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Richard Wagner und Ludwig II. - Im Wahn vereint


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Es ist eines der furiosesten Comebacks der Musikgeschichte: Richard Wagner - künstlerisch gescheitert, finanziell am Boden - wird errettet durch den 18-jährigen König Ludwig II. von Bayern. Der Beginn einer außergewöhnlichen Beziehung, die Wagner zu beispiellosen Erfolgen führen und Ludwig das Herz brechen wird. (BR 2025)

Credits

Autor/in dieser Folge: Philip Montasser 
Regie: Rainer Schaller
Es sprachen: Susanne Schroeder, Peter Veit, Anne-Madlen
Technik: Christine Frey
Redaktion: Thomas Morawetz

Im Interview:

- Marcus Spangenberg, Biograph von Ludwig II.

- Markus Söder, Ministerpräsident

Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:


Kunstverbrechen - True Crime meets Kultur

Gestohlene Gemälde, Kunstschmuggel, Fälscherskandale: Bei Kunstverbrechen rollen Lenore Lötsch und Torben Steenbuck spektakuläre Verbrechen in der Welt der Kunst- und Kultur auf. Ohne Blutvergießen, dafür mit spannender Kunst!



Literatur:

-      Otto Strobel: »König Ludwig II. und Richard Wagner – Briefwechsel« (ein 1936 erschienenes sechsteiliges Kompendium des kompletten Briefwechsels samt ausführlichem Kommentar, zusammengetragen und bearbeitet vom damaligen Archivar des Hauses Wahnfried – bei der Bayerischen Staatsbibliothek als Digitalisat komplett frei und ohne Login zugänglich)

-      Marcus Spangenberg: »Ludwig II. Der andere König« (eine prägnante und kurzweilige Biographie)

-      Hartmut Schick: »Zwischen Skandal und Triumph: Richard Wagners Wirken in München« (ein sehr prägnant geschriebener Aufsatz in einem wissenschaftlichen Sammelband zu Wagners Münchner Zeit)

-      Annette Kolb: »König Ludwig II. von Bayern und Richard Wagner« (eine kurze, biographische Skizze über die schillernde Freundschaft mit einer gewissen literarischen Verspieltheit)


Weiterführende Links:

Ludwig II. - Der Mondkönig

Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee: Die Bauten König Ludwigs II. prägen das Bayernbild weltweit. Zu seinen Lebzeiten hatte das Volk das Treiben ihres "Kinis" durchaus mit Skepsis betrachtet. Von Carola Zinner (BR 2011)

https://www.ardaudiothek.de/episode/urn:ard:episode:d7c49ac288b5831e/

Linktipps:

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ERZÄHLERIN

Der Park von Schloss Linderhof, im April 2025. Vor einer unscheinbaren Felswand tummeln sich Politiker, Journalisten, Fotografen. Die Stimmung ist gespannt. In wenigen Augenblicken wird sich ein Element der Felswand wie von Geisterhand zur Seite schieben – und den Weg in eine einzigartige Höhle freigeben. Sesam, öffne Dich…

 

MUSIKAKZENT

Ouvertüre aus: Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg, Wiener PhO; Mehta, Strauß, Josef, 1:29 Min

 

ERZÄHLERIN

Die »Venusgrotte« – das vielleicht magischste Refugium des Märchenkönigs Ludwig II. Die 14 Meter hohe künstliche Tropfsteinhöhle ist in farbiges Licht getaucht, Blumengirlanden ranken sich um die Säulen, an eine Felswand ist ein Regenbogen projiziert und am Ufer eines künstlichen Sees ankert ein reich verzierter Muschelkahn. Nach fast 10 Jahren Sanierung ist der Ort nun wieder so zugänglich, wie der Bauherr ihn einst ersonnen hat.

Bei seiner festlichen Ansprache gerät Ministerpräsident Markus Söder ins Schwärmen:

 

ZSP 02 SÖDER

Was man hier sieht, ist genau das, was Ludwig II. ausgemacht hat. In gewisser Weise ein Träumer, gleichzeitig ein technischer Visionär. Das war eigentlich gedacht als Kulisse, um Musik zu hören – einzutauchen in eine musikalische Welt.

