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Enkelkinder können eine Freude sein! Doch wenn sich Oma und Opa in die Erziehung einmischen oder Absprachen ignorieren, drohen Konflikte in der Familie. Großeltern zu werden, bedeutet nämlich auch, die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen - ohne sich um des Friedens willen total anzupassen. Ein Balanceakt!
Shownotes
Autorin: Justina Schreiber
Regie: Irene Schuck
Technik: Stefan Oberle
Sprecher:innen: Berenike Beschle
Redaktion: Susanne Poelchau
Im Interview:
Podcast-Tipp:
CheckPod - Der Podcast mit Checker Tobi
Der Checker zum Hören! Tobi checkt zusammen mit einem Kind drei Fragen zu einem Wissensthema. Lustige Experimente, kluge Expertinnen und Experten sowie die schlaue Datenbank helfen ihnen dabei. Und am Schluss jeder Folge verrät Checker Tobi ein persönliches Geheimnis. Ob es um Bäume, Märchen oder Schleim geht, im Checkpod macht Wissen Spaß und gute Laune. [HIER]
Weiterführende Links:
Home - Lives of the Unconscious
Podcast zur Psychoanalyse und Psychotherapie: „Rätsel des Unbewussten“ Home - Lives of the Unconscious
Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Radiowissen
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHERIN:
Plötzlich geht es los. Freundinnen und Kolleginnen zücken ihre Handys, um dir Fotos oder Videos von ihren Enkelkindern zu zeigen. Guck mal, wie es lacht! Und dir wird klar: aha, du hast offenbar eine neue Lebensphase erreicht. Neben Gesundheitsthemen dominieren jetzt Sorgen und Freuden von Großeltern die Gespräche, wenn man nicht bewusst gegensteuert. Aber sie sind ja auch wirklich niedlich, all die kleinen Leons, Gretas, Emmas und Noahs. Besonders goldig ist dann allerdings der Nachwuchs der eigenen Kinder.
O-TON 01: (Kind)
„Omi, erzählst du mir eine Geschichte?
MUSIK 2
"Michel Momento" - Komponisten: Jim Black, Nels Cline & Tim Berne - Album: The Veil - Länge: 0'37
SPRECHERIN:
Am Anfang ist die Aufregung groß. Nicht nur bei den frischgebackenen Eltern, auch bei Omi und Opa oder Großvater und Nonna oder wie auch immer sie jetzt genannt werden… wollen. Wobei die Frage nach der gewünschten Bezeichnung schon eine gewisse Irritation oder sogar Beklemmung auslösen kann: Ich bin doch eigentlich noch kein gar Opa. Bei aller Freude über den Nachwuchs: kleine bis mittlere Identitätskrisen gehören zu der neuen Situation durchaus dazu, sagt die Psychoanalytikerin Cécile Loetz.
O-TON 02: (Cécile Loetz)
„Die Geburt von einem Kind ist ja eine Lebensschwelle für alle Beteiligten in der Familie, also nicht nur für die Eltern und das Kind. Das heißt auch, es gibt für alle Beteiligten eine Entwicklungsaufgabe. Und wie bei jeder Entwicklungsaufgabe gibt es etwas Neues, das man gewinnen kann. Es gibt aber auch was Altes, das man loslassen muss.“
SPRECHERIN:
Und das ist im Fall der neuen Omis und Opas nichts weniger als die bisherige Eltern-Rolle, die sie ja wie eine zweite Haut in den vergangenen Jahrzehnten durch dick und dünn begleitet hat. In der Psychologie spricht man von Generativität, wenn die ältere Generation zu Gunsten der nachfolgenden ab- oder zurücktritt. Und dieser Schritt hat es in sich, meint auch der Psychologe Franz Dumbs.
O-TON 03: (Franz Dumbs)
„Das wirklich zu verinnerlichen, dass nicht mehr meine Elternrolle die vorherrschende, dominante ist. Natürlich meine Kinder bleiben die Kinder, aber die neue Rolle ist: ich muss mich einfügen in ein System, wo die Eltern die Deutungshoheit haben und nimmer ich derjenige bin, der sie hat.“
SPRECHERIN:
In Gesellschaften, die nicht auf dem Modell der Kleinfamilie basieren, läuft der generative Prozess etwas anders ab. Vielleicht auch bei alleinerziehenden Eltern, die froh sind, wenn Oma und Opa wesentliche Aufgaben übernehmen. Ziel ist aber immer:
O-TON 04: (Cécile Loetz)
„Dass die jeweils ältere Generation etwas Gutes an die nächste jüngere Generation weitergeben kann. Und das heißt für die Eltern, dass sie dem Kind die Kinderrolle weitergeben können, also alles geben, was man als Kind so braucht. Und dazu müssen die Eltern wiederum ihre eigene Kinderrolle ein Stück weit auch loslassen.“
SPRECHERIN:
Sie müssen also spätestens jetzt erwachsen werden.
O-TON 05: (Cécile Loetz)
„Und für die Großeltern heißt es, die jungen Eltern dann in ihrem Elternsein auch zu unterstützen. Und das bedeutet eben auch, und das ist dann vielleicht manchmal auch schwierig zu akzeptieren, dass man selber nicht mehr im Zentrum der Generativität steht.“
MUSIK 3
"Michel Momento" - Komponisten: Jim Black, Nels Cline & Tim Berne - Album: The Veil - Länge: 0'39
SPRECHERIN:
Auch wenn sie noch nicht auf den Rollator angewiesen sind: Mit der Geburt eines Enkelkindes werden die Eltern der neuen Eltern also etwas unsanft aufs Altenteil geschoben, sofern sie nicht freiwillig gehen. Plötzlich wird real, was man ja schon ahnte: dass das Leben endlich ist. Die letzte oder vorletzte Phase der eigenen Biografie hat begonnen. In das Entzücken über den süßen Familienzuwachs mischt sich Trauer oder manchmal auch Verbitterung, weil es jetzt gewissermaßen amtlich ist: Vieles liegt unwiederbringlich hinter dir.
