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Urlaub am Mittelmeer - Wird der Klima-Hotspot zum Albtraum?


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Das Mittelmeer lockt jedes Jahr Millionen Touristen an, die dort die schönste Zeit des Jahres - ihren Urlaub - verbringen wollen. Doch für manche wird die erhoffte Erholung zum Albtraum. Von Roana Brogsitter

Credits
Autorin dieser Folge: Roana Brogsitter
Regie: Irene Schuck
Es sprach: Berenike Beschle
Technik: Wolfgang Lösch
Redaktion: Iska Schreglmann

Im Interview:
Prof. Marianela Fader, Lehrstuhl für Physische Geographie und Nexus-Forschung der LMU München
Dr. Peter Hoffmann, Arbeitsgruppe Hydroklimatische Risiken Potsdam Institut für Klimafolgenforschung
Prof. Markus Pillmayer, Fakultät für Tourismus Hochschule München

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Linktipps:

Internetseite der Gesprächspartnerin Prof. Dr. Marianela Fader  HIER

Internetseite des Gesrpächspartners Dr. Peter Hoffmann   HIER

Internetseite des Gesprächspartners Prof. Dr. Markus Pillmayer   HIER

Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an [email protected].

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

1 a/b/c ZUSPIELUNG COLLAGE 1 [379296/ W0694175Z00/ 372352]

Sie wollten einfach nur ein paar Tage die Sonne genießen, die Urlauber auf der griechischen Insel Rhodos, jetzt müssen sie wegen Waldbränden in Notunterkünften schlafen oder am Flughafen warten. / Vier Tage nach den Überschwemmungen in Spanien schwindet die Hoffnung, vermisste Menschen noch lebend zu finden. / Unwetter in Griechenland. Der Wirbelsturm Ianos und ein weiteres Sturmtief haben zwei Menschen das Leben gekostet, Häuser wurden beschädigt, Straßen überschwemmt, vielerorts fiel der Strom aus. 

MUSIK

SPRECHERIN

Das Mittelmeer, „Mare Nostrum“, wie die Römer es liebevoll nannten, ist ein Sehnsuchtsort. Um die 300 Millionen Menschen verbringen jedes Jahr ihre Ferien an seinen Küsten. 

2 ZUSPIELUNG PILLMAYER

Sie haben ein unglaublich diversifiziertes Angebot auf engstem Raum, also was Kultur anbelangt, was Veranstaltungen anbelangt. Sie haben eine reiche Geschichte. Also Ihnen wird es nicht langweilig und in Verbindung mit relativ stabilen Wetterverhältnissen und auch gut erreichbar, ist es nachvollziehbar. 

SPRECHERIN

Der europäische Mittelmeerraum, insbesondere Spanien, Italien, Griechenland und die Türkei, zählt zu den Top-Urlaubsdestinationen weltweit, sagt der Tourismus- und Destinationsforscher Prof. Markus Pillmayer von der Hochschule München. Warme Sommer, milde Winter, malerische Küsten, Traumstrände, eine reiche Kultur, große kulinarische Vielfalt, beeindruckende Natur, gut ausgebaute Infrastruktur, ausgeprägte Gastfreundschaft, all das macht sie so attraktiv. 

MUSIK

3 a/b ZUSPIELUNG COLLAGE 2 

Wir sagen, diese Hitze ist nichts für uns, wir sind jetzt nicht welche, die schon bei 20 Grad das Stöhnen anfangen, wirklich nicht, aber bei über 40 Grad ist es einfach nicht mehr lustig / Wenn der Wind gedreht hat, war Ascheregen und ab da war kein Urlaub mehr, eigentlich nur noch Angst, was passiert jetzt.

MUSIK

SPRECHERIN

Doch das Urlaubsparadies hat sich für manche in einen Albtraum verwandelt. Hitze, Dürre, Waldbrände, Starkregen, Überschwemmungen, Küstenerosion und Quallenplagen trüben immer öfter die Urlaubsstimmung. Der Mittelmeerraum ist ein Hotspot des Klimawandels, er erhitzt sich schneller als der globale Durchschnitt.

4 ZUSPIELUNG FADER

Das heißt, wenn wir über zwei Grad globale Erwärmung sprechen, sprechen wir immer über mehr Grad Erwärmung in Mittelmeerregionen, je nachdem wo, ob das Algerien oder Frankreich ist, sind das 3, 4 usw.

