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Dopamin - Botenstoff mit Suchtgefahr


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Der Botenstoff Dopamin überträgt Signale zwischen Nervenzellen im Gehirn. Er spielt eine zentrale Rolle für unsere Motivation, für das Gefühl der Belohnung und auch beim Lernen. Wie beeinflusst Dopamin unser Verhalten? Können wir ihn gezielt nutzen? Von Maike Brzoska

Credits
Autorin dieser Folge: Maike Brzoska
Regie: Christiane Klenz
Es sprach: Katja Amberger
Technik: Lorenz Kersten
Redaktion: Iska Schreglmann

Im Interview:
Professorin Daniela Berg, Direktorin der Klinik für Neurologie im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
Professor Falk Kiefer, Ärztlicher Direktor der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim

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Linktipps:

Homepage des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein mit Informationen zur Früherkennung von Parkinson und der Möglichkeit zur Teilnahme an Studien der Parkinsonforschung: HIER

Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an [email protected].

Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Radiowissen
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

SPRECHERIN

Vermutlich kennen viele diese Situation: 

01 ZUSP Atmo (Anschnallen, Autofahrt)

Autotür geht zu, Gurt klickt, Tasche auf den Sitz, Auto fährt los

SPRECHERIN

Man steigt ins Auto, legt die Tasche auf den Beifahrersitz, schnallt sich an, fährt los – und dann das:

02 ZUSP Atmo (Handy piepst)

Piep

SPRECHERIN

Das Handy.

Wdh. Atmo 02 

Piep

MUSIK 2 (Stereolab: Melodie Is A Wound 0‘31)

SPRECHERIN

Und sofort geht das Gedanken-Karussell los: Was könnte das sein? Eine SMS? Ein Like auf Facebook? Geldeingang auf dem Konto? Oder gar ein Notfall? Das Handy während der Fahrt aus der Tasche zu kramen, wäre viel zu gefährlich – das ist klar. Und doch ist da jetzt die ganze Zeit dieser Drang, nachzusehen. Könnte ja wichtig sein – was es meistens nicht ist. Trotzdem: Die Neugierde ist groß.

03 ZUSP O-TON (Kiefer)

Und die Neugierde wird besonders getrieben, wenn Sie mit Ihrem Handy in der Vergangenheit besonders erfreuliche, positiv überraschende, oder vielleicht auch besonders negative, bedrohliche Nachrichten bekommen haben. Und die wollen Sie natürlich nicht verpassen. 

SPRECHERIN

Sagt Professor Falk Kiefer. Er ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Entscheidend für den Drang, aufs Handy zu schauen, ist das sogenannte Dopamin, ein Botenstoff unseres Gehirns, der in solchen Momenten vermehrt ausgeschüttet wird.

MUSIK 3 ( Sine: Geschichten 0‘46)

04 ZUSP O-TON (Kiefer)

Dopamin hat die Aufgabe, auf mögliche Belohnungen hinzuweisen, hat also so was wie eine belohnungsankündigende Wirkung. 

SPRECHERIN

Zum Beispiel könnte das Handy-Piepsen eine SMS vom Partner oder der Partnerin ankündigen, über die man sich in der Regel freut. Oder eine Mail von der Chefin, über die man sich vielleicht nicht so freut, aber die man trotzdem nicht verpassen will. Das Dopamin markiert gewissermaßen Situationen oder Dinge als „wichtig“ – und das motiviert uns zu handeln. Zum Beispiel aufs Handy zu schauen, selbst wenn man sich eigentlich aufs Fahren konzentrieren will. Der Botenstoff signalisiert uns:

05 ZUSP O-TON (Kiefer)

Das war wichtig und das solltest du beim nächsten Mal nicht verpassen. Das ist die Funktion des Dopamins. Und wenn man das nächste Mal in so eine Situation hineinkommt, dann ist diese Situation durch dieses Dopamin markiert und dann läuft man nicht achtlos an ihr vorbei, sondern hat man im Unterbewussten sozusagen gespeichert, das war relevant und das solltest du wahrnehmen.

SPRECHERIN

Und das gilt keineswegs nur für Nachrichten auf dem Smartphone. 