O-TON 06: (Cécile Loetz)
„Ich kann mir vorstellen, dass es vielleicht das besonders schwer macht in die Großelternrolle zu kommen, weil man mit 70 heutzutage ja vielleicht schon noch sehr fit ist körperlich, und psychisch aber eben schon in diese ältere Generation gesteckt zu werden, also die Großelterngeneration. Und auch in der Gesellschaft, wo das Jungsein so einen hohen Stellenwert hat, es vielleicht besonders schwierig ist, dann diese Rolle auch einzunehmen.“
MUSIK 4
"Ein Tag in Amiens II" - Komponistin: Ulrike Haage - Album: Das verschwundene M (Original Score) - Länge: 0' 11
O-TON 07: (Kind)
„Omi, du sollst eine Geschichte erzählen, als du ein Kind warst.“
Musik 5
"Berlin 1945 (12) - Komponistin: Ulrike Haage - Album: Berlin 1945 - Tagebuch einer Großstadt (Die Original Filmmusik) - Länge: 0'43
SPRECHERIN:
Das Klischeebild einer weißhaarigen Omi, die Geschichten erzählend am Kamin sitzt, hat heute fast schon nostalgischen Reiz. Die Realität sieht oft anders aus. Moderne Omis reisen allein oder zusammen mit anderen Opas und Omas um die Welt, sie engagieren sich ehrenamtlich oder arbeiten über das Renteneintrittsalter hinaus. Die Altersgrenzen haben sich verschoben. Schönheits-Operationen, Sport und überhaupt der medizinische Fortschritt machen es möglich, dass die Oma von gestern der heutigen Uroma entspricht. Die Geburt von Enkelkindern bedeutet trotzdem eine Zäsur. Es gilt jetzt, neben Yoga oder Chigong auch etwas Selbstreflexion zu betreiben, sagt der Psychotherapeut Franz Dumbs.
O-TON 08: (Franz Dumbs)
„Das ist ja das Entscheidende, was uns durchs Leben überhaupt bei all diesen Umbruchsituationen immer wieder begleitet: sind wir in der Lage und bereit, die neue Situation mit der neuen Rolle anzunehmen, auch anzunehmen mit den damit möglicherweise verbundenen Schwierigkeiten, auch anzuerkennen, das läuft nicht einfach glatt, weil mit der neuen Rolle, der neuen Chance habe ich ja noch keine Erfahrung.“
MUSIK 6
"Ein Tag in Amiens II" - Komponistin: Ulrike Haage - Album: Das verschwundene M (Original Score) - Länge: 0'50
SPRECHERIN:
Und wo geht es bitte konkret lang? Für die munteren neuen Großeltern gibt es kaum Vorbilder. Weder in den Medien noch in den eigenen Köpfen. Ihre Eltern gehörten noch der strapazierten Kriegs- und Nachkriegsgeneration an, die um materiellen Wohlstand kämpfte und meist ein traditionelles Familienmodell pflegte. Heute sind Trennungen, Scheidungen und Patchwork-Situationen fast alltäglich. Beziehungen sind komplizierter geworden. Was bedeutet: das junge Paar muss sich nach der Geburt eines Kindes oft erstmal sortieren und wieder zusammenraufen: Wer übernimmt wieviel vom Haushalt? Wer kümmert sich nachts um das schreiende Baby? Die Rollen sind nicht mehr von Haus aus klar definiert. Auch die der Großeltern nicht.
O-TON 09: (Franz Dumbs)
„Und vielleicht ist es hier genauso notwendig wie in der Pubertät, dass sich Ihr Kind abgrenzt: Wir müssen jetzt erst einmal so unser eigenes Standing als Kleinfamilie finden. Wenn wir uns sicher fühlen, dann können wir euch gut mit dazunehmen. Weil dann brauchen wir nicht Angst haben, dass ihr jetzt irgendwie eingreift und das passt nicht für uns.“
SPRECHERIN:
Selbst sehr anpassungsfähige Großeltern können also vorübergehend stören. Dass Opas und Omas reichlich Erfahrung auf dem Gebiet der Kinderaufzucht gesammelt haben, zählt nicht unbedingt. Es gibt ja auch noch Hebammen, Kinderärztinnen, Freunde, Krabbel-Gruppen und nicht zu vergessen: das Internet. Das Wissen der Großeltern, insbesondere der Großmütter, ist nicht mehr so gefragt wie früher. Die Psychoanalytikerin Cécile Loetz hat selbst eine kleine Tochter.
O-TON 10: (Cécile Loetz)
„Die Eltern ergoogeln sich eben dann, dass Stoffwindeln von mir aus jetzt besser sind oder schlechter sind als Plastikwindeln. Oder wie man ein Kind wickelt, können sie sich auf einem YouTube-Video auch anschauen und müssen das nicht mehr gezeigt bekommen von den Großeltern. Und trotzdem, glaube ich, eine Beziehung, die ist nicht ersetzbar, also die Großeltern-Enkel-Beziehung, die kann ja kein Google ersetzen. Oder auch kein Kindergärtner.“
SPRECHERIN:
Genau. So sehen das viele Großeltern auch. Zumal sie die Beschäftigung mit den Enkeln deutlich anders belebt als der xste Spieleabend mit Freunden oder das Konzert-Abonnement.