SPRECHERIN

Die Argentinierin Marianela Fader ist Professorin für Physische Geographie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität und hat sich dem internationalen Netzwerk MedECC angeschlossen, das Daten und Informationen zu Klimawandel und Umweltdegradierung, also Beeinträchtigungen der Umwelt, im Mittelmeerraum zusammenträgt. Ein Grund, warum sich dieser stärker aufheizt als der globale Durchschnitt, ist seine geographische Lage. Das Mittelmeer ist von riesigen Landmassen umgeben, die Wärme speichern. Gleichzeitig heizt sich das relativ kleine Binnenmeer schneller auf als ein riesiger Ozean. Die dichte Bebauung verstärkt den Wärmeinsel-Effekt zusätzlich. Aber es gibt durch den globalen Klimawandel auch Veränderungen der Atmosphärenzirkulation, sagt der Klimaresilienzforscher am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, Dr. Peter Hoffmann:

5 ZUSPIELUNG HOFFMANN

Die Hochdruckwetterlagen über der Sahara verlagern sich im Sommer weiter nach Norden und damit eben auch diese andauernden Hitzeperioden,

SPRECHERIN

Der Mittelmeerraum ist eine Grenzregion zwischen den Subtropen und gemäßigten Breiten, erklärt Marianela Fader.

6 ZUSPIELUNG FADER

Eine globale Erwärmung kann diese nach Norden verschieben. Und das heißt, wenn diese Grenzregionen verschoben werden, geschehen relativ starke, schnelle Veränderungen.

SPRECHERIN

Verstärkt werden sie zusätzlich durch Umweltverschmutzung- und -degradierung, wie zum Beispiel Abholzung, intensive Landwirtschaft, Überfischung. Dass der Klimawandel die Mittelmeerregion besonders trifft, bestätigen Klimasimulationen mit verschiedenen Modellen. Während diese für andere Weltregionen zum Teil zu unterschiedlichen Prognosen kommen, sind die Ergebnisse für den Mittelmeerraum sehr übereinstimmend, sagt Marialena Fader: 

7 ZUSPIELUNG FADER

Das heißt, dass die Gefahren, die davon abgeleitet werden aus diesen Projektionen, ziemlich robust sind. 

MUSIK

8 ZUSPIELUNG URLAUBER

Wir haben 2021 einen Teil der Elternzeit in Südgriechenland verbracht, in unserem Haus da und da hatte es über Tage Temperaturen von teilweise über 47 Grad, es hat auch nachts nicht mehr abgekühlt, wir haben dann angefangen uns Sorgen zu machen um unsere kleine Tochter und deswegen hat es dann zu der etwas grotesken Situation geführt, dass wir im Ort selbst ein Hotel bezogen haben, das eine Klimaanlage hatte.

MUSIK

SPRECHERIN

In den letzten Jahren gibt es ständig neue Temperaturrekorde: 48,8 Grad im sizilianischen Syrakus, 47,6 im spanischen Córdoba, 45,9 im französischen Gallargues-le-Montueux. Die Maximaltemperaturen eines Jahres im langjährigen Mittel liegen in Südeuropa bereits bei 38 Grad, sagt Peter Hoffmann.

9 ZUSPIELUNG HOFFMANN

Das ist so eine generelle Tendenz, dass sich diese Tage mit extremer Hitze, dass die sich in den letzten Jahrzehnten verdoppelt haben, vergleicht man es mit Bedingungen in den 60er bis 80er Jahren. Und diese Entwicklung, wenn man sie für die Mitte des Jahrhunderts fortsetzt, kommt noch mal eine Verdopplung dazu. Und das heißt, wenn man es vergleicht mit den 80er Jahren, wäre das schon eine Vervierfachung der Anzahltage über 30 oder 35 Grad. 

SPRECHERIN

Studien belegen, dass Wetterlagen durch den Klimawandel zudem beständiger werden. Das heißt, sie dauern auch länger. Was folgt daraus? 

10 ZUSPIELUNG HOFFMANN

Hitzewellen sind natürlich immer verbunden auch mit gewissen Trockenheitsbedingungen, Trockenstress und diese Entwicklung führt natürlich auf Dauer, wenn sich diese Bedingungen wiederkehrend häufiger etablieren, zu lang anhaltenden Trockenheiten, die bis hin zu erhöhtem Waldbrandrisiko führen.

SPRECHERIN

An der Jahressumme des Niederschlages könne man sehen, dass die ohnehin schon trockenen Sommer in den letzten Jahrzehnten noch trockener geworden sind, sagt Peter Hoffmann vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. 

MUSIK

11 ZUSPIELUNG URLAUBER [379385]

Die Leute sind übers Meer mit Schiffen evakuiert worden, aber auch mit Bussen und dann hieß es irgendwann einfach, dass die Busse nicht mehr fahren können wegen dem Feuer, und die Leute sind sehr panisch geworden am Strand und haben sich gegenseitig geschubst und wollten halt alle auf diese Boote drauf.

