Keiner redet mehr über Pazifismus – wir schon! Eine zweiteilige TheoLounge-Episode mit dem mennonitischen Friedensexperten Jürg Bräker. Teil 2 erscheint nächste Woche.
Vor 80 Jahren endete der Zweiter Weltkrieg und ebenfalls vor 80 Jahren wurden die Atombomben abgeworfen. Um das Thema Pazifismus aber ist es merkwürdig still geworden, sogar in vielen Kirchen.
Ergibt sich aus meinem Christinsein und spirituell sein nicht sogar zwangsläufig eine pazifistische Grundhaltung? (Mit dem Bergprediger als Leitbild!)
Was ändert sich, wenn sich die Bedrohungslage ändert?
Und was kann ich vorbringen, wenn mein Pazifismus als vermeintliche Naivität hingestellt wird?
Auf diese Fragen habe ich Antworten gesucht und bin dabei auf Jürgen Bräker gestossen. Der mennonitische Theologe gehört einer Kirche mit einer 500-jährigen pazifistischen Tradition an.
Was er zu vereutlichen versucht: Neben dem derzeit dominierenden Thema der Aufrüstung gibt es ein sehr breites Spekrum an Möglichkeiten der Friedensarbeit: von diplomatischen Mitteln über Strategien der Deeskalation bis hin zu Traumarbeit, um künftigen Eskalationen entgegenzuwirken.
Bräker spricht über die Herausforderungen und die Aktualität christlicher Friedensarbeit – insbesondere in einer Zeit, in der Pazifismus kaum noch öffentlich diskutiert wird.
Gewaltfreiheit, aber nicht Martyrium
Im Zentrum steht die Erfahrung, dass Frieden nicht einfach gehalten, sondern immer wieder neu gesucht und geschaffen werden muss, erklärt er.
Friedensarbeit bedeutet, sich mutig zwischen die Fronten zu stellen, zuzuhören, Schuld anzuerkennen und aktiv an Gerechtigkeit zu arbeiten – auch wenn dies zunächst Konflikte verschärfen kann.
«Wenn wir über Frieden reden, müssen wir über Gerechtigkeit reden», betont Bräker.
Über Frieden zu reden, heisst auch, über Gerechtigkeit und die tieferen Ursachen von Gewalt zu sprechen. Täuferisches Friedenswissen setzt auf gewaltfreie Konfliktbearbeitung und die Bereitschaft, Schuld und Unrecht – etwa aus kolonialem Erbe – zu benennen.
Bräker ruft dazu auf, zivilen Widerstand und internationale Konfliktforschung zu stärken sowie Menschlichkeit auch im Ernstfall zu bewahren.
Jürg Bräker ist Europavertreter der Mennonitischen Weltkonferenz und theologischer Mitarbeiter bei der Evangelischen Mennoniten-Gemeinde Bern. Die Mennoniten, hervorgegangen aus der vor genau 500 Jahren in Zürich entstandenen Täuferbewegung, bekennen sich weiterhin zu gewaltfreiem Widerstand. Auch angesichts neuer Kriege wie in der Ukraine oder in anderen Weltregionen. Die Bewegung ringt weltweit mit der Frage, wie Frieden inmitten von Gewalt und Polarisierung praktisch gelebt werden kann. Ihr christliches Friedensengagement ist vorbildlich.
Jürg Bräker ist Europavertreter der Mennonitischen Weltkonferenz und theologischer Mitarbeiter bei der Evangelischen Mennoniten-Gemeinde Bern.
Jubiläum 500 Jahre Täufer
«Verfolgt, vertrieben, vergessen – 500 Jahre Täufertum im Kanton Zürich» – ist eine Ausstellung in der Zentralbibliothek Zürich, Predigerplatz 33 – noch bis Mitte Juni 2024!
Roman über Zürcher Täufer von P. Kamber
Der Zürcher Historiker Peter Kamber, bekannt geworden mit der Studie «Reformation als bäuerliche Reformation» hat einen Roman zu den Anfängen der Täufer in Zürich verfasst: «Die himmlischen Versuchungen des Conrad Grebel», Limmat Verlag, Mai 2025.
Mit Peter Kamber erschien im Vorjahr eine Episode der TheoLounge: Die Bauern und die Äbtissin. Was geschah vor 500 Jahren in Zürich? Welche Bedeutung kommt der letzten Äbtissin des Fraumünster zu, die 2024 gross gefeiert wird? Und wie war das mit der Täuferbewegung?
Music im Podcast: Bass Background Emotin Sounds, NCPrime, Pixabay; Werbeeinspieler: Sweep Sound Effect und Mystical Wind Chimes von Pixabay