 

ERZÄHLERIN

Eine musikalische Welt, die in erster Linie von den Opern eines einzigen Dichterkomponisten inspiriert ist: Richard Wagner. Der war für den Monarchen weit mehr als ein wertgeschätzter Künstler. Er war Ludwigs Protegé, sein Vertrauter und Berater, einer seiner engsten und langjährigsten Weggefährten. Ein Freund – in gewisser Weise. Aber auch entscheidend verantwortlich für Ludwigs tragisches Schicksal. Für Richard Wagner hingegen? War der König nichts weniger als seine Rettung…

 

MUSIKAKZENT

Delirien. Walzer, op.212, Wiener PhO; Mehta, Gustav Mahler, 0:30 Min

 

ERZÄHLERIN

Wien, im Frühjahr 1864. Der 50-jährige Richard Wagner steckt in seiner größten Krise. In den Jahren zuvor hat der Komponist viel erreicht. Seine Tondichtungen »Rienzi«, »Der fliegende Holländer«, »Tannhäuser« und »Lohengrin« waren umjubelte Erfolge. Er verkehrt in der Welt der Schönen und Reichen, wird in der Musikwelt geschätzt, ja, sogar verehrt. Seine nächsten Opern werden mit Spannung erwartet: »Tristan und Isolde« und der monumentale »Ring des Nibelungen«, Werke die zu diesem Zeitpunkt nur als Druck existieren. Seit April 1861 laufen in Wien die Probenarbeiten für »Tristan und Isolde«. Doch Sänger und Musiker beißen sich an Wagners anspruchsvollen Harmonien die Zähne aus. Nach 77 Proben stellt die Wiener Oper die Arbeit am »Tristan« ein. Das Werk gilt als unaufführbar. Wagner ist damit nicht nur künstlerisch erledigt, sondern auch finanziell. Der Komponist mit extravagantem Lebensstil hat einen ebenso extravaganten Schuldenberg angehäuft. Ihm droht die Inhaftierung. Fluchtartig verlässt Wagner am 23. März 1864 die Donaumonarchie. Sein Ziel: die Schweiz.

 

MUSIKAKZENT

Sinfonie Nr.5 cis-Moll, RSO Stuttgart; Eschenbach, Richard Wagner, 0:28 Min

ERZÄHLERIN

Auf seiner Reise macht Wagner für zwei Tage in München Station. Es herrscht Ausnahmezustand: König Max II. ist ein paar Tage zuvor gestorben. Doch die Bayern setzen große Hoffnungen in den Thronfolger den erst 18-jährigen Ludwig II. Später, in seiner Autobiographie, wird auch Wagner von seiner Ergriffenheit berichten, als er bei seinem München-Besuch ein Bild des Königs sieht.

In Wagners Aufzeichnungen vom März 1864 ist dergleichen aber nicht zu finden. Stattdessen verfasst er eine humoristische Inschrift für sein Grab. Wenige Tage darauf, mittlerweile im Schweizer Exil, äußert er seine Todessehnsucht in einem Brief an seine Vertrauten Mathilde Maier:

 

ZITATOR WAGNER

Ich fürchte, nun ist’s mit Allem aus. So tief zerstreut und lebensmüde war ich noch nie.

 

ERZÄHLERIN

Und an seinen Komponistenfreund Peter Cornelius schreibt er:

 

ZITATOR WAGNER

Ein gutes, wahrhaft hilfreiches Wunder muß mir jetzt begegnen, sonst ist's aus!