O-TON 11: (Franz Dumbs)
„Das ist wieder etwas Sinnstiftendes, ich bleib geistig beweglich. Ich muss mich auch wieder mehr bewegen, weil das Kind will wieder Fußball spielen. Da bin ich nicht so sehr mit meinen Rücken- und Knieschmerzen beschäftigt, sondern ich will halt a den Ball wieder ins Tor bringen.“
SPRECHERIN:
Schön und gut. Aber wie baut man eine eigene, eigenständige Beziehung zu der übernächsten Generation auf? Wieviel Freiraum, wieviel Zeit gibt beziehungsweise braucht es dafür? Das sind Fragen, die Großeltern umtreiben, besonders wenn sie weit entfernt von der jungen Familie leben. Manche bedrückt auch das Gefühl, in Konkurrenz zu anderen Omas und Opis treten zu müssen, die näher, öfter oder noch munterer um die Enkel herumturnen. Der Psychologe Franz Dumbs hat vier Kinder und ist bislang dreifacher Großvater. Er empfiehlt, jetzt bloß nicht alle anderen Aktivitäten einzustellen:
O-TON 12: (Franz Dumbs)
„Wenn man sich nur auf die Kinder, auf die Enkelkinder konzentriert und kriegt dann nicht die entsprechende Anerkennung, dann kommt es leicht zu einer Frustration.“
MUSIK 7
"Ein Tag in Amiens II" - Komponistin: Ulrike Haage - Album: Das verschwundene M (Original Score) - Länge: 0'12
O-TON 13: (Kind)
„Omi, du sollst Plastikkrokodile, Märchenwolle und Badeanzug mitbringen und Jacke!“
SPRECHERIN:
Es sind bewegte und bewegende Zeiten, in denen Emotionen eine große Rolle spielen, Liebe, Zärtlichkeit und vielleicht auch Eifersucht. Erinnerungen werden wach, alte Geschichten kommen hoch: wie es war, als die Kinder noch klein waren. Ach ja. Manchmal lassen sich die überschießenden Gefühle kaum bändigen. Die Gefahr ist tatsächlich groß, dass Großeltern ihr Engagement übertreiben, sagt die Psychoanalytikerin Cécile Loetz.
O-TON 14: (Cécile Loetz)
„Dann kann das zum Beispiel sein, dass die Großeltern den Anspruch erheben: ich möchte jetzt jeden Tag mein Enkelkind sehen oder immer wenn sie zu Besuch sind, gibt es immer Geschenke und sich darüber versuchen, die Liebe des Enkelkindes zu sichern. Und das bringt aber dann wiederum die Eltern in die Situation: statt, dass sie unterstützt werden von den Großeltern, müssen sie jetzt ihr eigenes Kind regulieren.“
Musik 8
"Michel Momento" - Komponisten: Jim Black, Nels Cline & Tim Berne - Album: The Veil - Länge: 0'
SPRECHERIN:
Der Alltag ist eh schon anstrengend genug. Das seelische Wohlbefinden der eigenen oder Schwieger-Eltern steht vermutlich nicht ganz oben auf der To-Do-Liste gestresster Mamas und Papas. Junge Eltern agieren im Zentrum einer fragilen Konstruktion. Wenn dann auch noch das Kind schreit, weil ihm Omis Süßigkeiten weggenommen werden… Oder der Opi beleidigt ist, weil er und seine Lebensgefährtin weniger Beachtung beim Nachwuchs finden als seine Ex-Frau mit dem neuen Partner. Dann wird die ältere Generation nicht als hilfreich, sondern eher als nervig empfunden.
Musik 8
"Michel Momento" - Komponisten: Jim Black, Nels Cline & Tim Berne - Album: The Veil - Länge: 0'38
O-TON 15: (Cécile Loetz)
„Das bringt diesen Gedanken der Generativität zum Stocken, also indem dann die Eltern so reagieren, dass sie die Großeltern zum Beispiel aus dem Leben des Enkelkindes ausschließen oder zumindest sehr stark kontrollieren.“
Musik 9
"Michel Momento" - Komponisten: Jim Black, Nels Cline & Tim Berne - Album: The Veil - Länge: 0'30
SPRECHERIN:
So kann es übergriffig wirken, wenn Omi ungebeten die Wäsche der jungen Leute sortiert. Noch riskanter dürfte es sein, wenn sie vertraulich mit der Kindergärtnerin über vermeintliche oder reale Probleme des Enkels spricht. Es ist toll, dass sie den kleinen Joshua einmal in der Woche betreuen - aber wie gesagt: Großeltern sollten ihre Bedeutung und Befugnisse nicht überschätzen. Auch wenn sie vor lauter Sorgen nachts nicht schlafen können:
O-TON 16: (Cécile Loetz)
„Vielleicht könnte ein Gradmesser sein für die Großeltern, letztlich für die Eltern auch: Inwieweit sehe ich ein Kind wirklich in Gefahr? Und das ist natürlich immer eine Abwägungssache. Ich glaube, dafür kann man keine Regel aufstellen, die dann immer gilt.“
SPRECHERIN:
Logisch, bei Gewalt und Missbrauch muss man handeln. Aber grundsätzlich lautet für Großeltern die Maxime: sich illoyal gegenüber den aktuellen Erziehungsberechtigten zu verhalten, geht gar nicht. Überhaupt: zu viel Stirnrunzeln und Kopfschütteln von Seiten der Senioren macht die Aufzucht von Kleinkindern im 21. Jahrhundert nicht leichter. Eine Bettgehzeremonie kann eben auch mal länger als eine Stunde dauern und statt, dass es drei feste Mahlzeiten gibt, wird heute viel gesnackt. So what!