06 ZUSP O-TON (Kiefer)

Sexuelle Aktivität macht eine Dopamin-Ausschüttung, macht eine Aufmerksamkeits-Hinwendung zu der Person, mit der man das gemeinsam erlebt. Aber auch andere Belohnungsreize. Wenn ich von jemandem Geld bekomme, wenn ich von jemand positive Rückmeldung bekomme, wenn ich von jemandem auf Insta oder Facebook eine positive Rückmeldung bekomme, dann macht das alles so ein kleines Belohnungsgefühl und so einen kleinen Dopaminpeak …

MUSIK 4 ( Sine: Dreamland 0‘42)

SPRECHERIN

Also eine vermehrten Dopamin-Ausschüttung – und die fühlt sich richtig gut an, sagt die Professorin Daniela Berg. Sie ist Direktorin der Klinik für Neurologie im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

07 ZUSP O-TON (Berg)

Es wird damit ein Teil des Gehirns aktiviert, das den Betroffenen das Gefühl vermittelt, mir geht es richtig gut. 

SPRECHERIN

Auch alltägliche Dinge wie Essen oder Trinken sind mit einer Dopamin-Ausschüttung verknüpft, das war, evolutionär betrachtet, äußerst wichtig für unser Überleben.

08 ZUSP O-TON (Kiefer)

Wenn Sie ganz weit in die Evolution zurückgehen, sehen Sie, die wichtigsten Informationen sind: Wo kriege ich was zu essen? Wo sind meine Lebensgrundlagen gut? Und wo vermeide ich Negatives, also Gefahren oder Verletzung oder Schmerzen? Also wir müssen aus Gefahren klug werden, aber wir müssen auch aus Belohnung klug werden. Und das passiert im Hintergrund. Und wir richten uns aus in die Richtung, wo wir positive Erfahrungen gemacht haben.

MUSIK 5 ( Stereolab: Melodie Is A Wound 0‘22)

SPRECHERIN

Auf diese Weise lenkt das Dopamin ein Stück weit auch unsere Aufmerksamkeit. Denn im Prinzip strömen in jedem Moment unzählige Informationen und Reize aus der Umgebung auf uns ein. Irgendwie muss das Gehirn eine Auswahl treffen – was davon ist wichtig und was nicht? 

09 ZUSP O-TON (Kiefer)

Allein unser visuelles System, unsere Augen, verarbeiten pro Sekunde ungefähr den Inhalt von einer halben DVD an Roh-Datenmaterial, und dazu kommen noch unsere taktilen Reize, das Hören und das Schmecken usw. Und aus dieser Datenmenge muss das Gehirn natürlich die relevantesten Informationen herausfiltern. Und das ist ein wichtiger Teil des Lernens von jedem Organismus, die wichtigen Informationen von den unwichtigen zu unterscheiden. Also wir entwickeln Antennen, im übertragenen Sinne, für die Dinge, die wichtig sind.

MUSIK 6 ( The Weather Station: Passage 0‘39)

SPRECHERIN

Und genau mit diesen Antennen laufen wir heute noch durch den Alltag, zum Beispiel durch die Fußgängerzone. 

10 ZUSP O-TON (Kiefer)

Wo es Schuhgeschäfte gibt und Süßigkeiten-Geschäfte und Kneipen gibt, dann sind das unterschiedliche Hinweisreize, die ich mit unterschiedlichen Erfahrungen verbinde.

SPRECHERIN

Wobei jemandem, der in der Vergangenheit gelernt hat: Neue Schuhe machen mich glücklich, vermutlich zuerst das Schuhgeschäft auffällt. Stichwort selektive Wahrnehmung.

11 ZUSP O-TON (Kiefer)

Der erste Schritt ist die Wahrnehmung, aber vielleicht habe ich mit allen dreien ja schon positive Erfahrungen gemacht. Ich kaufe gerne Schuhe und ich trinke gerne und ich esse gern Süßes. Und dann geht es aber auch in diesem Dopamin-System darum: Wie stark ist diese Belohnungserwartung? 

SPRECHERIN

Macht es mich glücklicher, neue Schuhe zu kaufen oder ein Bier trinken zu gehen?

