ERF Plus - Bibel heute

Die schlechten Hirten und der rechte Hirt (1)


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Bei den Worten Hesekiels denke ich an die Kommunalwahl vom 14. September zurück.

Noch immer habe ich Stimmen aus meinem Bekanntenkreis im Ohr, die sagten: „Ich weiß gar nicht, wen ich wählen soll.

Letztlich habe ich meine Zweifel, ob die da oben wirklich für mich etwas bewirken möchten, oder ob sie nur ihre eigenen Interessen und ihren Machterhalt verfolgen.“ So war es immer wieder einmal zu hören.

Ich persönlich habe großen Respekt vor denen, die sich in der Politik engagieren. Allerdings weiß ich auch: manche von ihnen haben in der Tat den eigenen Vorteil im Blick. Das kommt jedoch bei weitem nicht nur im Bereich der Politik vor. Auch am Arbeitsplatz, in der Familie und sogar in Kirche und Gemeinde kann es Egoismus auf Kosten anderer geben. 

In den Worten Hesekiels wird beklagt, dass weltliche und geistliche Leiterinnen und Leiter gleichermaßen versagen können.

Zweimal hatte das babylonische Heer Jerusalem belagert und eingenommen. 

Zweimal sind große Teile des Volkes nach Babylon verschleppt worden. Auch der Prophet Hesekiel.

Bei der zweiten Belagerung ist es gar zur schlimmsten Katastrophe gekommen, die denkbar ist: Der Tempel in Jerusalem ist niedergebrannt und die Stadtmauer geschleift worden.

Dass es zu alldem gekommen ist, hatte mit dem Fehlverhalten der Führungsschicht zu tun. Die Angehörigen der Oberschicht aus Fürsten, Heerführern, Priestern und Propheten sollten das Volk im Glauben an seinen Gott bestärken. Stattdessen haben sie gegenüber den schwachen, kranken, innerlich zerbrochenen und verirrten Menschen ihre Macht ausgespielt.

Hesekiel klagt im Auftrag Gottes an: Aber ihr esst das Fett und kleidet euch mit der Wolle und schlachtet das Gemästete, aber die Schafe wollt ihr nicht weiden.

Ihr esst das Beste, das zu bekommen ist und an dem wenigen Hab und Gut des sogenannten kleinen Mannes bereichert ihr euch.

Fürsorgliche Hirten sollten sie sein; stattdessen bringen sie „ihre Schäfchen“ ins Trockene, suchen ihren eigenen Vorteil und Gewinn und vernachlässigen ihr Hirtenamt. Selbst im babylonischen Exil haben die Mitglieder der herrschenden Klasse offenbar Gelegenheit dazu gehabt.

Seit den Zeiten Hesekiels hat sich diese Praxis in unserer Welt nicht wesentlich gewandelt. Ich muss an die Bilder denken, die 1989 nach der rumänischen Revolution in den Fernsehnachrichten zu sehen waren. Der Diktator Nicolae Ceausescu ist gestürzt und abgesetzt worden. Viele Rumäninnen und Rumänen gingen in ihrer einfachen und ärmlich wirkenden Kleidung durch seinen Palast. Mit ungläubig vor den Mund gehaltenen Händen betrachteten sie die goldenen Wasserhähne und marmornen Badewannen. Fassungslos standen sie in den fürstlich eingerichteten Räumen, in denen ihr Präsident gelebt hatte. Tief erschüttert erkannten sie: Unser Staatsoberhaupt hatte vor allem für sich selbst gesorgt. Als Volk hatten sie sich mit einem kärglichen Leben zufriedengeben müssen.Nun erkannten sie, dass ihre Arbeitskraft und Gutgläubigkeit schamlos ausgenutzt worden sind.

Das ist ein Extrembeispiel – gewiss – aber gewissenlose und ausbeuterische Menschen gibt es zu jeder Zeit und in jedweder Sorte.

Nach den Worten Hesekiels bekommen es politische und religiöse Unrechtstäter mit Gott persönlich zu tun.

Wie tröstlich ist das angesichts vergangener und gegenwärtiger Ungerechtigkeit, dass Gott ein Genug! spricht, das bei Hesekiel so klingt: … ich will ein Ende damit machen, dass sie Hirten sind,… Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen… Ich selbst will meine Schafe weiden,…

Gott hat ein Herz, das Herz eines Hirten für Menschen, die schwach, krank, innerlich zerbrochen, verirrt und verloren sind. Sein Hirtenherz schlägt nicht nur für die benachteiligten Menschen seines Volkes damals und heute. Es schlägt für die schwachen Menschen aller Zeiten und Völker. Sowohl für die, die unter der Macht rücksichtsloser Herrscher leiden. Als auch für die, die unter übermächtigen Notlagen verzweifeln. Es schlägt für die, die unter Krankheit gebeugt sind. Und für alle, die unter der Last ihrer Schuld und ihres Versagens seufzen.

Es schlägt für Sie und für mich – Gott sei Dank, denn ich finde mich in verschiedenen Lebenslagen durchaus bei diesen schwachen, kranken, verirrten und verlorenen Menschen wieder.

Ihnen und uns allen gilt, was Gott sich vorgenommen hat: Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten….

Dieser liebevolle Wille Gottes ist so stark, dass er selbst Mensch geworden und in Jesus Christus über diese Erde gegangen ist. Jesus hat das Hirtenherz seines Vaters.

Deshalb heißt es einmal von ihm, dass ihn das pure Mitleid packt, als er die Menschen sieht, die völlig am Ende, verlassen und verloren sind wie Schafe, um die sich kein Hirte kümmert.  

Was für ein tröstlicher Gedanke ist das doch: Nicht Widerwille - Erbarmen ist es, das Jesus erfüllt, wenn er uns ansieht. 

Nicht Vorwürfe, dass wir an so manchem Elend unseres Lebens selbst beteiligt sind, bekommen wir von ihm zu hören – „Ich bin der gute Hirte…“ – Das sagt er.

Ich persönlich habe diese Worte in den letzten Jahren und vor allem in den letzten Monaten bitter nötig gehabt. Der Zuspruch, dass ich nicht alleine bin, wo ich mich schwach, krank, innerlich zerbrochen, verirrt und verloren fühle, hat mich immer wieder aufgerichtet. Liebevolle Nähe eines Menschen, durch den Gott mir seine Fürsorge schenkt, ist dabei wie ein guter Lagerplatz und fette Weide auf den Bergen Israels, von denen Hesekiel spricht.

Diesen Zuspruch gebe ich heute an Sie weiter und lade sie ein: Ganz gleich, wie schwach, krank, innerlich zerbrochen, verirrt und verloren Sie sich fühlen mögen. Vertrauen Sie sich diesem Hirten an. Schämen und scheuen Sie sich nicht, mit allem zu ihm zu kommen, ganz gleich, in welcher Lage Sie sich befinden. Es spielt keine Rolle, unter welchen Lasten Sie leiden.

Uns allen gilt: so spricht Gott der HERR: Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen. Sich von ihm finden lassen, ist das Beste, das Ihnen und mir passieren kann.

Autor: Michael Oberländer

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