O-TON 17: (Cécile Loetz)
„Dann müssen die Großeltern wahrscheinlich auch ein Stück weit Hilflosigkeit ertragen, dass sie eben nicht die direkt in die Erziehung dieser Kinder eingreifen können.“
SPRECHERIN:
Es ist letztlich eine Sache des Vertrauens. Die Jungen schaffen das schon, selbst wenn es chaotisch und mühsam aussieht. Wie gern möchte man ihnen pädagogisch auf die Sprünge helfen! Aber ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung steht der ehemaligen Leiterin des kleinen Familienunternehmens wohl besser zu Gesicht. Der Austausch mit ähnlich betroffenen Altersgenossinnen kann hier für Entlastung sorgen:
O-TON 18: (Franz Dumbs)
„Ich finde das dann halt gut, wenn ich mit anderen Großvätern rede: ist es gut, ein dreijähriges Kind in alle Entscheidungen einzubeziehen, dass ich das Kind den Tagesablauf praktisch bestimmen lass oder dürfen Eltern da mehr die Leitlinie vorgeben: Mensch, heit is Wetter schön, da mecht i, dass ma fortgehen. Muss ich dann jetzt wirklich das Kind fragen: Du, möchtest du heute lieber Lego-Haus bauen? Oder möchtest du mit uns eine Wanderung machen? Ich weiß nicht, ob ein Kind damit nicht überfordert ist. Aber Eltern machen es halt oft so und des zu verstehen: aha, das ist auch ein Weg, ist zum Beispiel für mich ein Punkt, der ein bisschen schwer ist, zu kapieren.“
SPRECHERIN:
Oma und Opa zu werden und zu sein, ist manchmal weniger spaßig als es für Außenstehende aussieht. Denn die Ansprüche und Erwartungen an moderne Großeltern sind ziemlich komplex, um nicht zu sagen: widersprüchlich. Oma und Opa sollen sich zurückhalten und trotzdem, wenn gewünscht, präsent sein, um dann, wenn möglich, tatkräftig zu helfen. Sie sollen Anteil nehmen, ohne dominant zu wirken. Die Enkel lieben, aber sie nicht auffressen wollen. Mal ehrlich und nur unter uns Ü-60-Jährigen: Das hört sich schon ein bisschen nach der Quadratur des Kreises an.
O-TON 19: (Franz Dumbs)
„Da die richtige Balance zu finden, das ist wirklich sehr sehr schwierig. Wie kann man so die eigenen Interessen und die Interessen der Kinder und die Interessen, die man selber als Großmutter, Großvater hat, wie man die miteinander verbindet, wie man die miteinander versöhnt. Das gelingt also zumindest bei mir nicht immer richtig.“
Musik 10
"Ein Tag in Amiens II" - Komponistin: Ulrike Haage - Album: Das verschwundene M (Original Score) - Länge: 0'14
O-TON 20: (Kind)
„Omi, erzählst du mir noch eine Geschichte, als du ein Kind warst, Omi.“
SPRECHERIN:
Früher gab man verunsicherten Großeltern den Rat, sich an die drei großen „Sch“ zu halten: schweigen, schenken, schlucken. Überspitzt formuliert hieß das: es schadet nichts, wenn du der jungen Familie dein Haus überschreibst. Es wäre allerdings gut, wenn du dir ein dickes Fell zulegst! Heute weiß man: so sehr sich Omas und Opas auch bemühen: es lässt sich nicht vermeiden, dass sie ihre eigenen Probleme, ihre eigene Geschichte in die vielleicht eh schon angespannte kleine Familie hineintragen – ohne es zu merken vielleicht.
O-TON 21: (Franz Dumbs)
„Ich kenne viele Leute auch, die hatten nicht das Glück als Vater viel präsent bei den Kindern zu sein. Und die machen es jetzt als Großeltern so, dass sie sich viel Zeit nehmen und dass sie dann Löwe spielen und auf dem Boden rumrobben und all das, was sie als Vater, wenn sie die Chance gehabt hätten oder genutzt hätten, vielleicht auch hätten tun können. Dann ist es vielleicht für das Kind, das eigene Kind bisschen kränkend zu sehen: hey, mein Kind kriegt jetzt was, was ich nicht bekommen hab, aber dem Enkelkind schadet es in der Regel nicht.“
Musik 11
"Berlin 1945 (12) - Komponistin: Ulrike Haage - Album: Berlin 1945 - Tagebuch einer Großstadt (Die Original Filmmusik) - Länge: 0'44
SPRECHERIN:
Im Gegenteil: Omis und Opis sind bei den Enkeln meist willkommene Spielkameraden. Sie neigen nämlich nicht dazu, ihnen die Schaufel auf den Kopf zu hauen oder um den Lieblings-Bagger zu streiten. Trotzdem kann sich beim Sohn oder bei der Schwiegertochter Ärger aufstauen, weil der lustige Opapa die Kinder vor dem Bettgehen nochmal so richtig aufkratzt – und zwar anscheinend zum eigenen Vergnügen, ohne an die Konsequenzen zu denken. Dann sollte das besprochen werden. Wie andere Konfliktpunkte auch. Um eines guten Miteinanders willen. Die Psychoanalytikerin Cécile Loetz findet es absolut kontraproduktiv:
O-TON 22: (Cécile Loetz)
„Wenn die Konflikte unter den Teppich gekehrt werden und alle eigentlich so tun, als wäre alles in Ordnung. Also wenn jetzt ein Sohn zum Beispiel so tun würde: ach, irgendwie meine eigene Mutter, also die Großmutter, die kann sich ruhig in alles einmischen. Ich sage da nichts und gleichzeitig versuche ich, meiner Frau irgendwie alle Bedürfnisse zu erfüllen. Dann kann man sich ja schon ausmalen, dass der wahrscheinlich am Ende ziemlich erschöpft sein wird, weil er es versucht, allen recht zu machen und zwischen den Stühlen steht. Ich glaube, seine Aufgabe wäre es dann zu überlegen: welche Rolle gehört zu wem und da auch dann seine Bedürfnisse zu äußern, nämlich die Großmutter soll die Großmutter sein. Die Frau ist die Mutter meiner Kinder und die Frau an meiner Seite.“
O-TON 23: (Franz Dumbs)
„Das wird, je nach deiner Vorgeschichte, wie du mit dir selber umgehst, nach deiner Vorgeschichte, wie du mit dem betroffenen Kind umgehst, sicherlich sehr unterschiedlich ablaufen: habt ihr eine Kultur, wie ihr Konflikte miteinander besprechen könnt. Wenn man da einfach noch keine Erfahrungen hat, ist es halt wahnsinnig schwer, etwas Konflikthaftes dann, wenn es lichterloh brennt, zu besprechen. Wenn man da schon Erfahrungen hat, da kann man halt gut auf die Erfahrungen zurückgreifen.“
4.5
8080 ratings
Enkelkinder können eine Freude sein! Doch wenn sich Oma und Opa in die Erziehung einmischen oder Absprachen ignorieren, drohen Konflikte in der Familie. Großeltern zu werden, bedeutet nämlich auch, die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen - ohne sich um des Friedens willen total anzupassen. Ein Balanceakt!