MUSIK

12 ZUSPIELUNG HOFFMANN

Die Trockenbedingungen sind die Basis dafür, dass sich genau dann auch ein Feuer entzünden kann. Das Entzünden des Feuers ist natürlich nicht durch den Klimawandel hervorgerufen. Aber diese Rahmenbedingungen werden durch den Klimawandel beschleunigt.

SPRECHERIN

Wald- und Buschbrände werden im Mittelmeerraum zu einem immer größeren Problem. 2022 verbrannte zum Beispiel in Spanien eine Fläche von 300.000 Hektar, das entspricht rund 430.000 Fußballfeldern. Jedes Jahr kommen Menschen in den Flammen ums Leben oder nehmen durch den Rauch gesundheitlich Schaden. Meist treten die Brände zeitgleich an mehreren, oft schwer erreichbaren Orten auf. Das macht sie zu einer der größten Herausforderungen, sagt Marianela Fader: 

13 ZUSPIELUNG FADER

Mit Waldbränden klarzukommen hat nicht unbedingt mit den finanziellen Mitteln zu tun. Die sind einfach schwer wieder unter Kontrolle zu bekommen.

MUSIK

14 ZUSPIELUNG SPANIER [W0695197Z00]

Die Flut riss Autos mit und schob sie so ineinander, dass sie Häuser eindrückten – unvorstellbar. Nicht einmal in Horrorfilmen habe ich etwas gesehen wie das.

MUSIK

SPRECHERIN

Trotz der zunehmenden Trockenheit im Sommer haben sich die Jahresniederschlagsmengen im europäischen Mittelmeerraum nicht wesentlich verändert, sagt der Klimaresilienz-Forscher Peter Hoffmann - sehr wohl aber die Niederschlagsmuster. Immer öfter kommt es zu Starkregenereignissen. Grund ist,

15 ZUSPIELUNG HOFFMANN

dass sehr kühle Luftmassen in der Höhe weit nach Süden vordringen. Die treffen auf noch zu warmes Mittelmeer und das ist natürlich dann ein Potenzial für mehr intensive Regenmengen und zum anderen kommt dazu die zunehmende Beharrlichkeit von Wetterlagen, die quasi Regengebiete über Tage über der gleichen Region abregnen. 

SPRECHERIN

Mit jedem Grad Erwärmung kann die Atmosphäre sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen. Je höher die Temperatur in Bodennähe, umso mehr Wasserdampf und damit Energie landet in der Atmosphäre. Bei einem Tief werden die Wolken dann wie ein Schwamm ausgewrungen. Ein Beispiel ist die Flutkatastrophe in der Region Valencia Ende Oktober 2024. Innerhalb weniger Stunden kam stellenweise mehr als die Regenmenge eines Jahres herunter. Über 230 Menschen starben, 156 Quadratkilometer Land wurden geflutet, 60.000 Wohnungen und 115.000 Autos zerstört. Dass es zu Katastrophen wie dieser kommen kann, liegt auch an der starken Flächenversiegelung der Mittelmeerküste. Vielerorts fehlen funktionierende Drainagesysteme, die das Wasser umleiten und verteilen, kritisiert die Professorin für Physische Geographie von der LMU München, Marianela Fader.

16 ZUSPIELUNG FADER  

Man muss für Überflutungen immer in Wassereinzugsgebieten denken. Die höheren Lagen, wenn die mal Wald waren und jetzt kein Wald mehr sind, dann kommt der Regen und landet in der Stadt wieder. 

MUSIK

17 ZUSPIELUNG URLAUBERIN

Die Strände waren gesperrt, weil durch die Flut aller mögliche Unrat, aber auch viel Schilf an die Strände gespült wurden und man wochenlang die Strände nicht betreten durfte. 

MUSIK

SPRECHERIN

Die Forscherinnen und Forscher des Expertennetzwerks MedECC warnen, dass die gesamte Mittelmeerküste zu den am stärksten durch Überschwemmungen bedrohten Regionen weltweit gehört. Sie bekommen nicht nur punktuell stärkere Niederschläge, die Gefahr steigt auch von Meerseite her - durch Sturmfluten. Dass diese oft so verheerende Auswirkungen haben, hat auch mit dem steigenden Meeresspiegel zu tun. Zur Eisschmelze in den Polarregionen, die global die Meeresspiegel hebt, kommt hier noch ein physikalischer Effekt hinzu: Warmes Wasser dehnt sich aus. Der Spiegel des Mittelmeers ist bereits um 20 Zentimeter gestiegen, Prognosen zufolge kann es bis Ende des Jahrhunderts mehr als ein Meter sein. 