12 ZUSP O-TON (Kiefer)

Also es geht nicht nur um Markierung „ja“ oder „nein“, sondern um ein bisschen Markierung, um ein bisschen mehr Markierung und um ganz starke Markierung. Also meine Motivation, in die Kneipe zu gehen ist vielleicht größer als die ins Schuhgeschäft zu gehen. 

MUSIK 7 (The Weather Station: Passage 0‘37)

SPRECHERIN

Wir sind zwar keine Marionetten, die – am Dopamin-Faden hängend –automatisch in die Kneipe oder in das Schuhgeschäft gezogen werden. Aber die Motivation, der Drang kann schon sehr stark sein. Der Übergang in eine Sucht ist fließend, auch wenn bei einer Suchterkrankung immer auch noch andere Faktoren eine Rolle spielen. Doch das Dopamin-System ist schon sehr wichtig bei der Entstehung von Suchterkrankungen. 

13 ZUSP O-TON (Kiefer)

Wenn ich in eine Kneipe gehe und jedes Mal Alkohol trinke, dann wird diese Kneipe mit einem Daumen hoch mit einem Dopamin-Peak markiert. Und das führt dazu, dass diese Kneipe mit Belohnungs-Erwartungen aufgeladen wird und ich immer mehr Motivation habe, mich in diese Richtung zu bewegen. Und dadurch ist das ein ganz zentraler Mechanismus, der dazu führt, dass mit jedem Konsum die Motivation, in diese Situation hineinzugehen und wieder zu konsumieren, steigt. 

SPRECHERIN

Wobei pharmakologische Substanzen wie Alkohol, Cannabis, Opiate oder Amphetamine im Vergleich etwa zum Schuhe kaufen noch eine Besonderheit haben: Sie stimulieren das Dopamin-System, auch wenn mir der Rausch gar nicht gefällt oder wenn mir davon speiübel wird. 

14 ZUSP O-TON (Kiefer)

Das heißt, sie machen eine pharmakologisch erzwungene Markierung in dem Belohnungssystem, also erzwingen einen Daumenhoch. 

SPRECHERIN

Anders als etwa ein Nahrungsmittel, das bei mir Bauchschmerzen verursacht – das werde ich in Zukunft tunlichst meiden. Im Gegensatz dazu führen pharmakologisch wirksame Suchtmittel auf jeden Fall zu einer Dopamin-Markierung – egal, ob mir der Rausch nun guttut oder nicht.  

15 ZUSP O-TON (Kiefer)

Von daher ist es so, dass selbst Menschen, denen übel wird irgendwann von Alkohol oder die merken, die Opiate tun überhaupt nicht mehr gut, die haben trotzdem den Drang, das wieder einzunehmen, weil einfach die selektive Aufmerksamkeit und die Belohnungserwartung von dieser bewussten Einschätzung weitgehend unabhängig ist. 

MUSIK 8 ( Yost x Chiras: Inside The Mind 0’46)

SPRECHERIN

Es zieht einen in die nächste Kneipe – und es ist äußerst schwierig, dem Drang zu widerstehen.  

16 ZUSP O-TON (Kiefer)

Das ist ein Teil dieses Drangs, der bei Drogenabhängigkeit eine große Rolle spielt. Sie gehen durch eine Welt, in der sie das Schuhgeschäft und die Süßigkeiten gar nicht mehr wahrnehmen, weil diese Belohnungserwartung auf die Kneipe und auf die Trinksituation so übermächtig geworden ist, dass auch das Wissen, hinterher ist mir wieder schlecht und am nächsten Tag geht es mir übel, gar keine Rolle mehr spielt in der Situation, sondern sie sind so fokussiert und diese Erwartung ist so groß, dass es extrem schwerfällt, dem zu widerstehen. 

SPRECHERIN

Das Wissen um die Rolle von Dopamin bei Suchterkrankungen, macht man sich inzwischen auch bei der Therapie von Suchterkrankungen zunutze. Zum Beispiel arbeiten Forschende daran, mithilfe von Medikamenten die Dopamin-Ausschüttung, etwa nach Alkoholkonsum, ganz gezielt zu unterdrücken. Das ist sehr schwierig und erfordert viel Feintuning, um nicht das ganze Dopamin-System aus dem Takt zu bringen, aber es gibt erste Erfolge. 