Shownotes
Autorin: Justina Schreiber
Regie: Irene Schuck
Technik: Stefan Oberle
Sprecher:innen: Berenike Beschle
Redaktion: Susanne Poelchau
Im Interview:
Podcast-Tipp:
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Der Checker zum Hören! Tobi checkt zusammen mit einem Kind drei Fragen zu einem Wissensthema. Lustige Experimente, kluge Expertinnen und Experten sowie die schlaue Datenbank helfen ihnen dabei. Und am Schluss jeder Folge verrät Checker Tobi ein persönliches Geheimnis. Ob es um Bäume, Märchen oder Schleim geht, im Checkpod macht Wissen Spaß und gute Laune. [HIER]
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SPRECHERIN:
Plötzlich geht es los. Freundinnen und Kolleginnen zücken ihre Handys, um dir Fotos oder Videos von ihren Enkelkindern zu zeigen. Guck mal, wie es lacht! Und dir wird klar: aha, du hast offenbar eine neue Lebensphase erreicht. Neben Gesundheitsthemen dominieren jetzt Sorgen und Freuden von Großeltern die Gespräche, wenn man nicht bewusst gegensteuert. Aber sie sind ja auch wirklich niedlich, all die kleinen Leons, Gretas, Emmas und Noahs. Besonders goldig ist dann allerdings der Nachwuchs der eigenen Kinder.
O-TON 01: (Kind)
„Omi, erzählst du mir eine Geschichte?
MUSIK 2
"Michel Momento" - Komponisten: Jim Black, Nels Cline & Tim Berne - Album: The Veil - Länge: 0'37
SPRECHERIN:
Am Anfang ist die Aufregung groß. Nicht nur bei den frischgebackenen Eltern, auch bei Omi und Opa oder Großvater und Nonna oder wie auch immer sie jetzt genannt werden… wollen. Wobei die Frage nach der gewünschten Bezeichnung schon eine gewisse Irritation oder sogar Beklemmung auslösen kann: Ich bin doch eigentlich noch kein gar Opa. Bei aller Freude über den Nachwuchs: kleine bis mittlere Identitätskrisen gehören zu der neuen Situation durchaus dazu, sagt die Psychoanalytikerin Cécile Loetz.
O-TON 02: (Cécile Loetz)
„Die Geburt von einem Kind ist ja eine Lebensschwelle für alle Beteiligten in der Familie, also nicht nur für die Eltern und das Kind. Das heißt auch, es gibt für alle Beteiligten eine Entwicklungsaufgabe. Und wie bei jeder Entwicklungsaufgabe gibt es etwas Neues, das man gewinnen kann. Es gibt aber auch was Altes, das man loslassen muss.“
SPRECHERIN:
Und das ist im Fall der neuen Omis und Opas nichts weniger als die bisherige Eltern-Rolle, die sie ja wie eine zweite Haut in den vergangenen Jahrzehnten durch dick und dünn begleitet hat. In der Psychologie spricht man von Generativität, wenn die ältere Generation zu Gunsten der nachfolgenden ab- oder zurücktritt. Und dieser Schritt hat es in sich, meint auch der Psychologe Franz Dumbs.
O-TON 03: (Franz Dumbs)
„Das wirklich zu verinnerlichen, dass nicht mehr meine Elternrolle die vorherrschende, dominante ist. Natürlich meine Kinder bleiben die Kinder, aber die neue Rolle ist: ich muss mich einfügen in ein System, wo die Eltern die Deutungshoheit haben und nimmer ich derjenige bin, der sie hat.“
SPRECHERIN:
In Gesellschaften, die nicht auf dem Modell der Kleinfamilie basieren, läuft der generative Prozess etwas anders ab. Vielleicht auch bei alleinerziehenden Eltern, die froh sind, wenn Oma und Opa wesentliche Aufgaben übernehmen. Ziel ist aber immer:
O-TON 04: (Cécile Loetz)
„Dass die jeweils ältere Generation etwas Gutes an die nächste jüngere Generation weitergeben kann. Und das heißt für die Eltern, dass sie dem Kind die Kinderrolle weitergeben können, also alles geben, was man als Kind so braucht. Und dazu müssen die Eltern wiederum ihre eigene Kinderrolle ein Stück weit auch loslassen.“
SPRECHERIN:
Sie müssen also spätestens jetzt erwachsen werden.
O-TON 05: (Cécile Loetz)
„Und für die Großeltern heißt es, die jungen Eltern dann in ihrem Elternsein auch zu unterstützen. Und das bedeutet eben auch, und das ist dann vielleicht manchmal auch schwierig zu akzeptieren, dass man selber nicht mehr im Zentrum der Generativität steht.“
MUSIK 3
"Michel Momento" - Komponisten: Jim Black, Nels Cline & Tim Berne - Album: The Veil - Länge: 0'39
SPRECHERIN:
Auch wenn sie noch nicht auf den Rollator angewiesen sind: Mit der Geburt eines Enkelkindes werden die Eltern der neuen Eltern also etwas unsanft aufs Altenteil geschoben, sofern sie nicht freiwillig gehen. Plötzlich wird real, was man ja schon ahnte: dass das Leben endlich ist. Die letzte oder vorletzte Phase der eigenen Biografie hat begonnen. In das Entzücken über den süßen Familienzuwachs mischt sich Trauer oder manchmal auch Verbitterung, weil es jetzt gewissermaßen amtlich ist: Vieles liegt unwiederbringlich hinter dir.