18 ZUSPIELUNG FADER

Und das würde heißen, dass viele Flächen, die sogenannten low-lying costal areas, wären halt weg, weg. Das sind Städte teilweise, die Strandpromenaden, manche Hotels, die ganz nah am Wasser gebaut sind, aber auch Wohngebiete, die dann ein Problem bekommen.

SPRECHERIN

Die Erosion von Stränden ist laut Marianela Fader ein riesiges Problem. Breite Sandstrände schützen Straßen, Häuser, Landwirtschaft und Industrie vor Überflutung, doch der steigende Meeresspiegel und die Sturmfluten nagen an ihnen. Überall am Mittelmeer verschwinden Jahr für Jahr mehrere Meter feiner Sandstrand. Griechische Forscher rechnen damit, dass allein in Griechenland in den nächsten Jahren rund 300 Strände verschwunden sein werden. Aber das ist noch längst nicht alles: Der Klimawandel begünstigt auch Mittelmeer-Hurricanes. Die sogenannten Medicanes sind zwar deutlich kleiner als Hurricanes, aber auch sie haben es in sich. Medicane Daniel kostete im September 2023 in Griechenland und Bulgarien über 20 Menschen das Leben und verwüstete die Provinz Thessalien. In Libyen starben nach dem Bruch zweier Staudämme, mehr als 11.000 Menschen. 

19 ZUSPIELUNG HOFFMANN

Die klimatische Entwicklung der Meeresoberflächentemperaturen und der veränderten großräumigen Wettermuster begünstigen die Zunahme solcher Ereignisse.

SPRECHERIN

erklärt Peter Hoffmann vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Als sich Medicane Daniel über dem östlichen Mittelmeer zusammenbraute, herrschten dort Oberflächentemperaturen von 28 Grad. Zwei Grad mehr als im Durchschnitt. Wenn dann ein Tief für große Temperaturunterschiede zwischen Atmosphäre und Wasser sorgt, findet ein Medicane beste Bedingungen. Derzeit braut sich ein- bis dreimal pro Jahr ein Medicane zusammen. Mit steigenden Temperaturen könnten sie öfter auftreten und stärker werden. Laut Daten des Klimawandeldienstes der Europäischen Union Copernicus hat sich das Mittelmeer bereits im Schnitt um 1,2 Grad erwärmt. Das hat auch Auswirkungen auf das Leben im Wasser. Wenn die Gleichgewichte durcheinandergebracht werden, sagt Marianela Fader, gibt es immer auch hässliche Konsequenzen. Tropische Arten wie der Feuerfisch verdrängen einheimische wie die Meerbrasse. Algenwälder, Seegraswiesen und Muscheln bekommen Hitzestress. Korallen bleichen. 

20 ZUSPIELUNG FADER

Die Schnelligkeit der Erwärmung ist fundamental. Nicht jede Art wird sich an die neuen Bedingungen anpassen können. Und deswegen gehen wir stark davon aus, dass manche Arten einfach verschwinden. 

MUSIK

21 ZUSPIELUNG URLAUBERIN 2

Bei der Planung haben wir nicht bedacht, dass es im August dort eine Irrsinnshitze hatte, es waren über 43 Grad, man war wie eine tote Fliege, man war am liebsten im klimatisierten Hotel, was aber eigentlich net des ist, was wir unter einem schönen Urlaub verstehen.

MUSIK

SPRECHERIN

Hitze bedeutet für den menschlichen Körper Schwerstarbeit und belastet das Herz-Kreislaufsystem, besonders bei Senioren und Kleinkindern. In Griechenland starben allein im Juni 2024 hitzebedingt sechs Wanderer. 

22 ZUSPIELUNG HOFFMANN

Wer Hitze mag, soll im Sommer in das Mittelmeer reisen. Wenn es nur darum geht, Badeurlaub zu genießen, dann ist es durchaus immer noch attraktiv. Wer allerdings etwas aktiver unterwegs sein will, der sollte dann im Prinzip eher auf die anderen Jahreszeiten ausweichen. 

SPRECHERIN

Rät deshalb der Klimaresilienz-Forscher Peter Hoffmann. Die Temperaturen sind im Frühjahr und Herbst mit Sicherheit angenehmer, aber das ist keine Garantie, dass es Wasser gibt. 2024 erlebte Spanien eine der schlimmsten Dürren in seiner Geschichte. Bereits Anfang Februar rief die Region Katalonien den Wassernotstand aus, kurze Zeit später auch Malaga. Wasser wurde reglementiert:

23 ZUSPIELUNG PILLMAYER

Was überwiegend gemacht wird, ist, dass einfach die Pools leer bleiben oder auch Wasser für Duschen rationiert wird. 

