Schlaf fasziniert die Menschen seit jeher: Wie nah ist man im Schlaf dem Tod? Was oder wer ist man überhaupt im Schlaf? Philosophie, Literatur, Medizin oder Naturwissenschaften geben Antworten darauf. Die sind über die Jahrtausende hinweg allerdings sehr verschieden. Von Susi Weichselbaumer (BR 2024)
Credits
Autorin dieser Folge: Susi Weichselbaumer
Regie: Susi Weichselbaumer
Es sprachen: Irina Wanka, Burchard, Dabinnus, Silke von Walkhoff, Friedrich Schloffer
Redaktion: Yvonne Maier
Im Interview:
Victor Spoormaker, Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München
Holger Brohm, Institut für Kulturwissenschaft, Humboldt-Universität Berlin
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
„Guten Abend, gut Nacht“ gesummt
Ich träume am liebsten von Feen, die zaubern lernen in der Zauberschule.
Gute Nacht! // Schlaf schön!
Beim Schlafen ist der Kopf klar und man hat keinen Sorgen und man träumt was Schönes.
MUSIK Doomed / ATMO Wind / Käuzchen / Schurkenlache
Bis morgen! // Bis in der Früh!
Wenn ich aufgewacht bin, da habe ich so eine Angst gehabt.
Ich bin nicht so ganz bei mir, glaube ich, und als ich dann aufgewacht bin, war ich erstmal so: Wow!
Wer bin ich, wenn ich schlafe? Das ist eine uralte Frage. Die Menschen wahrscheinlich immer gestellt haben und stellen werden.
Vielleicht ist man der oder das, was man träumt?
Zugleich aber immer noch das eigene ich: Mein reales Ich.
Und ist der Traum ein extra Raum? In dem eine Geschichte abläuft. Und man ist bei dieser Geschichte – ja – dann wer?
Die Autorin – weil: Man träumt sich das schließlich zusammen.
Oder es träumt einem! Und in dem Traum, der - bei einem! - abläuft, reagiert man auf das, was passiert. Irgendwie.
Mein Schlaf und ich – die Beziehung ist kompliziert.
Einerseits scheint nichts so natürlich, wie zu schlafen. Wir müssen schlafen, wir können uns dem nicht entziehen.
Sagt Holger Brohm. Er ist Kulturwissenschaftler an der Humboldt Universität zu Berlin.
Zum anderen können wir manchmal nicht schlafen. Wir sind schlaflos. Wir fühlen uns morgens müde, weil wir das Gefühl haben, nicht ausgeschlafen zu sein. Also ergibt sich um den Schlaf herum eine riesige, große Problematik.
Das sehen Menschen seit jeher so. Lange weiß man nicht: Was ist Schlaf überhaupt und was genau soll das?
Heute ist man da weiter. Etwas.
Man kann messen, was im Gehirn passiert, und da kann man dann sehen, dass Schlaf nicht eine Periode ist, sondern das sind unterschiedliche Zustände, wo manchmal das Gehirn super aktiv wird und manchmal das Gehirn halb ausgeschaltet ist.
Erklärt Victor Spoormaker. Am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München untersucht er seit Jahren per Scan, MRT, EEG: Was macht das menschliche Gehirn im Schlaf?
Es sind so Schlafzyklen. Wenn man einschläft, dann hat man erstmal leichten Schlaf, danach kommt man in Tiefschlaf, dann geht man zurück zum leichten Schlaf und dann kommt dieses komische Stadium, wo wir am meisten träumen, REM-Schlaf heißt das so nach Rapid-Eye-Movement – Schnelle-Augen-Bewegungen, und da ist das Gehirn tatsächlich so aktiv wie tagsüber.
In vielen seiner Bereiche.
In einigen wesentlichen aber nicht. Die schalten im REM-Schlaf auf Pause.
Das sind Hirnareale hinter der Stirn, im präfrontalen Kortex, und die sind tagsüber zuständig für Planung, Kontrolle, Arbeitsgedächtnis, also höherer kognitive Funktionen, und die stehen aus im REM-Schlaf.
Und dann wird es interessant.
Das Ich im Schlaf ist viel ausgelieferter als bei Tag. Denn: Kontrollmechanismen fehlen. Herausforderungen begegnet der schlafende Mensch nicht planvoll, vorausschauend.
Sondern in erster Linie uremotional. Da fließen die Tränen im Schlaf.
Da wird hemmungslos gelacht.