O-TON 06: (Cécile Loetz)
„Ich kann mir vorstellen, dass es vielleicht das besonders schwer macht in die Großelternrolle zu kommen, weil man mit 70 heutzutage ja vielleicht schon noch sehr fit ist körperlich, und psychisch aber eben schon in diese ältere Generation gesteckt zu werden, also die Großelterngeneration. Und auch in der Gesellschaft, wo das Jungsein so einen hohen Stellenwert hat, es vielleicht besonders schwierig ist, dann diese Rolle auch einzunehmen.“
MUSIK 4
"Ein Tag in Amiens II" - Komponistin: Ulrike Haage - Album: Das verschwundene M (Original Score) - Länge: 0' 11
O-TON 07: (Kind)
„Omi, du sollst eine Geschichte erzählen, als du ein Kind warst.“
Musik 5
"Berlin 1945 (12) - Komponistin: Ulrike Haage - Album: Berlin 1945 - Tagebuch einer Großstadt (Die Original Filmmusik) - Länge: 0'43
SPRECHERIN:
Das Klischeebild einer weißhaarigen Omi, die Geschichten erzählend am Kamin sitzt, hat heute fast schon nostalgischen Reiz. Die Realität sieht oft anders aus. Moderne Omis reisen allein oder zusammen mit anderen Opas und Omas um die Welt, sie engagieren sich ehrenamtlich oder arbeiten über das Renteneintrittsalter hinaus. Die Altersgrenzen haben sich verschoben. Schönheits-Operationen, Sport und überhaupt der medizinische Fortschritt machen es möglich, dass die Oma von gestern der heutigen Uroma entspricht. Die Geburt von Enkelkindern bedeutet trotzdem eine Zäsur. Es gilt jetzt, neben Yoga oder Chigong auch etwas Selbstreflexion zu betreiben, sagt der Psychotherapeut Franz Dumbs.
O-TON 08: (Franz Dumbs)
„Das ist ja das Entscheidende, was uns durchs Leben überhaupt bei all diesen Umbruchsituationen immer wieder begleitet: sind wir in der Lage und bereit, die neue Situation mit der neuen Rolle anzunehmen, auch anzunehmen mit den damit möglicherweise verbundenen Schwierigkeiten, auch anzuerkennen, das läuft nicht einfach glatt, weil mit der neuen Rolle, der neuen Chance habe ich ja noch keine Erfahrung.“
MUSIK 6
"Ein Tag in Amiens II" - Komponistin: Ulrike Haage - Album: Das verschwundene M (Original Score) - Länge: 0'50
SPRECHERIN:
Und wo geht es bitte konkret lang? Für die munteren neuen Großeltern gibt es kaum Vorbilder. Weder in den Medien noch in den eigenen Köpfen. Ihre Eltern gehörten noch der strapazierten Kriegs- und Nachkriegsgeneration an, die um materiellen Wohlstand kämpfte und meist ein traditionelles Familienmodell pflegte. Heute sind Trennungen, Scheidungen und Patchwork-Situationen fast alltäglich. Beziehungen sind komplizierter geworden. Was bedeutet: das junge Paar muss sich nach der Geburt eines Kindes oft erstmal sortieren und wieder zusammenraufen: Wer übernimmt wieviel vom Haushalt? Wer kümmert sich nachts um das schreiende Baby? Die Rollen sind nicht mehr von Haus aus klar definiert. Auch die der Großeltern nicht.
O-TON 09: (Franz Dumbs)
„Und vielleicht ist es hier genauso notwendig wie in der Pubertät, dass sich Ihr Kind abgrenzt: Wir müssen jetzt erst einmal so unser eigenes Standing als Kleinfamilie finden. Wenn wir uns sicher fühlen, dann können wir euch gut mit dazunehmen. Weil dann brauchen wir nicht Angst haben, dass ihr jetzt irgendwie eingreift und das passt nicht für uns.“
SPRECHERIN:
Selbst sehr anpassungsfähige Großeltern können also vorübergehend stören. Dass Opas und Omas reichlich Erfahrung auf dem Gebiet der Kinderaufzucht gesammelt haben, zählt nicht unbedingt. Es gibt ja auch noch Hebammen, Kinderärztinnen, Freunde, Krabbel-Gruppen und nicht zu vergessen: das Internet. Das Wissen der Großeltern, insbesondere der Großmütter, ist nicht mehr so gefragt wie früher. Die Psychoanalytikerin Cécile Loetz hat selbst eine kleine Tochter.
O-TON 10: (Cécile Loetz)
„Die Eltern ergoogeln sich eben dann, dass Stoffwindeln von mir aus jetzt besser sind oder schlechter sind als Plastikwindeln. Oder wie man ein Kind wickelt, können sie sich auf einem YouTube-Video auch anschauen und müssen das nicht mehr gezeigt bekommen von den Großeltern. Und trotzdem, glaube ich, eine Beziehung, die ist nicht ersetzbar, also die Großeltern-Enkel-Beziehung, die kann ja kein Google ersetzen. Oder auch kein Kindergärtner.“
SPRECHERIN:
Genau. So sehen das viele Großeltern auch. Zumal sie die Beschäftigung mit den Enkeln deutlich anders belebt als der xste Spieleabend mit Freunden oder das Konzert-Abonnement.
