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Landsknechte - Die Söldner der frühen Neuzeit


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Sie waren gefürchtet und bewundert zugleich: die Landsknechte. Ursprünglich als Fußsoldaten nach dem Vorbild der Schweizer Söldner geschaffen, verdrängten sie am Ende des Mittelalters die Ritterheere und revolutionierten mit ihren langen Spießen, bunten Gewändern und ihrem ganz eigenen Ehrenkodex die Kriegsführung in Mitteleuropa. (BR 2025)

Credits

Autor: Michael Zametzer

Es sprachen: Irina Wanka

Technik: Viktor Fölsner-Veress

Regie: Christiane Klenz

Redaktion: Nicole Ruchlak


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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:


ERZÄHLERIN:

Vom Bodensee bis Kempten, von Heilbronn bis Würzburg, von Schwaben bis Thüringen: Im Jahr 1525 greifen einfache Männer zu den Waffen.


MUSIK weiter

 

ERZÄHLERIN:

Leibeigene Bauern, Knechte, Handwerker ziehen zu Tausenden in einen ungleichen Krieg gegen ihre adeligen Grundherren. Gegen erdrückende Abgaben, gegen Unrecht, für Freiheit und Selbstbestimmung.

 

MUSIK dramatischer Höhepunkt – plötzlicher Abbruch

 

ERZÄHLERIN:

Sie scheitern. Eine Schlacht nach der anderen geht verloren. Die Bauern werden erbarmungslos bekämpft, verfolgt und niedergemetzelt. Etwa 75.000 Tote, schätzt man heute. Als meist ungeübte Kämpfer haben sie gegen die bestens ausgerüsteten, kriegserprobten Heere der Fürsten keine echte Chance...

 

MUSIK – Akzent Schwerthieb, Klinge, Schneidend

 

ERZÄHLERIN:

Diese erbarmungslosen und schlagkräftigen Krieger sind: Landsknechte. Eine einzigartige Infanterieeinheit der frühen Neuzeit. Ihre Waffe, der lange Spieß, lässt sie selbst für berittene Gegner gefährlich werden. Ihre Kleidung ist für die Zeit extravagant und auffallend. Landsknechte verstehen sich als eingeschworene Gemeinschaft, als Söldner, die sogar eine Art frühdemokratischer Selbstverwaltung pflegen.

 

MUSIK  Akzent

 

ERZÄHLERIN:

Und – sie sind so bewundert wie gefürchtet. Denn bei der Bevölkerung haben die Landsknechte einen Ruf wie Donnerhall, seit sie in der Zeit des Habsburger Kaisers Maximilians I. Ende des 15. Jahrhunderts auf den Schlachtfeldern erschienen sind... Es ist ein Volk,

 

ZITATOR:

„....das ungefordert, ungesucht, umläuft, Krieg und Unglück sucht und nachläuft..“

 

ERZÄHLERIN:
...schreibt der Dichter Sebastian Franck 1531 wenig positiv über das neue Phänomen auf dem Schlachtfeld...

((ZITATOR:

„.das unchristlich verloren Volk, deren Handwerk ist Hauen, Stechen, rauben, brennen, morden, spielen saufen huren Gott lästern, freiwillig Witwen und Waisen machen, ja das sich nicht dann anderer Leute Unglück freut...und außerhalb und innerhalb des Kriegs auf dem Bauern liegt, garten, schinden und brandschatzen und nicht allein jedermann sondern auch ihnen selbst nicht Nutz ist, kann ich mit keinem Schein entschuldigen, dass sie nicht aller Welt Plage und Pestilenz seien.“))

 

MUSIK - Akzent

 

ERZÄHLERIN:
Wer sind diese schillernden Fußkrieger, begehrten Kämpfer und gefürchteten Marodeure, die ab dem späten 15. Jahrhundert das Militärwesen in Mitteleuropa für etwa 100 Jahre bestimmen sollen? Was verbinden wir heute noch mit dem Wort „Landsknecht“?

