Die Europäer halten einen Zusammenstoß mit Russland für immer wahrscheinlicher. Daran scheint Präsident Biden nicht gedacht zu haben.
Ein Standpunkt von Douglas Macgregor.
Gaius Julius Caesar Germanicus, in der Geschichte als Caligula bekannt, regierte von 37 bis 41 n. Chr. als Kaiser von Rom. Caligula, der Urenkel des ersten römischen Kaisers, des brillanten Augustus Cäsar, verschleuderte den enormen Reichtum des römischen Staates, erklärte sich selbst zum Gott, ernannte sein Lieblingspferd zum Mitglied des römischen Senats und erwog einigen Quellen zufolge sogar, das Tier zum Gott zu erheben.
Nach etwas weniger als vier Jahren im Amt wurde Caligula abgesetzt. Den Bürgern Roms wie auch den Legionen blieb die Demütigung erspart, ein totes Pferd verehren zu müssen. Amerikaner und Europäer haben nicht so viel Glück.
Entschlossen, seinen Stellvertreterkrieg mit Russland bis zum Ende zu führen, verliert Biden den Kampf in der Ukraine, und sein vergöttertes Lieblingspferd, die NATO, liegt in der Intensivstation. Das Einzige, was schneller sinkt als Bidens Zustimmungswerte, sind die amerikanische und die europäische Wirtschaft.
Die Leser werden sich daran erinnern, dass Präsident Trump die Abhängigkeit Europas von der amerikanischen Militärmacht verringern wollte, um die Europäer zu ihren eigenen "Ersthelfern" zu machen. Biden machte Trumps Politik rückgängig und versprach, die NATO - in den Worten des französischen Präsidenten Macron "das hirntote Bündnis" - wiederzubeleben.
Das Problem für die NATO ist, dass die wirtschaftliche Not, die durch Bidens Sanktionen gegen Moskau entstanden ist, Europa mit dem wirtschaftlichen Armageddon bedroht. Es ist schon schlimm genug, wenn die europäischen Anleihen- und Aktienfutures einbrechen und der Euro unter die Parität zum US-Dollar fällt, aber wenn Paris, die Stadt des Lichts, ihre berühmte Nachtbeleuchtung ausschaltet, um Energie zu sparen, ist es wirklich schrecklich.
Deutschland, die größte Volkswirtschaft der EU und der Schlüsselstaat der NATO, hat zu kämpfen. Bundeskanzler Scholz hat sicherlich Sympathien für die ukrainische Sache, aber nicht genug, um dem deutschen Volk enorme Härten aufzuerlegen, zu denen Industrieabschaltungen, höhere Arbeitslosigkeit und ein kritischer Energiemangel fürs Heizen deutscher Häuser und Schulen im Winter gehören könnten. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Berlins innenpolitische Probleme mit Migranten und Flüchtlingen durch die Ankunft Hunderttausender ukrainischer Flüchtlinge noch verschlimmert haben.
Diejenigen, die den Kanzler kennen, betonen, dass Bundeskanzler Scholz den Konflikt in der Ukraine eindämmen und sich für einen Waffenstillstand einsetzen will, der Zeit für Verhandlungen und Kompromisse bietet. Scholz hat kein Interesse daran, die Ukraine wieder aufzurüsten, um den ukrainischen Rumpfstaat zu einer ständigen und unberechenbaren Bedrohung für Moskau zu machen. Noch wichtiger ist, dass Scholz Verhandlungen mit Moskau nicht als eine Wiederholung der Reise von Premierminister Neville Chamberlain nach München im Jahr 1938 ansieht.
Wird Scholz erkennen, dass Deutschlands Überleben und Wohlstand von der Fähigkeit Berlins abhängt, in seinem eigenen Interesse zu handeln?
Sicherlich nicht, wenn es als Ermöglicher die globalistische Sichtweise der USA in der NATO unterstützt. Scholz weiß, dass die europäische Unterstützung für die NATO und für Bidens gescheiterten Krieg mit Russland schnell erodieren wird, wenn er sich in Europa gegen Bidens Einwände für einen Waffenstillstand in der Ukraine einsetzt.
Die Frage für Scholz ist: Wird er weiterhin Washingtons Politik des offenen Konflikts mit Moskau unterstützen und einen weiteren Krieg riskieren? Oder wird Bundeskanzler Scholz riskieren, den Weg von Boris Johnson und neuerdings auch von Mario Draghi zu gehen, falls Draghi seine Entscheidung, als Premierminister zurückzutreten, durchsetzt?