O-TON 11: (Franz Dumbs)
„Das ist wieder etwas Sinnstiftendes, ich bleib geistig beweglich. Ich muss mich auch wieder mehr bewegen, weil das Kind will wieder Fußball spielen. Da bin ich nicht so sehr mit meinen Rücken- und Knieschmerzen beschäftigt, sondern ich will halt a den Ball wieder ins Tor bringen.“
SPRECHERIN:
Schön und gut. Aber wie baut man eine eigene, eigenständige Beziehung zu der übernächsten Generation auf? Wieviel Freiraum, wieviel Zeit gibt beziehungsweise braucht es dafür? Das sind Fragen, die Großeltern umtreiben, besonders wenn sie weit entfernt von der jungen Familie leben. Manche bedrückt auch das Gefühl, in Konkurrenz zu anderen Omas und Opis treten zu müssen, die näher, öfter oder noch munterer um die Enkel herumturnen. Der Psychologe Franz Dumbs hat vier Kinder und ist bislang dreifacher Großvater. Er empfiehlt, jetzt bloß nicht alle anderen Aktivitäten einzustellen:
O-TON 12: (Franz Dumbs)
„Wenn man sich nur auf die Kinder, auf die Enkelkinder konzentriert und kriegt dann nicht die entsprechende Anerkennung, dann kommt es leicht zu einer Frustration.“
MUSIK 7
"Ein Tag in Amiens II" - Komponistin: Ulrike Haage - Album: Das verschwundene M (Original Score) - Länge: 0'12
O-TON 13: (Kind)
„Omi, du sollst Plastikkrokodile, Märchenwolle und Badeanzug mitbringen und Jacke!“
SPRECHERIN:
Es sind bewegte und bewegende Zeiten, in denen Emotionen eine große Rolle spielen, Liebe, Zärtlichkeit und vielleicht auch Eifersucht. Erinnerungen werden wach, alte Geschichten kommen hoch: wie es war, als die Kinder noch klein waren. Ach ja. Manchmal lassen sich die überschießenden Gefühle kaum bändigen. Die Gefahr ist tatsächlich groß, dass Großeltern ihr Engagement übertreiben, sagt die Psychoanalytikerin Cécile Loetz.
O-TON 14: (Cécile Loetz)
„Dann kann das zum Beispiel sein, dass die Großeltern den Anspruch erheben: ich möchte jetzt jeden Tag mein Enkelkind sehen oder immer wenn sie zu Besuch sind, gibt es immer Geschenke und sich darüber versuchen, die Liebe des Enkelkindes zu sichern. Und das bringt aber dann wiederum die Eltern in die Situation: statt, dass sie unterstützt werden von den Großeltern, müssen sie jetzt ihr eigenes Kind regulieren.“
Musik 8
"Michel Momento" - Komponisten: Jim Black, Nels Cline & Tim Berne - Album: The Veil - Länge: 0'
SPRECHERIN:
Der Alltag ist eh schon anstrengend genug. Das seelische Wohlbefinden der eigenen oder Schwieger-Eltern steht vermutlich nicht ganz oben auf der To-Do-Liste gestresster Mamas und Papas. Junge Eltern agieren im Zentrum einer fragilen Konstruktion. Wenn dann auch noch das Kind schreit, weil ihm Omis Süßigkeiten weggenommen werden… Oder der Opi beleidigt ist, weil er und seine Lebensgefährtin weniger Beachtung beim Nachwuchs finden als seine Ex-Frau mit dem neuen Partner. Dann wird die ältere Generation nicht als hilfreich, sondern eher als nervig empfunden.
Musik 8
"Michel Momento" - Komponisten: Jim Black, Nels Cline & Tim Berne - Album: The Veil - Länge: 0'38
O-TON 15: (Cécile Loetz)
„Das bringt diesen Gedanken der Generativität zum Stocken, also indem dann die Eltern so reagieren, dass sie die Großeltern zum Beispiel aus dem Leben des Enkelkindes ausschließen oder zumindest sehr stark kontrollieren.“
Musik 9
"Michel Momento" - Komponisten: Jim Black, Nels Cline & Tim Berne - Album: The Veil - Länge: 0'30
SPRECHERIN:
So kann es übergriffig wirken, wenn Omi ungebeten die Wäsche der jungen Leute sortiert. Noch riskanter dürfte es sein, wenn sie vertraulich mit der Kindergärtnerin über vermeintliche oder reale Probleme des Enkels spricht. Es ist toll, dass sie den kleinen Joshua einmal in der Woche betreuen - aber wie gesagt: Großeltern sollten ihre Bedeutung und Befugnisse nicht überschätzen. Auch wenn sie vor lauter Sorgen nachts nicht schlafen können:
O-TON 16: (Cécile Loetz)
„Vielleicht könnte ein Gradmesser sein für die Großeltern, letztlich für die Eltern auch: Inwieweit sehe ich ein Kind wirklich in Gefahr? Und das ist natürlich immer eine Abwägungssache. Ich glaube, dafür kann man keine Regel aufstellen, die dann immer gilt.“
SPRECHERIN:
Logisch, bei Gewalt und Missbrauch muss man handeln. Aber grundsätzlich lautet für Großeltern die Maxime: sich illoyal gegenüber den aktuellen Erziehungsberechtigten zu verhalten, geht gar nicht. Überhaupt: zu viel Stirnrunzeln und Kopfschütteln von Seiten der Senioren macht die Aufzucht von Kleinkindern im 21. Jahrhundert nicht leichter. Eine Bettgehzeremonie kann eben auch mal länger als eine Stunde dauern und statt, dass es drei feste Mahlzeiten gibt, wird heute viel gesnackt. So what!
