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Trump, Johnny und der Friedenspreis – Satiriker können sich einen neuen Job suchen


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Ach, was waren sie schön; die Zeiten, in denen man mit spitzer Feder eine Glosse schreiben konnte, mit der man über den Umweg der Satire den Wahnsinn des Weltgeschehens aufspießen konnte. Diese Zeiten sind vorbei. Heute übertrifft die groteske Realität vielfach das, was Satire leisten kann. Oder hätten Sie sich vor wenigen Jahren vorstellen können, dass ein glatzköpfiger korrupter Gnom im Namen des Weltfußballs einem US-Präsidenten, der nur allzu gerne das Menschen- und Völkerrecht mit den Füßen tritt, einen „Friedenspreis“ verleiht? Willkommen in der Gegenwart! Eine Glosse, die eigentlich nicht geschrieben werden sollte, von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Als mir der liebe Kollege Frank Blenz letzte Woche im Rahmen unserer redaktionellen Artikelplanung eine Glosse über die anstehende Gruppenauslosung der kommenden Fußballweltmeisterschaft anbot, hätte ich ihm den Vortritt lassen sollen. Aber nein, der feine Herr Chefredakteur hatte ja mal vor einigen Jahren selbst ein – wenn auch gnadenlos erfolgloses – Buch über die Machenschaften der Fifa geschrieben und fühlte sich daher berufen, selbst was zu diesem „Großereignis“ zu schreiben. Fifa, USA, Trump, Infantino, großes Geld und leere Floskeln – daraus ließe sich doch bestimmt was Unterhaltsames mit kritischem Touch machen. Oh, wie konnte ich mich nur so täuschen.

Frohgemut schaute ich mir also die Auslosung im ZDF an und konnte kaum glauben, was ich da zu sehen bekam. Die Präsentatoren: Eine Schaufensterpuppe im güldenen Kleid und ein Komiker, der nicht komisch war. Die Hauptdarsteller: Ein glatzköpfiger korrupter Fifa-Gnom namens Gianni, den alle nur „Johnny“ nannten, und natürlich der großartigste Mensch seit Beginn der Menschwerdung, ihre Großartigkeit Donald Trump! Und als Staffage war da noch irgendwas mit Fußball, aber um den ging es bestenfalls am Rande.

Nun muss man wissen, dass das Verhältnis der Fifa zum Fußball kompliziert ist. Gianni Infantinos Vorgänger brachte es gar fertig, mit einer zweistelligen Millionensumme einen Spielfilm mit dem Titel „United Passions“ zu finanzieren, in dem es dann um die hochspannende Geschichte … nicht des Fußballs, wie man annehmen könnte, sondern der Fußballfunktionäre ging. Der Film gilt heute – vollkommen zu Recht – als einer der schlechtesten Filme, die je gedreht wurden. Gianni Infantino fand ihn sicher klasse, gehört die schamlose Selbstbeweihräucherung doch ebenso wie krumme Geldgeschäfte zur Kernkompetenz der Fifa.

Und so feierte Infantino auch bei der Gruppenauslosung vor allem sich selbst und die Fifa, die er in einem besonders skurrilen Anfall von Selbstüberhöhung gar als „offiziellen Glücksversorger der Welt“ bezeichnete. Und dass auch die dummen Amerikaner verstehen, was für ein hypergalaktisches Spektakel sie im nächsten Jahr erwartet, fand Gianni Infantino gleich die passende Gigantismus-Metapher, indem er die 104 Spiele der WM mit 104 kommenden Super Bowls verglich. Nun ja, ob so hochkarätige Partien wie „Kapverden gegen Saudi-Arabien“ oder gar „Deutschland gegen Curacao“ nun wirklich ein Super-Bowl-Format haben, lassen wir mal dahingestellt sein. Zum Glück versteht der Ami ja eh nichts vom Fußball.

Aber um Fußball ging es ja zum Glück auch nur am Rande bei Infantinos ellenlangem Monolog. Wobei man Gianni Infantino ja durchaus als Gesamtkunstwerk ansehen kann. Sollte es irgendwann mit dem äußerst lukrativen Umschleimen von Präsidenten und Ölscheichs zum Zwecke der eigenen Macht- und Geldvermehrung nicht mehr klappen, könnte der umtriebige Funktionär mühelos als Conférencier jede Betriebsfeier oder Heizdecken-Verkaufsveranstaltung schmeißen. Talent hat er. Und seine besondere Stärke ist das Schleimen. Gäbe es einen Superlativ von „schleimig“, könnte der im Lexikon mit dem Portrait Infantinos als Symbolbild illustriert werden.