 

1 ZSP Christopher Retsch:

Wir verbinden, wenn man uns jetzt einfach optisch vorstellen, den meist bunt angezogenen, der mit einer langen Waffe einem langen Spieß, später auch Pike genannt, seinen Kriegsdienst ausführt.

 

ERZÄHLERIN:
Der Historiker Christopher Retsch [sprich: Reetsch] ist Kenner der Landknechtsphänomens und ihrer Ausrüstung, wie den charakteristischen Spieß.

 

 

2 ZSP Christopher Retsch:

Diese langen Spieße kennen wir schon seit dem ausgehenden Hochmittelalter, das ganze Spätmittelalter hindurch gibt es erste Erwähnungen schon im dreizehnten Jahrhundert.

 

ERZÄHLERIN:

 Im 14. Jahrhundert mussten sich die Schweizer Eidgenossen gegen Burgundische und Habsburgische Ritterheere verteidigen. Sie traten den gepanzerten Reitern mit Fußsoldaten entgegen...

 

3 ZSP Christopher Retsch

Die waren so ein bisschen das Vorbild, weil die Schweizer diesen Kampf mit dem langen Spieß im Geviert, also in so einem Pikenhaufen, perfektioniert haben

 

ERZÄHLERIN:

In enger rechteckiger Formation als „Gevierte“ und mit langen Spießen ausgerüstet erzielten diese sogenannten „Reisläufer“ überraschende Erfolge gegen die Reiterei. So wurden sie zu einer Art Prototyp für den zukünftigen Typus des Landsknechts. Und da war auch ein weiteres Merkmal entscheidend:  Die Kämpfenden waren Söldner.

 

4 ZSP Christopher Retsch:

Wenn Sie Wehrpflichtige haben, war es oft so, dass eben festgeschrieben war wie lang muss ich überhaupt in den Krieg ziehen? Irgendwann war die Zeit aufgebraucht, und dann wollten die auch wieder nach Hause. Wenn sie Söldner haben - die konnten sie so lange in im Krieg haben, wie sie eben bezahlen können. Und die haben dafür so lange gekämpft, wie sie Geld bekommen haben.

 

ERZÄHLERIN:

Die Landsknechte erscheinen in einer Zeit, in der das Feudalsystem mit seinen festgefügten Abhängigkeiten aus Lehnsherren und Leibeigenen, aus Grundherren und Bauern zu bröckeln beginnt. Frühkapitalismus, Handelswege und ausgefeilte Handwerkstechniken verlagern die Macht von den Herrschaftssitzen der Grundherren in die Städte der freien Bürger, Patrizier und wohlhabenden Handelsfamilien. Das verschärft die soziale Kluft zwischen Stadt und Land. Auf den Dörfern finden junge Männer immer schwerer ein gesichertes Einkommen. Sich für einen begrenzten Zeitraum als Söldner zu verkaufen, wird so immer attraktiver.

 

ZITATOR:

„Wenn der Teufel Sold ausschrieb, so fleugt und schneit es zu, wie die Fliegen in dem Sommer. Daß sich doch jemand zu Tod verwundern möchte, wo dieser Schwarm nur aller herkam und sich den Winter erhalten hat.“

 

ERZÄHLERIN:

Schreibt der Chronist Sebastian Franck 1531.

ERZÄHLERIN:

Die Kriegsherren haben auch steigenden Bedarf an Kämpfern. Denn: die Entwicklung von Schusswaffen und Artillerie verändert auch militärische Taktik und die Anforderungen an die Truppen. Die Zeit der Ritter, die, hoch zu Ross und schwer gepanzert, mit Lanzen gegeneinander antraten, sie geht zu Ende. Christopher Retsch:

 

5 ZSP Christopher Retsch:

Da sind wir im späten fünfzehnten Jahrhundert, also in der Zeit vor allem des burgundischen Erbfolgekrieges, der ist 1477 bis 1493 gewesen. Da hat Maximilian, der spätere König und Kaiser, um sein Erbe gekämpft. Und in diesem Krieg kann man eigentlich verorten, dass die Landsknechte als das, was wir dann für ungefähr hundert Jahre kennen, entstanden sind.