17 ZUSP O-TON (Kiefer)

Und tatsächlich zeigen auch Daten, dass das ein Mechanismus ist, der Trinkmengen-Reduktion und Abstinenz unterstützen kann. 

SPRECHERIN

Eine andere Möglichkeit ist, umzulernen.

18 ZUSP O-TON (Kiefer)

Wir haben einen Raum in unserer Klinik, der aussieht wie eine Kneipe. Und in denen präsentieren wir unseren Patientinnen und Patienten ihr Lieblingsgetränk und sie können sich das einschenken. Sie können sich das angucken, sie können daran riechen. Und das stimuliert natürlich unheimlich dieses Belohnungssystem. Und wenn Sie es dann aber nicht konsumieren, sondern abwarten, bis dieser Drang und dieses Belohnungsvorhersage-Gefühl wieder runtergeht, dann kann dieses System umlernen. Dann haben Sie nämlich den Hinweisreiz gesehen. Sie haben aber nicht konsumiert und vereinfacht gesagt, war das eine falsche Belohnungsvorhersage im Gehirn und die wird langsam sukzessive dann runter korrigiert und wird mit der Zeit immer geringer. 

SPRECHERIN

Man übt sich gewissermaßen in Abstinenz und mit der Zeit nimmt der Dopamin-vermittelte Drang, Alkohol zu trinken, ab. 

MUSIK 9 (Sine: Dreamland 0‘41)

Das gilt auch für andere Situationen, wo es nicht um Sucht im engeren Sinne geht. Sondern um die kleinen Dopamin-Kicks im Alltag: schnelle Zigarette in der Mittagspause oder kurz mal checken, ob mein Beitrag auf Facebook oder Instagram geliked wurde. Solchen Dingen eine Weile zu entsagen, ist gerade ziemlich angesagt in den sozialen Medien – auch wenn das erst mal paradox klingt, wenn bei Instagram die Insta-Abstinenz gefeiert wird. Aber tatsächlich gibt es einen Hype um das sogenannte Dopamin-Detox.

19 ZUSP O-TON (Berg)

Dopamin-Detox bedeutet, dass man ganz bewusst auf Aktivitäten verzichtet, die eine starke Ausschüttung von Dopamin, also diesem Belohnungshormon, sozusagen, verursacht. Das heißt, das Ziel ist, dass man so eine Art Reset vom Gehirn macht, damit man wieder wesentliche Motivation für die alltäglichen Aufgaben bekommt und nicht ständig überstimuliert ist. Und das versucht man so, dass man bestimmte Dinge versucht zu meiden, zum Beispiel zu viel Social Media und Internetkonsum, Videospiele, aber auch ernährungsbedingt, zum Beispiel Junk-Food, zu viele Süßigkeiten, ständiger Konsum von Musik und Podcast, exzessives Handy nutzen. Also all diese Dinge, womit man einfach sich überall stimuliert und das Gehirn an schnelle Belohnungen gewöhnt.

SPRECHERIN

Wobei der Begriff „Detox“, also Entgiftung, eigentlich unpassend ist. 

20 ZUSP O-TON (Berg)

Der Begriff ist eher irreführend, denn man kann und will ja eigentlich auch gar nicht das Dopamin aus dem Körper spülen. Es ist ja kein Detox in dem Sinne. Aber was ganz wichtig für die Betroffenen ist: Man lernt, mit dieser eigenen Abhängigkeit umzugehen. Das heißt, diese Reizüberflutung, die zu meiden, diese bewusst zu reduzieren, um wieder wirklich auch eine tiefe Freude und eine tiefe Befriedigung an Dingen zu bekommen, die das Leben ausgeglichen und schön machen. Und das sind sehr, sehr positive Effekte und das erleben viele Menschen und deshalb ist das durchaus zu befürworten.

MUSIK 10 ( Yost x Chiras: These Lonely Winds 1’02)

SPRECHERIN

Der Neurotransmitter Dopamin spielt aber längst nicht nur beim Belohnungslernen und der Entstehung von Suchterkrankungen eine wichtige Rolle. Vielmehr hat der Botenstoff sehr viele verschiedene Aufgaben, ähnlich wie auch andere Botenstoffe. 