Deshalb passt der Begriff auch nicht richtig. Der Wort-Ursprung von „Schlaf“ ist altgermanisch. Die Goten sagten „sleps“. Alt- und mittelhochdeutsch wurde daraus: „Slaaf“. Gemeint war stets: Ein schlaffer Zustand. Und das ist Schlaf ja nur phasenweise.
Wusste man dereinst eben noch nicht. Wie vieles über den Schlaf. Klar: Gepennt, geratzt, weggeschnarcht wurde immer. Aber ganz angenehm war das – genauso zu allen Zeiten – nicht jeder und jedem. Das Seltsame an der Sache ist ja das Loslassen. Das sich Wegbegeben aus der Realität, aus dem, was wir bewusst wahrnehmen und beeinflussen – sich wegbegeben.
Lange Zeit wurde der Schlaf - schon in der griechischen Mythologie - als ein Bruder des Todes angesehen. Der Schlaf war etwas, was mit Ruhigstellung, mit Passivität verbunden ist. Der Schlaf wurde als Gefahr verstanden.
In der griechischen Sagenwelt sind der sanfte Schlaf, Hypnos, und der mitleidlose Tod, Thantos, miteinander verwandt.
Sie sind Brüder. Söhne der Nachtgöttin Nyx.
Entstanden aus dem göttlichen Chaos am Anfang allen Seins ist Nyx die Nacht. Ihr Bruder ist die Dunkelheit. Nyx ist riesig. Wenn sie in ihrem Wagen, gezogen von zwei schwarzen Pferden, durch den Himmel rast, wehen ihre langen schwarzen Haare im Wind, die Augen sind nadelspitz –
Nyx hat in alten Darstellungen weitausladende Schwingen. Sie ist eine geflügelte Göttin. Warum fährt sie im Pferdewagen über den Himmel? Überhaupt: Was sind nadelspitze Augen?
Wahrscheinlich solche, die dich durchbohren… Wichtig ist: Die Nacht macht den Menschen in der Antike Angst. Die Söhne der Nyx heißen nicht von ungefähr Tod und Schlaf – das sind Rätsel. Wie lange muss man nicht mehr aufwachen, um tot zu sein? Das ist eine praktische Frage früherer Bestatter.
Der römische Dichter Ovid schreibt:
Der Schlaf ist das Abbild des Todes.
Seine Koordinaten kennt die damalige Dichtung sogar auch.
Er wohnt in einer Höhle am Ufer des Lethebaches, wohin niemals die Sonne gelangt.
Lethe ist - der Sage nach - einer der Flüsse in der Unterwelt. Der Name meint „Vergessen“. Wer vom Wasser der Lethe trinkt, verliert vor dem Eingang ins Totenreich seine Erinnerung.
Dann scheiden sich ein bisschen die dichterischen Geister. Manch damaliger Autor belässt die Toten dort. Vergil und andere Schreiber bringen die Seelen zurück ins Leben – ohne Wissen um die eigene Vergangenheit.
Zurück auf Werkseinstellung, würde man heute sagen.
Naja: Schlaf ist Todes Bruder. Glauben auch die Germanen. Die nennen sowohl den Schlaf als auch den Tod „Sandmann“. Einmal der, der den Kindern Sand in die Augen streut. Und einmal Sandmann im Sinne von „Sendmann“, „Sendbote“, hinüber in die andere Welt. Man kann in alten Zeiten schließlich nicht sicher sein. Die Menschen schlafen nicht nur deshalb zu mehreren in einem Zimmer, weil es wohnraumtechnisch bis in die Neuzeit bei vielen Familien einfach einkommensbedingt eng ist. Man fürchtet die Nacht. Dass morgens aufgewacht wird – sagt die Erfahrung. Aber nicht immer. Und warum dann mal nicht – das kann die frühe Medizin selten erklären. Ihrem Ruf als Wissenschaft wenig zuträglich sind gängige Geschichten von lebendig Begrabenen. Aus Versehen. Wusste man nicht besser. War eben lange nicht wach.
Schlaf als Scheintod – wird ein verbreitetes Motiv in Sagen, Dichtungen und Märchen. Éin Motiv, das sich hält, weil es fasziniert.
Weil allein die Vorstellung in einem schmalen, stickigen, stinkenden Sarg aufzuwachen, zwei Meter unter der Erde…
Ja. Also: Berühmte Dichtungen mit Scheintod.
