Prof. Sönke Neitzel, Militärhistoriker, im Gastgespräch mit Holger Schmieding über die aktuelle Lage im russischen Krieg gegen die Ukraine und die Rolle Europas.
Seit mehr als drei Jahren wehrt sich die Ukraine gegen die russische Großinvasion. Wie ist die militärische Lage derzeit? – Immer häufiger greift die Ukraine auch Ziele tief im russischen Hinterland an. Sind das nur symbolische Nadelstiche, oder mehr? – Historisch gesehen entscheiden in Abnutzungskriegen meist industrielle Kapazitäten und gesellschaftliche Resilienz. Wer hat hier die besseren Karten – Russland oder die Ukraine mit westlicher Unterstützung? – Wie könnte der Westen die Ukraine dauerhaft absichern? Und ist er überhaupt in der Lage, die ukrainische Luftabwehr so zu stärken, dass sie mit der wachsenden russischen Drohnen- und Raketenproduktion Schritt halten kann? – Zugleich stellt sich die Frage nach der Rolle der USA: Welche amerikanischen Hilfen könnte Europa notfalls auffangen? Und wo bleibt Washington unersetzlich, etwa bei Geheimdienstinformationen, Starlink oder Luftabwehr? – Inzwischen warnen einige westliche Beobachter, Russland könnte bald in der Lage sein, ein NATO-Land anzugreifen. Wie ernst ist das zu nehmen? Und wie ist die Frage: „Vielleicht der letzte Sommer in Frieden?“ einzuschätzen? – Schließlich: die NATO will auf ihrem Gipfeltreffen nächste Woche neue Zielmarken festlegen von 3,5 Prozent des BIP für Verteidigung, plus 1,5 Prozent für die verteidigungsrelevante Infrastruktur. Kommt es dabei mehr auf die Summe an, oder darauf, wie das Geld investiert wird?