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Geplatzter China-Besuch von Außenminister Wadephul: Arroganz oder peinlicher Planungsfehler?


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Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil weilt seit dem 17. November in China und trifft sich dort nach Angabe seiner Sprecherin mit ranghohen chinesischen Vertretern aus diversen politischen Bereichen. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, wie sich das Außenministerium erklärt, dass der deutsche Finanzminister im Gegensatz zum Ende Oktober abgesagten Besuch von Außenminister Johann Wadephul durchaus von ranghohen Vertretern der Volksrepublik empfangen wird. Zudem kam die Frage auf, wieso das Auswärtige Amt den Auftakttermin für Wadephuls erste China-Reise ausgerechnet zum zeitgleich laufenden ASEAN-Gipfel in Malaysia und zu den Vorbereitungen zum Xi-Trump-Gipfel in Südkorea gelegt hatte – und ob man in Berlin wirklich geglaubt habe, in Konkurrenz zu diesen Terminen treten zu können. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hintergrund

Vom 26. bis 28. Oktober fand in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur das jährliche Treffen des Verbands der Südostasiatischen Nationen, kurz ASEAN genannt, statt. ASEAN ist grob mit der EU zu vergleichen und strebt die Etablierung eines gemeinsamen Wirtschafts-, Handels-, Verteidigungs- und Kulturraums an. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der 11 ASEAN-Staaten betrug 2022 in Kaufkraftparität (KKP) rund 10,2 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: die 26 EU-Staaten verfügten 2022 über ein BIP (KKP) von 28,16 Billionen US-Dollar. Beim aktuellen Gipfel in Malaysia stand die Unterzeichnung eines erweiterten Freihandelsabkommens an. Deswegen befand sich auch ab dem 26. Oktober ein Großteil der ranghohen Vertreter des chinesischen Wirtschafts- und Außenministeriums in Malaysia. Der Termin des ASEAN-Gipfels 2025 war schon seit über einem Jahr bekannt.

Zeitgleich liefen noch die Verhandlungen zwischen der US-amerikanischen und chinesischen Delegationen zu ungeklärten Handelsfragen und der Vorbereitung des Xi-Trump-Treffens am 30. Oktober in Südkorea mit Schwerpunkt auf Zollfragen und Zugang zu Seltenen Erden.

Es stellt sich vor diesem skizzierten Hintergrund die Frage, wieso das Planungsteam des Auswärtigen Amtes den Auftakttermin für die erste China-Reise des deutschen Außenministers ausgerechnet auf den 27. und 28. Oktober legte und dann auch noch in beleidigtem Ton öffentlich kommunizierte, dass man die Reise von Wadephul absagt, weil die chinesische Seite außer einem Termin des Ministers bei seinem Kollegen Wang Yi „keine hinreichenden weiteren Termine” angeboten hätte.

Deutsche Hybris?

Glaubte man im AA allen Ernstes, dass der Außenminister einer Mittelmacht wie Deutschland in Konkurrenz treten kann mit den Planungen zum Treffen mit dem US-Präsidenten und dem ASEAN-Gipfel?

Länderübergreifend zeigten sich politische Analysten in Asien erstaunt über dieses Vorgehen der deutschen Diplomatie. Exemplarisch sei auf die Darstellung eines bekannten taiwanesischen Analysten und ehemaligen Diplomaten verwiesen. Dieser fasste im taiwanesischen Sender LTI die Planungsfehler und das kommunikative Vorgehen des Auswärtigen Amtes mit folgenden Worten zusammen:

„Der deutschen Außenpolitik fehlt es immer noch an Fingerspitzengefühl. Was glaubt Deutschland, wer es ist? Die derzeitige deutsche Regierung lebt ein Stück weit in ihrer eigenen (irrealen) Welt”

Aua. "Was glaubt , wer es ist?" – Selbst in Taiwan schlagen die Analysten die Hände über den Köpfen zusammen, was das Agieren von @AuswaertigesAmt und @AussenMinDE #Wadephul in Bezug auf #China angeht. Hier ein Beispiel vom taiwanischen Sender CTI: pic.twitter.com/Kbwg26Gnfl

— Florian Warweg (@FWarweg) October 30, 2025

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz am 14. November 2025

Dr. Laiadhi (BMF)
Ich darf Ihnen ankündigen, dass Bundesfinanzminister Lars Klingbeil diesen Sonntag, also am 16. November, nach Peking reisen wird, unter anderem zum deutsch-chinesischen Finanzdialog. Der deutsch-chinesische Finanzdialog findet am 17. November statt und ist ein etabliertes Format. Er dient dem Austausch auf Regierungsebene und ermöglicht einen Austausch über die makroökonomische Lage, die Politik in Deutschland und in China, die Zusammenarbeit in multilateralen Gremien und die strategische Kooperation gerade im Finanzbereich. Dem Bundesfinanzminister ist es wichtig, insbesondere über regelbasierten Handel, Exportkontrollen, Rohstoffe, die Ukraine und andere zentrale aktuelle Fragen miteinander zu beraten. Die Reise ist innerhalb der Bundesregierung, mit dem Bundeskanzler und auch mit anderen europäischen Partnern eng abgestimmt. Der Minister wird auf der Reise von einer Delegation aus Vertreterinnen und Vertretern der deutschen Finanzindustrie nach Peking begleitet. Die Reise dient, wie ich schon sagte, der Teilnahme am hochrangigen Finanzdialog, aber auch dazu, die Linien der Chinapolitik der Bundesregierung noch einmal zu bekräftigen und den chinesischen Gesprächspartnern die deutschen Interessen zu vermitteln. Am 19. November wird der Finanzminister nach Shanghai weiterreisen, um sich dort mit deutschen Unternehmensvertreterinnen und -vertretern auszutauschen, die in China aktiv sind.