 

MUSIK - Rekrutierung

 

ERZÄHLERIN:

Hat ein Fürst, Kaiser oder Grundherr sich zu einem Kriegszug entschieden, beauftragt er einen Söldnerunternehmer mit der Aufstellung eines Heeres. Der bekommt einen Bestellbrief ausgestellt, also den offiziellen Auftrag. Darin steht auch, wie viele Söldner angeworben werden sollen. Dafür greift der Söldnerunternehmer üblicherweise auf seinen eigenen Kader von Werbeoffizieren zurück.

 

MUSIK – Rekrutierung

ERZÄHLERIN:

Die ziehen dann, oft von Trommel- und Pfeifenspiel begleitet, in die Dörfer und Städte und locken Bewerber mit der Aussicht auf reiche Beute und festen Sold – und eventuell schon mit einem „Laufgeld“ im Voraus. Die Zielgruppe der Werber: eigentlich jeder, der gesund schien und nicht...

 

ZITATOR:

...krum, lamb oder tathelhapftig sey.

 

6 ZSP Christopher Retsch:

Im Prinzip ist das Landsknechtswesen nicht an einer Schicht festgebunden, sondern das war eine sozial recht gemischte Bevölkerungsgruppe. Natürlich überwiegt die Unterschicht, einfachere Handwerker, Gesellen, Zweit- und Nachgeborene und so weiter. Aber jeder konnte im Prinzip Landsknecht werden. Und es gibt durchaus auch einige Adlige, die man eben unter den Landsknechten findet, die dann natürlich auch die, die die höheren Ämter dann im Heer bekleidet haben.

 

ERZÄHLERIN:

So ein Landsknechtsheer mit vielen tausend Kämpfern ist ein komplexes Gebilde, unterteilt in Haufen, Regimenter, Fähnlein und Rotten. An der Spitze des Haufens steht der Hauptmann, darunter die Obristen der Regimenter. Es gibt Feldwebel, Schultheißen, die Recht sprechen, Scharfrichter, Wachtmeister, Quartiermeister. Die Besetzung der Ämter ist entscheidend für die Ordnung des Heeres.

 

MUSIK  Akzent

 

ERZÄHLERIN:

Am Anfang jedes Landsknechtsaufgebots steht die Musterung. Auf dem Musterungsplatz, meist eine große Wiese außerhalb der Stadt, kommen die angeworbenen Anwärter zusammen und werden in Augenschein genommen - gemustert.

 

7 ZSP Christopher Retsch:

Die mussten schon etwas mitbringen. Einerseits war es natürlich von Vorteil, Erfahrungen mitzubringen aus vorherigen Kriegen, die man nicht unbedingt als Söldner gemacht haben musste. Man konnte ja auch im Sinne seiner Wehrpflicht, den man zu leisten hatte in einem Aufgebot für seinen Landesherrn schon Kriegserfahrungen gesammelt haben.

 

MUSIK/ATMO - Hektisches Treiben

ERZÄHLERIN:

Am Werbetisch sitzt der Musterschreiber, umringt und bedrängt von den Bewerbern, und notiert: Name? Herkunft? Ausrüstung, Kleidung, Bewaffnung? Denn für eigene Ausrüstungsgegenstände gibt es oft ein Rüstgeld:

 

ZITATOR:

„Oswalt Häl von Kempten 1 Gulden für den Kreps...“

 

ERZÄHLERIN:

...also den Krebs, eine eiserne Harnischbrust. Wichtigster Ausrüstungsgegenstand aber ist die „kurze Wehr“ – der Spieß, eine Hellebarde oder auch der Katzbalger, ein einhändiges Kurzschwert. 

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