Bestes Beispiel: Shakespeares „Romeo und Julia“. In wilder Verzweiflung ob maximal brennender Liebe bei minimal einverstandener Verwandtschaft, greift SIE zum Schlaftrunk. „Julia lebt!“, seufzend sollen sie bei ihrem Wiedererwachen der Verbindung mit Romeo zustimmen. ER – Romeo – weiß von diesem Plan nichts und das ist ein Fehler! Also Romeo kommt zu früh dazu. Und wie SIE – Julia – da so liegt in diesem todesähnlichen Schlaf – und ihre Familie klagt und seine nicht, denn die Sippen sind verfeindet und ER wähnt sich schuldig, dass SIE –.
Kurz: Von Trauer gebrochene Herzen fühlen nicht sicherheitshalber nochmal den Puls, ehe sie selbst -
„So wilde Freude, nimmt ein wildes Ende und stirbt im höchsten Sieg“
Der Prinz in Grimms Märchen „Schneewittchen“ geht patenter vor.
Er küsst probeweise die schlafende Schöne im Glassarg.
Von der alle, auch sämtliche Mitbewohner-Zwerge, überzeugt sind, dass sie tot ist. Vergiftet von der eifersüchtigen Stiefmutter.
Frau Königin, ihr seid die Schönste hier, aber Schneewittchen über den sieben Bergen bei den sieben Zwergen …
Drum prüfe, wer sich ewig bindet – ob sich nicht doch ein Lebenszeichen findet… Schneewittchen erwacht vom Kuss des Prinzen.
Und heiratet ihn von der Stelle weg. Dornröschen wird das genauso handhaben, andere auch. Wachküssen macht im Märchen Schule.
Im echten Leben schmachtet einen morgens kein spontan verliebter Erbe der Krone an. Da rappelt gnadenlos der Wecker. Man wünscht, es wäre schon wieder Abend.
12 ZU (5W, 7b M, 9W Kinder)
Ich finde es entspannend, wenn man schläft, weil das deinen Körper wieder auftankt. // Ich schlaf am liebsten ein mit meiner Familie // Immer zum Einschlafen lese ich meiner Familie was vor und danach kuschle ich mich zu ihnen.
Und tausche mein waches Ich ein gegen mein Schlaf-Ich. Das tickt etwas anders.
Die Forschung weiß inzwischen: Im Traum machen nicht nur Hirnareale Pause, die zuständig sind für Planung und logisches Denken. Auch emotionale Notbremsen setzen aus, die wir im Realen ziehen können – Wir wollen nicht, dass der Ex merkt, dass er noch berührt. Die Chefin soll nicht mitbekommen, dass ihre Kritik verletzt hat, der Einwurf des Kollegen war so grandios, wir platzen mitten in der sehr ernsthaft wichtigen Konferenz… spontan nicht heraus.
Es ist nicht so, dass man das richtige Selbst ist. Sondern ein klein bisschen mehr Kontrollverlust als sonst.
Erklärt der Schlafexperte am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, Victor Spoormaker.
In Träumen streitet man sich öfters und hat öfters eine Hauerei als tagsüber. Die Emotionen sind viel intensiver als tagsüber, die werden auch nicht gehemmt. Da hat man dann den totalen Verlust oder die totale Freude und kann das, wenn man wach wird, gar nicht mehr so nachvollziehen.
Blöd für viele Werbeangebote, die da behaupten der träumende Geist sei stets offen für Eindrücke, die nach dem Aufwachen weiterwirken.
Selbstoptimierung im Schlaf -
Werde klüger// gesünder // kreativer// schöner!
Entspannter im Schlaf mit Traumreisen zur inneren Einkehr an Orte, die du liebst.
Diese Traumreise ist gut für dich, wenn du dich nach Behaglichkeit und einem Gefühl von Geborgenheit sehnst. Ich lade dich ein ins Auenland, in eine gemütliche Hobbit-Höhle, das Feuer prasselt im Kamin -
Lerne Sprachen im Schlaf -
Flugzeugtriebwerk. Auf Finnisch: Lentokonesuihkuturbiinimoottoriapumekaanikkoaliupseerioppilas
Ob das tatsächlich alles im Schlaf funktioniert?
Die Wissenschaft hat wenige Hinweise darauf. Manche Studien zeigen: Vokabeln wiederholen und sich dadurch besser merken im Schlaf, das kann gehen, wenigstens in den entspannten Zeiträumen vor und nach der traumaktiven REM-Phase. Bislang unbekannte Vokabeln speichert das Gehirn nicht.
In der bewegten REM-Phase hingegen lassen sich vielleicht motorische Fähigkeiten verbessern wie Kung Fu, Snowboardfahren oder Gitarre spielen.
