ERF Plus - Wort zum Tag

Situationsbedingte Evangelisation


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In einer Autobahn-Raststätte sitzen wir zufällig mit einem jungen Mann zusammen und kommen ins Gespräch. Wir unterhalten uns über unsere Reiseziele, über den Stau, der gerade hinter uns liegt. Er erzählt mir, dass er als Vertreter viel unterwegs ist und fragt mich dann: „Was haben sie denn früher beruflich gemacht?“ Als ich antwortete: „Ich war Pfarrer“, sagt er mir: „Wir glauben doch alle an den einen Gott, ob Christen, Moslems, Hindus oder Buddhisten.“ Als wir gerade aus dem Fenster schauen, sehen wir einen LKW-Fahrer, der seinen Gebetsteppich ausbreitet und niederkniet. In Kurzfassung habe ich meinem Gesprächspartner erklärt, warum ich Christ bin und was mir am christlichen Glauben so wichtig ist, dass Christus für mich gestorben ist und wir von seiner Gnade leben können – und dass das bei den anderen Religionen so ganz anders ist. Als er weg war, sagte ich zu meiner Frau: “Irgendwie bin ich mir jetzt vorgekommen wie Paulus auf dem Marktplatz von Athen“.

Er sieht dort Tempel, Götterbilder, Altäre und einen Altar mit der Aufschrift: „Dem unbekannten Gott“. Die Athener dachten: Für alle Fälle, falls wir einen Gott vergessen haben, den wir nicht kennen.

Viele sind auch bei uns heute auf der Sinnsuche: Fitness und gesunde Ernährung, Yoga, Meditation und anderes. Viele sind auch an religiösen Themen interessiert, auch wenn sie nicht in unsere Kirchen und christlichen Versammlungen kommen. So singt Peter Maffay von seinen Fragen an Gott, Herbert Grönemeyer von „Jesus an meiner Seite“ und Joan Osburne „God is great, also: Gott ist groß und die Fußballer Jürgen Klopp, Heiko Herrlich, David Alaba und andere reden unbekümmert von ihrem Glauben.

Auf dem Marktplatz in Athen knüpft Paulus an die wie auch immer geartete Religiosität der Athener an und predigt von dem ihnen unbekannten Gott, für den sie ja auch den Altar gebaut hatten. Er holt sie ab bei ihren religiösen Vorstellungen, verkündigt ihnen Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen und sagt dann zu ihnen: „Den wollt ihr eigentlich suchen.“ Denn: “ Fürwahr, Gott ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir (Apostelgeschichte 17,27–28).  

Ich werde nachdenklich und frage mich – und ich gebe diese Frage gern an Sie weiter:

Wie lange ist es her, dass ich mit einem Menschen über meinen Glauben geredet habe, der nicht zu unseren christlichen Kreisen gehört? Habe ich diesen Menschen immer dort abgeholt, wo er gerade war und Zeit für ihn gehabt? Habe ich mich auf den „Marktplätzen“ unserer Zeit erst einmal umgesehen und intensiv zugehört, ehe ich etwas geredet oder gepostet habe?

Vor einiger Zeit war ich Urlauberseelsorger in Bad Wiessee. Zu meinen Aufgaben gehörte es, neben Gottesdienst und Seelsorge, Nachmittage mit dem Kurorchester unter dem Titel „Mit Musik und guten Worten“ zu gestalten. Das Kurorchester spielte Märsche und Operettenmelodien, ich sagte zwischen den Musikstücken immer etwas, die Urlauber saßen mit Kaffee und Kuchen an den Tischen. Ich habe kleine Einheiten zum Thema: „Christus gibt meinem Leben Sinn“ gemacht. Ich war froh, als der Nachmittag vorbei war, denn ich hatte mich dabei nicht so ganz wohlgefühlt. Da stand ein Mann von seinem Kaffeetisch auf und sagte zu mir: „Vielen Dank, Herr Pfarrer. Das waren die richtigen Worte für mich. Ich habe in meinem Leben ein Hotel nach dem anderen gebaut und viel Geld verdient – ich hielt das für das Wichtigste - und bin darüber seelisch krank geworden. Da will ich nun etwas ändern in meinem Leben.“ Ich dachte: Danke, lieber Vater, du hast viele Wege, Menschen anzusprechen, auch wenn sie nicht in unsere Gottesdienste kommen und ich mich an diesem Nachmittag unwohl gefühlt habe.                                                                                        

Autor: Superintendent i. R. Rainer Kunick

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