 

ERZÄHLERIN

Als hätte er diese verzweifelten Hilferufe vernommen, entsendet der frischgebackene König Ludwig II. nur zwei Tage später, am 10. April 1864, seinen Kabinettssekretär Franz Seraph Freiherr von Pfistermeister. Er soll den Komponisten nach München holen. Ludwig II. ist zu diesem Zeitpunkt gerade einmal einen Monat im Amt. Doch was wirkt wie die Impulshandlung, eines unerfahrenen Monarchen, ein spontaner Einfall aus einer Laune heraus, ist das genaue Gegenteil…

 

MUSIKAKZENT

Vorspiel, 1. Aufzug, aus: Lohengrin, WWV 75, Münchner Philharmoniker; Susanna Mälkki, Richard Wagner, 2:24 Min)

 

ERZÄHLERIN

Ludwigs Liebe zum Theater ist tief ihn ihm verwurzelt. Marcus Spangenberg, Kunsthistoriker und Biograph von Ludwig II, findet erste Nachweise in dessen Kindheit:

 

ERZÄHLERIN

Vielleicht braucht es das auch gar nicht, wenn man – wie Ludwig – in einer Welt aufwächst, die selbst Theaterkulissen gleicht. Zum Beispiel Schloss Hohenschwangau, wo der Kronprinz in seiner Kindheit viel Zeit verbringt.

ERZÄHLERIN

Ein Schwanenritter – wie die Figur des Lohengrin. Bilder, die zum Leben erwachen, als der kleine Ludwig sich in Stücktexte und Libretti hineinversenkt. Und er begeistert sich für die Theorie: Schon als Zwölfjähriger verschlingt der belesene Kronprinz Wagners sperrige Abhandlungen »Das Kunstwerk der Zukunft«, »Die Kunst und die Revolution« und »Oper und Drama«. In die Oper darf er da noch nicht – das verbietet ihm sein Vater. Ludwig muss sich noch drei Jahre gedulden, bis er gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Großvater den »Lohengrin« erleben darf.

ERZÄHLERIN

Je vier Aufführungen des »Lohengrin« und des »Tannhäuser« besucht Ludwig bis zu seiner Krönung. 1863 erscheint die Textausgabe des »Ring des Nibelungen«, die Ludwig besonders fesselt. Im Vorwort ruft Wagner nach einem Mäzen, der das Monumentalwerk sponsern würde:

 

ZITATOR WAGNER

Wird dieser Fürst sich finden? […] Ich hoffe nicht mehr, die Aufführung meines Bühnenfestspieles zu erleben: darf ich ja kaum hoffen, noch Muße und Luft zur Vollendung der musikalischen Komposition zu finden.

 

ERZÄHLERIN

Ludwig fühlt sich offenkundig angesprochen. Ende 1863 beschließt er, sich mit dem Komponisten in Verbindung zu setzen. Und ein Vierteljahr später, als König, setzt er den Plan endlich in die Tat um: Er entsendet seinen Kabinettssekretär Franz Seraph von Pfistermeister.

 

MUSIKAKZENT

Vorspiel 3.Akt aus: Lohengrin, WWV 75, Wiener PhO; Welser-Möst, Richard Wagner, 1:24 Min)

 

ERZÄHLERIN

Die Suche nach dem aus Wien geflohenen Wagner erweist sich als kleine Odyssee. In Wien erfährt Pfistermeister, dass der Komponist in die Schweiz aufgebrochen ist. Er reist ihm hinterher, doch verpasst er ihn auch dort: Der Meister ist kurz vorher nach Stuttgart weitergezogen. Doch Pfistermeister gibt nicht auf. Jahre später beschreibt Wagner in seiner Autobiographie, wie er am 2. Mai spätabends von einem unangekündigten Besucher überrascht wurde.

 

ZITATOR WAGNER

Sehr unangenehm davon überrascht, daß mein Aufenthalt in Stuttgart schon Durchreisenden bekannt wäre, ließ ich hinaussagen, ich sei nicht anwesend, worauf ich mich alsbald in meinen Gasthof zurückzog, um hier wiederum von dem Wirthe desselben davon benachrichtigt zu werden, dass ein Herr aus München mich dringend zu sprechen wünsche, welchen ich nun für den anderen Morgen um zehn Uhr beschied. Stets auf Übles mich vorbereitend, verbrachte ich eine unruhige Nacht, nach welcher ich andren Tags Herrn Pfistermeister, Kabinetts-Sekretär S.M. [Seiner Majestät] des Königs von Bayern, in meinem Zimmer empfing.

 

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