Ganz genau weiß auch das die Forschung nicht.
Oder hat noch nicht ausreichend filigrane Messgeräte, um entsprechende Wirkungen im Gehirn exakt nachzuweisen. Vieles ist nach wie vor einfach Ausprobieren, erzählt Schlafexperte Spoormaker. Der neuste Trend:
Das Phänomen des Klartraums, wobei man versucht mit Bewusstsein einzuschlafen. Das ist superschwer, aber wenn man sehr müde ist und man schläft ein und es kommen schon paar Bilder und man kann mit Bewusstsein einschlafen, da hat man einen großen Gestaltungsspielraum. Aber es ist halt dein Gehirn, es ist nicht ganz zu manipulieren.
Besser als meine Fantasie kann auch mein Traum nicht?
Überraschend großartige Blockbuster entstehen vor dem inneren Klartraumauge nicht. Wahrscheinlich. Fest steht jedenfalls: Schlaf ist dem Menschen vertraut, weil alltäglich. Aber zugleich suspekt, weil nicht vollends kontrollierbar. Bereits die Höhlenbewohner stellen jede Nacht wenigstens eine – hoffentlich verlässliche – Person ab, die das Feuer bewacht. Und alle, die schlafen, vor Säbelzahntiger und Co.
Die römische und griechische Antike hat genauso Respekt vor dem Schlaf. Er macht den Menschen passiv, angreifbar, liefert einen aus –
Frühe östliche Kulturen wollen diese Furcht überwinden. Da wird der Schlaf beschrieben als der eigentliche, der wahre Zustand des Menschen.
Alles ist eins: Im Schlaf ist die Seele ungestört und aufgenommen in diese Einheit.
Schreibt der chinesische Philosoph Chuang Tzu um 300 vor Christus.
Im Wachen hingegen ist die Seele abgelenkt und sieht die verschiedenen Gegebenheiten der Welt.
Die altindischen philosophische Texte der Upanishaden kennen mehrere Schlafphasen. Der Tiefschlaf ist der, der den Menschen zu seinem Selbst bringt.
Wenn man tief schläft, ruhig und heiter und keinen Traum sieht, das ist das Selbst, das ist das Unsterbliche, Furchtlose.
Aber auch der Zustand, der einen glatt in die Pleite treibt, denn: Wer schläft, arbeitet nicht. Im Christentum wird das Aufwachen später oft im übertragenen Sinn verstanden: Das Neue Testament erzählt von erweckt werden, sehen, verstehen – auferstehen. Das Alte Testament ist da noch pragmatischer.
Liebe den Schlaf nicht, dass du nicht arm werdest; lass deine Augen wacker sein, so wirst du Brot genug haben.
Ein bisschen wie unser heutiges: Wer schläft, verliert.
Wobei: Sind wir nicht inzwischen eins weiter, über das reine Leistungsdenken hinaus? Wo das Leben nicht mehr nur erfolgsgetrieben ist, sondern Balance will: Life and Work?
Gute Frage und eine, die die Menschheit bereits lange beschäftigt: Was ist das richtige Schlafverständnis?
Und entsprechend das optimale Schlafverhalten?
Spätestens als sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Naturwissenschaft mehr und mehr durchsetzt gegen Religion und Philosophie, wird der Schlaf zum regenerativen Element.
Warum und wie der Mensch da was auftankt – mehr Sauerstoff, neues Blut, aufgefüllte Flüssigkeit im Gehirn –
Im 19. Jahrhundert diskutieren die Gelehrten: Entsteht Schlaf durch Sauerstoffmangel? Blutleere im Gehirn? Umlagerung elektrischer Ladungen in den Nervenzellen – zum Beispiel durch zu viel Milch in der Nahrung?
Gibt Victor Spoormaker vom Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie zu:
Wir wissen nicht mal genau, wozu gibt es REM-Schlaf? Also wieso haben wir jede Nacht ein- bis zwei Stunden so ein Stadium, das so viel Energie kostet? Und das Gehirn kostet so viel Energie, normalerweise 20 Prozent von allem Energieverbrauch des Körpers geht zum Gehirn und man würde sagen, wenn Schlaf nur zum Ausruhen da ist, dann fährt es runter, wie im Tiefschlaf. Aber im REM-Schlaf zwei Stunden lang wieder volle Kraft – wozu?