O-TON 17: (Cécile Loetz)
„Dann müssen die Großeltern wahrscheinlich auch ein Stück weit Hilflosigkeit ertragen, dass sie eben nicht die direkt in die Erziehung dieser Kinder eingreifen können.“
SPRECHERIN:
Es ist letztlich eine Sache des Vertrauens. Die Jungen schaffen das schon, selbst wenn es chaotisch und mühsam aussieht. Wie gern möchte man ihnen pädagogisch auf die Sprünge helfen! Aber ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung steht der ehemaligen Leiterin des kleinen Familienunternehmens wohl besser zu Gesicht. Der Austausch mit ähnlich betroffenen Altersgenossinnen kann hier für Entlastung sorgen:
O-TON 18: (Franz Dumbs)
„Ich finde das dann halt gut, wenn ich mit anderen Großvätern rede: ist es gut, ein dreijähriges Kind in alle Entscheidungen einzubeziehen, dass ich das Kind den Tagesablauf praktisch bestimmen lass oder dürfen Eltern da mehr die Leitlinie vorgeben: Mensch, heit is Wetter schön, da mecht i, dass ma fortgehen. Muss ich dann jetzt wirklich das Kind fragen: Du, möchtest du heute lieber Lego-Haus bauen? Oder möchtest du mit uns eine Wanderung machen? Ich weiß nicht, ob ein Kind damit nicht überfordert ist. Aber Eltern machen es halt oft so und des zu verstehen: aha, das ist auch ein Weg, ist zum Beispiel für mich ein Punkt, der ein bisschen schwer ist, zu kapieren.“
SPRECHERIN:
Oma und Opa zu werden und zu sein, ist manchmal weniger spaßig als es für Außenstehende aussieht. Denn die Ansprüche und Erwartungen an moderne Großeltern sind ziemlich komplex, um nicht zu sagen: widersprüchlich. Oma und Opa sollen sich zurückhalten und trotzdem, wenn gewünscht, präsent sein, um dann, wenn möglich, tatkräftig zu helfen. Sie sollen Anteil nehmen, ohne dominant zu wirken. Die Enkel lieben, aber sie nicht auffressen wollen. Mal ehrlich und nur unter uns Ü-60-Jährigen: Das hört sich schon ein bisschen nach der Quadratur des Kreises an.
O-TON 19: (Franz Dumbs)
„Da die richtige Balance zu finden, das ist wirklich sehr sehr schwierig. Wie kann man so die eigenen Interessen und die Interessen der Kinder und die Interessen, die man selber als Großmutter, Großvater hat, wie man die miteinander verbindet, wie man die miteinander versöhnt. Das gelingt also zumindest bei mir nicht immer richtig.“
Musik 10
"Ein Tag in Amiens II" - Komponistin: Ulrike Haage - Album: Das verschwundene M (Original Score) - Länge: 0'14
O-TON 20: (Kind)
„Omi, erzählst du mir noch eine Geschichte, als du ein Kind warst, Omi.“
SPRECHERIN:
Früher gab man verunsicherten Großeltern den Rat, sich an die drei großen „Sch“ zu halten: schweigen, schenken, schlucken. Überspitzt formuliert hieß das: es schadet nichts, wenn du der jungen Familie dein Haus überschreibst. Es wäre allerdings gut, wenn du dir ein dickes Fell zulegst! Heute weiß man: so sehr sich Omas und Opas auch bemühen: es lässt sich nicht vermeiden, dass sie ihre eigenen Probleme, ihre eigene Geschichte in die vielleicht eh schon angespannte kleine Familie hineintragen – ohne es zu merken vielleicht.
O-TON 21: (Franz Dumbs)
„Ich kenne viele Leute auch, die hatten nicht das Glück als Vater viel präsent bei den Kindern zu sein. Und die machen es jetzt als Großeltern so, dass sie sich viel Zeit nehmen und dass sie dann Löwe spielen und auf dem Boden rumrobben und all das, was sie als Vater, wenn sie die Chance gehabt hätten oder genutzt hätten, vielleicht auch hätten tun können. Dann ist es vielleicht für das Kind, das eigene Kind bisschen kränkend zu sehen: hey, mein Kind kriegt jetzt was, was ich nicht bekommen hab, aber dem Enkelkind schadet es in der Regel nicht.“
Musik 11
"Berlin 1945 (12) - Komponistin: Ulrike Haage - Album: Berlin 1945 - Tagebuch einer Großstadt (Die Original Filmmusik) - Länge: 0'44
SPRECHERIN:
Im Gegenteil: Omis und Opis sind bei den Enkeln meist willkommene Spielkameraden. Sie neigen nämlich nicht dazu, ihnen die Schaufel auf den Kopf zu hauen oder um den Lieblings-Bagger zu streiten. Trotzdem kann sich beim Sohn oder bei der Schwiegertochter Ärger aufstauen, weil der lustige Opapa die Kinder vor dem Bettgehen nochmal so richtig aufkratzt – und zwar anscheinend zum eigenen Vergnügen, ohne an die Konsequenzen zu denken. Dann sollte das besprochen werden. Wie andere Konfliktpunkte auch. Um eines guten Miteinanders willen. Die Psychoanalytikerin Cécile Loetz findet es absolut kontraproduktiv:
O-TON 22: (Cécile Loetz)
„Wenn die Konflikte unter den Teppich gekehrt werden und alle eigentlich so tun, als wäre alles in Ordnung. Also wenn jetzt ein Sohn zum Beispiel so tun würde: ach, irgendwie meine eigene Mutter, also die Großmutter, die kann sich ruhig in alles einmischen. Ich sage da nichts und gleichzeitig versuche ich, meiner Frau irgendwie alle Bedürfnisse zu erfüllen. Dann kann man sich ja schon ausmalen, dass der wahrscheinlich am Ende ziemlich erschöpft sein wird, weil er es versucht, allen recht zu machen und zwischen den Stühlen steht. Ich glaube, seine Aufgabe wäre es dann zu überlegen: welche Rolle gehört zu wem und da auch dann seine Bedürfnisse zu äußern, nämlich die Großmutter soll die Großmutter sein. Die Frau ist die Mutter meiner Kinder und die Frau an meiner Seite.“
O-TON 23: (Franz Dumbs)
„Das wird, je nach deiner Vorgeschichte, wie du mit dir selber umgehst, nach deiner Vorgeschichte, wie du mit dem betroffenen Kind umgehst, sicherlich sehr unterschiedlich ablaufen: habt ihr eine Kultur, wie ihr Konflikte miteinander besprechen könnt. Wenn man da einfach noch keine Erfahrungen hat, ist es halt wahnsinnig schwer, etwas Konflikthaftes dann, wenn es lichterloh brennt, zu besprechen. Wenn man da schon Erfahrungen hat, da kann man halt gut auf die Erfahrungen zurückgreifen.“
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