe und Not unter den Letzten sein, die von ganz unten trällern auf den untersten Zweiglein. Aber es wird keinem Vogel von oben einfallen, auf die Vögel unten schräg herabzusehen. Auch werden die von unten nicht neidisch nach oben schielen. Das Reich Gottes ist Wohnung ohne jede Erbstreitigkeit. Nur erfüllt von dem Wunder und der Freude, wie das möglich wurde, was keiner für möglich hielt, aber alle glaubten und hofften.

Das Reich Gottes wird an anderen Stellen der Bibel auch das Königreich der Himmel genannt. Es ist eine neue Welt, die alle anderen Herrschaftsreiche der Menschheit überdauern wird. Sie fängt dort an, wo Jesus hinkommt und bei wem er einzieht. Ganz sicher!

Autor: Pfarrer Martin Hüfken

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