Bereiten wir in dieser traumintensiven Schlafphase den nächsten Tag vor? Verarbeiten wir das Gestern? Schieben wir Informationen im Gehirn in andere Speicher, organisieren salopp gesagt das Oberstübchen?
Bislang wenig bis keine Ahnung. Zukünftige Untersuchungstechnologien werden mehr Aufschluss bringen, hofft Victor Spoormaker. Auch in Sachen: Wann ist wieviel Schlaf in welchen Abständen gut zu was?
In frühen Zeiten schlafen die Menschen nicht einmal lange und das von abends bis in den Morgen. Sondern in kürzeren Etappen. Nachts ein paar Stunden, vormittags oder mittags vielleicht wieder, vor dem Abendbrot ein Nickerchen. Auf dem Strohlager daheim, unterm Baum draußen auf dem Feld, am Biertisch -
Richtige Betten hat meist nur der Adel. Und dann auch nicht nur zum Schlafen als auch zu Repräsentationszwecken. Der französische König Ludwig XIV. und Co. empfangen Minister und ausgewählte Untertanen gerne sitzend – im Prachtornat – im Bett. Ganz große Gunst widerfährt dem, der schon vorab ins Schlafzimmer darf zur Ankleidezeremonie.
Schlaf ist lange nicht privat. Für niemanden quer durch alle Schichten. Noch bis in die Neuzeit gilt als gegeben: Kommt man zu Besuch, auf ein Fest oder schaut einfach so wo vorbei – schläft man, sollte es spät werden, gerne mit. Auf der Lagerstatt der Familie oder auf dem Boden.
Und oft in vollem Gewand. Kuschelhaufen halten warm.
Erst im Laufe der Zeit entwickelte sich die Vorstellung und die Praxis auch, dass der Schlaf im Bett zu vollziehen sei. Dafür hatten dann auch bestimmte hygienische Diskurse ihre Wirkung, die also deutlich machten, dass über eine bestimmte Schlafhygiene, natürlich auch die Ansteckungsgefahr bei großen Seuchen minimiert wird. Ebenso mengten sich da moralische Diskurse ein, die für das getrennte Schlafen plädierten, weil hier also eine große Gefahr auch unsittlichen Verhaltens mit bestünde.
Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts schließen sich die Schlafzimmertüren. Zuvorderst ist das eine Wohlstandsfrage. Elternschlafzimmer, Kinderzimmer.
Auch die Beschäftigung mit dem Phänomen Schlaf wird individueller, intimer, erklärt der Berliner Kulturwissenschaftler Brohm.
Wir fangen erst an, den Schlaf zu akzeptieren, als etwas, was gar nicht wirklich passiv ist, indem wir total ausgeschaltet sind, sondern in dem Vorgänge geschehen, die wir leider nicht so gut einsehen können. Wir können diese Vorgänge eigentlich für uns selbst nur realisieren, indem wir im Nachhinein Tagebücher führen, Protokolle führen, um festzuhalten, was sich so mit dieser Flüchtigkeit des Schlafes ergeben hat und erst auf der Basis dieses veränderten Wissens zum Schlaf, gewinnt diese Frage nach dem, wer wir sind im Schlaf jetzt diese Brisanz und Aktualität.
Die meisten Träume vergisst man wahrscheinlich deshalb, vermuten Schlafforscher, weil die Natur da eine Sicherung eingeschraubt hat. Was im Traum erscheint, soll sich nicht vermischen mit der Realität.
Das wäre mitunter fatal. Der Postbote träumt, die Familie in Nummer 42 hat den grantigen Hund verschenkt und läuft am nächsten Morgen gleich munter durchs Gartentor –
Aber grundsätzlich aus Briefträgersicht durchaus eine angenehme Vorstellung.
Bis der echte Lumpi ums Eck spurtet. Was wieder zur Eingangsfrage führt: Wer bin ich, wenn ich schlafe?
Und träume ich mir dann oder träumt es mir?
Über Jahrtausende haben sich Philosophie, Literatur, Medizin, Naturwissenschaft damit beschäftigt.
Viel Konkretes rausgefunden haben sie noch nicht.
Vielleicht ist das große Mysterium Schlaf am Ende eh überbewertet –
Weil es bloß drauf ankommt, wer einen wachküsst?
Nöp. Schlichte was man draus macht!
Manchmal habe ich, wenn ich noch wach bin, aber meine Augen schon zu habe, wenn ich einschlafe so ein Bild im Kopf und wenn ich das nicht träumen will, dann mache ich wieder auf und wieder zu und habe ein anderes Bild. Wie beim Radio Sender wechseln.