Frage Dr. Rinke (Reuters)
Herr Meyer, Herr Hinterseher, soll dieser Besuch eine Art Türöffner für weitere Besuche sowohl des Außenministers als auch des Bundeskanzlers sein, nachdem der Außenminister nicht nach China gereist ist? Steht auf der Agenda des Finanzministers, dass diese weiteren Besuche vorbereitet werden?

Dr. Laiadhi (BMF)
Wie gesagt ist diese Reise innerhalb der Bundesregierung eng abgestimmt. Der Finanzminister wird natürlich auch für die Bundesregierung sprechen und die Punkte einbringen. Zu weiteren Reiseplänen können vielleicht die Kollegen ergänzen.

Vize-Regierungssprecher Meyer
Ich kann generell sagen, dass es für den Bundeskanzler und die gesamte Bundesregierung sehr gut ist, dass der Vizekanzler dorthin reist und diese Gespräche führt. Das unterstützen wir sehr. Wenn ich richtig informiert bin, war die Reise auch schon etwas länger in Vorbereitung und steht deshalb in keinem direkten Zusammenhang mit anderen Entwicklungen der letzten Wochen. Uns ist dieser Austausch auf Augenhöhe als Bundesregierung sehr wichtig. Wir werden ihn auch auf unterschiedlichen Ebenen fortsetzen. Deshalb würde ich es nicht als Türöffnung charakterisieren, sondern als Teil unserer gemeinsamen Arbeit an der deutsch-chinesischen Partnerschaft.

Hinterseher (AA)
Ich denke, zur grundsätzlichen deutsch-chinesischen Partnerschaft ist an dieser Stelle viel gesagt worden. Wir hatten hier in der vergangenen Woche berichtet, dass es bereits ein Telefonat zwischen Außenminister Wadephul und seinem chinesischen Amtskollegen gab. Dieses sehr konstruktive und gute Gespräch hat noch einmal unterstrichen, dass man sich einig ist, dass dieser Besuch, der vor einigen Wochen abgesagt wurde, zu gegebener Zeit nachgeholt wird. Sobald das der Fall ist, würden wir das wie üblich hier ankündigen.

Frage Warweg
Die Kollegin vom BMF hat betont, dass es auch sehr hochrangige Treffen mit der chinesischen Seite gibt. Wie erklärt sich das Außenministerium, dass sich der Vizekanzler und Finanzminister durchaus mit hochrangigen Vertretern der chinesischen Seite treffen kann, während das beim Außenminister Ende Oktober nicht der Fall war?

Hinterseher (AA)
Es ist sehr gut, wenn deutsche Regierungsvertreter hochrangig in China wahrgenommen werden. Ansonsten sind wir natürlich bemüht, bei all unseren Reisen diejenigen Ansprechpartner zu finden, über die wir mit der chinesischen Seite in einen guten und konstruktiven Dialog einsteigen können, um unsere Interessen mit der chinesischen Seite konstruktiv zu besprechen.

Zusatzfrage Warweg
Noch eine Verständnisfrage: Zahlreiche politische Beobachter, gerade auch im asiatischen Raum, haben sich gefragt, wieso der Außenminister seinen Besuchstermin damals explizit auf den 27. und den 28. Oktober gelegt hatte. In derselben Zeit fand der ASEAN-Gipfel in Malaysia statt. Die Verhandlung für ein Treffen von Trump und Xi und auch die Handelsverhandlungen mit den USA liefen ebenfalls.

Waren dem Auswärtigen Amt diese Termine nicht präsent, oder hat man tatsächlich geglaubt, man könnte sich in Konkurrenz zum ASEAN-Gipfel und den Vorbereitungen der Verhandlungen mit der US-Delegation setzen?

Hinterseher (AA)
Ich glaube, wir haben uns hier mehrfach dazu verhalten. Aber grundsätzlich kann ich sagen, dass solche Besuche einen sehr viel längeren Vorlauf haben und dass Terminkonflikte oder dergleichen deshalb nicht zu jeder Zeit absehbar sind. Insofern stand es in keinem Widerspruch und war die Planung auch ansonsten in keiner Art und Weise dadurch beeinträchtigt.

Zuruf Warweg
(ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Vorsitzende Buschow
Herr Warweg, das ist kein Ort für die Diskussion. Sie hatten eine Nachfrage. Ich habe noch mehrere Menschen auf der Liste.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 14.11.2025

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