21 ZUSP O-TON (Kiefer)

Die Evolution hat eben nicht unendlich viele Neurotransmitter, Botenstoffe unserem Gehirn zur Verfügung gestellt. Also wir kennen Glutamat oder Serotonin oder Dopamin, aber letzten Endes sind es gar nicht mehr als zwei Handvoll wichtiger Neurotransmitter, die unser Verhalten, unsere Kognition und unsere Emotionen regulieren. Und wir wissen, haben sehr viele unterschiedliche Hunderttausende, Millionen von möglichen Kognitionen, Emotionen, Dingen, die im Gehirn passieren. Und dafür ist eben eine sehr feine Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Neurotransmittern, aber auch zwischen dem, was sie tun an unterschiedlichen Rezeptoren in unterschiedlichen Regionen, in unterschiedlichen Schaltkreisen.

SPRECHERIN

Eine sehr feine Abstimmung im Gehirn ist auch für unsere gesamte Motorik wichtig, und dabei übernimmt der Neurotransmitter Dopamin ebenfalls eine wichtige Rolle. 

22 ZUSP O-TON (Berg)

Vor allem für die unwillkürliche Motorik, zum Beispiel schlucken. Und schlussendlich kommt es auch in unserem vegetativen Nervensystem vor. Das heißt, es reguliert zum Beispiel die Durchblutung von Organen. 

SPRECHERIN

Insgesamt betrachtet übernimmt Dopamin also eine Fülle von Aufgaben und ist an vielen Funktionen beteiligt. Das ist auch der Grund, warum eine Fehlregulation des Dopamins sehr verschiedene Erkrankungen zur Folge haben kann. 

23 ZUSP O-TON (Kiefer)

Dopamin spielt eine große Rolle bei Parkinson-Erkrankungen zum Beispiel. Und bei Psychosen spielt es eine große Rolle. Bei Hormonstörungen spielt es eine große Rolle. Und all diese Dinge sind ganz unterschiedliche Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Dopamin-Funktionen. 

SPRECHERIN

Auch die Aufmerksamkeitsstörung ADHS, bipolare Störungen und chronische Erschöpfungszustände werden mit Fehlregulationen des Dopamin-Systems in Verbindung gebracht. Wobei manche Erkrankungen mit einem Dopamin-Überschuss einhergehen und andere mit einem Dopamin-Mangel, Parkinson beispielsweise. 

24 ZUSP O-TON (Berg)

Das ist eine Erkrankung, die nennen wir neurodegenerativ, das heißt Neurone, Nervenzellen gehen zugrunde. Und das sind insbesondere diese Dopamin-produzierenden Zellen im Mittelhirn. Und daraus resultiert ein Dopamin-Mangel, das heißt die Regel-Kreisläufe, die Signalübertragung, die läuft nicht mehr richtig. Und deswegen kommt es zu diesen Parkinson-typischen Symptomen, die insbesondere die Bewegung, also die Motorik betreffen, die unwillkürliche Motorik. Und das ist dann eine Verlangsamung, eine Steifigkeit und auch dieses ganz typische Ruhezittern. Aber – und das ist ganz wichtig – es gibt auch nichtmotorische Symptome. Zum Beispiel gedrückte Stimmung bis hin zu Depression oder auch eine Verlangsamung des Denkens.

MUSIK 11 ( Andreas Franzmann: Complexity 0’54)

SPRECHERIN

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, an Parkinson zu erkranken. Wobei es eine genetische Veranlagung gibt – manche Menschen haben also ein größeres Risiko als andere. Aber auch Lebensstil oder Umweltgifte wie Pestizide spielen eine Rolle. Daniela Berg leitet eine Forschungsgruppe zur Früherkennung von Parkinson, behandelt also regelmäßig Betroffene. Die ersten Symptome ähneln sich oft, berichtet sie.   

25 ZUSP O-TON (Berg)

Wenn die Betroffenen gehen, dann bewegt sich der eine Arm normal mit, der andere aber nicht. Der hängt praktisch nur so runter oder bewegt sich zumindest weniger mit. 