Dass Infantino und Trump beste Buddies sind, ist bekannt. Böse Zungen behaupten, dass Trump während seiner ersten Amtszeit die WM ganz profan bei Infantino gekauft hätte. Man hätte also bereits mit dem Schlimmsten rechnen können, wenn Trump und Infantino bei der Gruppenauslosung auf offener Bühne zusammentreffen. Aber das Schlimmste ist noch lange nicht schlimm genug, wenn man beschreiben muss, was nun im Washingtoner John F. Kennedy Center geschah. Nach einer minutenlangen schleimtriefenden Eloge auf den größten Präsidenten aller Zeiten setzte dramatische Musik ein und vor gülden glänzendem Hintergrund verlieh Infantino Trump den Fifa-Friedenspreis – eine Erfindung extra für Donald Trump. Je nach Quelle mussten nun „eine Milliarde“ (O-Ton: Schaufensterpuppe Klum) bis „sechs Milliarden“ (O-Ton: Gianni Infantino) Menschen zu bester Sendezeit die völlig kritik- und ironiefreie Huldigung der US-Präsidenten an ihren Bildschirmen verfolgen.

Was soll man dazu eigentlich noch schreiben? Dass man nur hoffen kann, dass US-kritische Fans überhaupt eine Einreisegenehmigung bekommen? Dass man befürchten muss, dass vor allem afrikanische und südamerikanische Fans von Trumps ICE-Schergen interniert und in ein KZ in El Salvador abgeschoben werden? Dass es auch sein kann, dass der Fifa-Friedenspreisträger Fans, die mit einem Motorboot über den von ihm so getauften Golf von Amerika anreisen wollen, von seiner Armee in die Luft sprengen lässt? Zum Glück hat sich wenigstens Venezuela nicht für die Endrunde qualifiziert.


Quelle: Screenshot Magenta Sport via YouTube

Ja, das ist alles nur noch grotesk. Ähnlich grotesk mutet der „Fifa Friedenspreis“ übrigens selbst an, sieht er doch irgendwie so aus, als greife eine Horde Zombies nach der Weltkugel – anscheinend hatte wenigstens der Designer des Pokals einen feinen Sinn für Humor. Das ist gut. Als Satiriker fehlen einem da nämlich die Worte. Was soll man satirisch über eine Veranstaltung schreiben, die eigentlich selbst nur Satire sein kann, es aber leider nicht ist?

Nun könnte man sagen: Wen interessiert dieser Unsinn schon, man kann ja abschalten. Sollen Infantino und Trump sich doch gegenseitig heiligsprechen oder sich am besten gleich ein Hotelzimmer mieten und es krachen lassen. Dummerweise sind wir als Gebührenzahler wieder einmal diejenigen, die dieses unwürdige Spektakel mitbezahlen. Wie viel ARD und ZDF für die Sublizenzen an die Telekom bezahlten, die diesmal den Zuschlag bekam, ist unbekannt – der Betrag dürfte sich aber im dreistelligen Millionenbereich bewegen. Ist das nicht schön? So bezahlt auch der deutsche Minirentner seinen kleinen Teil von Infantinos Größenwahn und Trumps albernen Friedenspreis.

Die Realität ist eine Groteske und Satiriker sind heute überflüssig, hat die Wirklichkeit doch jede noch so schrille Satire bereits überholt. Ich wünschte, ich hätte dem Kollegen Blenz die Story nicht weggenommen. Dann hätte er sich was Geistreiches dazu aus den Fingern saugen müssen.

P.S. Ein würdiger Kandidat für den Fifa-Friedenspreis wäre übrigens der zuständige ZDF-Programmplaner, der mitten während Infantinos Schleimereien erst mal kurzerhand den Werbeblock und die heute-Nachrichten einspielte.

P.P.S. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass neben den USA auch noch Kanada und Mexiko die WM austragen … wenn sie bis dahin noch nicht der 51. und 52. Bundesstaat der USA sind.

Titelbild: Screenshot Magenta Sport via YouTube

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