SPRECHERIN

Dass ein Arm nicht mitschwingt, bemerken die Betroffenen selbst oft gar nicht, es sind eher die Angehörigen, die sagen, du gehst irgendwie komisch. Da stimmt was nicht. Für die genaue Diagnose machen Ärztinnen und Ärzte dann weitere Untersuchungen. Zum Beispiel die sogenannte Spect-Untersuchung. 

26 ZUSP O-TON (Berg)

Das steht für Single-Photon-Emission-Computertomographie. Und das funktioniert so, dass man radioaktiv markiertes Dopamin den Betroffenen spritzt. Und das bindet dann an sogenannte Rezeptoren, die auf den Ausläufern von den Dopamin-Zellen sind. Und wenn diese Dopamin-produzierenden Zellen zugrunde gehen, dann kann das radioaktiv markierte Dopamin nicht mehr an diese Rezeptoren binden und dann leuchten die Regionen weniger stark auf. Und das kann man tatsächlich messen. 

MUSIK 12 ( Sine: Endstation 1‘53)

SPRECHERIN

Die Diagnose ist für Betroffene oft lebensverändernd, denn die Krankheit ist chronisch, es gibt keine Aussicht auf Heilung. Man kann das Fortschreiten nur verlangsamen.

27 ZUSP O-TON (Berg)

Stoppen können wir die Erkrankung leider noch nicht. Was wir versuchen – das ist ein großer Forschungsschwerpunkt mehrerer Gruppen, arbeiten wir selber auch sehr intensiv dran –, die Krankheit so früh wie möglich zu erkennen, um die Betroffenen so gut wie möglich über die Symptome, die auftreten, einstellen zu können. 

SPRECHERIN

Das macht man mithilfe von Medikamenten, die das fehlende Dopamin ersetzen. Daneben können Patientinnen und Patienten aber auch selbst einiges tun, auch darüber spricht Daniela Berg mit ihnen.

28 ZUSP O-TON (Berg)

Alles, was sich positiv auf Nervenzellen, auf die Dopamin-produzierenden Zellen auswirken kann, und die Betroffenen darüber auch zu unterrichten, was da machbar ist. 

SPRECHERIN

Dazu gehört vor allem: Bewegung.

29 ZUSP O-TON (Berg)

Was wir wissen ist, dass zum Beispiel körperliche Aktivität ausgesprochen gut fürs Gehirn ist. Wir wissen, dass regelmäßige körperliche Aktivität das Risiko für Parkinson um die Hälfte reduzieren kann.

SPRECHERIN

Auch die Ernährung kann positiven Einfluss auf den weiteren Verlauf der Erkrankung nehmen. Das gilt nicht nur für Parkinson, sondern für viele Krankheiten. Ein Grund mehr, seine täglichen Gewohnheiten, seinen regelmäßigen Konsum hin und wieder zu überdenken. Und vielleicht kommt man dabei zu dem Ergebnis, dass es Zeit ist, dem Burger, dem Social-Media-Account oder dem Alkohol eine Weile zu entsagen – nicht, weil diese Dinge Parkinson auslösen würden, das wäre viel zu verkürzt gedacht. Aber sich im Alltag ständig den kleinen Dopamin-Kicks hinzugeben, kann einen davon abhalten, das zu tun, was wirklich sinnvoll ist.

30 ZUSP O-TON (Berg)

Diese Aktivierung des schnellen Belohnungssystems ist ja auch etwas, was unser Gehirn in einer ständigen Anspannung sozusagen hält, also dieses ganz normale, sinnvolle, gute Regulieren des Dopamin-Systems verhindert. Und damit auch verhindert, Dinge zu tun, die dem Gehirn guttun, zum Beispiel regelmäßige körperliche Aktivität oder eben auch, wenn jetzt das schnelle Belohnungssystem durch eine nicht gute Ernährungsgewohnheit beeinflusst wird – eben viel Junk-Food, viele Süßigkeiten –, dann ist es etwas, was auf einer ganz anderen Ebene, dem Gehirn nicht guttut.

MUSIK 13 ( Stereolab: Melodie Is A Wound 0‘26)

SPRECHERIN

Und auch das Handy vielleicht einfach mal ausmachen.

31 ZUSP Atmo (Handy aus)

Düdüd.

SPRECHERIN

Und dann kann man auch in Ruhe Auto fahren.  


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