SPRECHERIN

Erzählt der Tourismusforscher Prof. Markus Pillmayer von der Hochschule München. Hotels, Pools, Parks, Golfplätze. Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, konkurrieren Landwirtschaft und andere ökonomische Bereiche mit Urlaubern um Wasser. Auch in Frankreich, Italien, Griechenland führt das immer wieder zu Rationierungen. Für Urlauber relevant ist noch ein anderer Aspekt: Wassermangel verändert Landschaften. Verbrannte Wiesen, staubige Böden, verkohlte Bäume beeinträchtigen die Attraktivität einer Region. 

MUSIK

24 ZUSPIELUNG NACHRICHTEN 

Auch morgen und am Mittwoch wird es Sonderflüge nach Rhodos geben, um gestrandete Urlauber zurückzufliegen. Die Reiseveranstalter setzen nach Angaben ihres Branchenverbands gecharterte Flugzeuge ein. 

MUSIK

SPRECHERIN

Im Sommer 2023 mussten wegen der Waldbrände allein aus Rhodos 20.000 deutsche Touristen evakuiert werden. Glück, wer über einen Reiseveranstalter gebucht hatte. Allein das Touristikunternehmen TUI gab für die Evakuierung von Rhodos 20 Millionen Euro aus, erzählt Markus Pillmayer. 

25 ZUSPIELUNG PILLMAYER 

Die großen Reiseveranstalter haben natürlich Krisenmanagementpläne oder auch Evakuierungspläne. Bei kleinen und mittelständischen ist es eher die Ausnahme. Aber selbst wenn sie sie haben, heißt es ja noch lange nicht, dass vor Ort auch entsprechende Pläne existieren. 

SPRECHERIN

Für viele wurde der Urlaub zum Horrortrip. Menschen warteten am Fähr- und Flughafen von Rhodos zum Teil mehrere Tage auf einen Platz auf einem Schiff oder in einem Flugzeug. Seit dem Sommer 23 rät Markus Pillmayer, Buchungen nicht blauäugig durchzuführen, sondern sich vorher darüber zu informieren, wie schnell man sich im Notfall in Sicherheit bringen kann. Diese Art von Vorsorge sollten Urlauber allerdings nicht nur bei Waldbränden, sondern auch Extremwetterereignisse wie Starkregen betreiben.

26 ZUSPIELUNG FADER

Die Touristengebiete liegen in Überschwemmungsgebieten, weil der Tourismus sich in Küstenregionen konzentriert. Und von daher würde ich die Aussage wagen, dass die Mehrheit der Touristenregionen von Überflutungen betroffen sind.

SPRECHERIN

Stürme und Überschwemmungen bedrohen nicht nur Leib und Leben und rauben Hab und Gut, sie beschädigen auch wichtige Infrastruktur, machen Straßen unpassierbar und zerstören Strände, sagt Marianela Fader, die zu den Auswirkungen des Klimawandels im Mittelmeerraum forscht. Auch das kann einen Urlaub empfindlich beeinträchtigen. 

27 ZUSPIELUNG FADER

Als Tourist muss man tatsächlich damit rechnen, dass vielleicht der Lieblingsstrand nicht mehr da ist. Oder, dass dadurch, dass die Fläche verringert wird, man noch enger beieinander liegt und damit ein bisschen der Komfort und das Entspannungsgefühl schlechter wird.

SPRECHERIN

Das Entspannungsgefühl können auch Mücken erheblich beeinträchtigen. Was viele nicht wissen, sagt Marianela Fader, ist, dass Mücken durch die Klimaerwärmung mittlerweile auch im Mittelmeerraum vereinzelt Krankheiten wie das West-Nil-Virus oder Dengue-Fieber übertragen, die man nur aus den Tropen kennt. Vielfältige negative Konsequenzen hat auch der Anstieg der Meerestemperaturen.  

28 ZUSPIELUNG FADER

Quallen werden vermehrt, Algen werden vermehrt, die Wasserqualität wird häufig verschlechtert und damit ist es vielleicht für die Touristen nicht so attraktiv.

SPRECHERIN

Im Sommer 24 mussten wegen der mit Handelsschiffen aus Japan eingeschleppten wärmeliebenden Giftalge Ostreopsis Ovata mitten in der Hauptsaison einige Strandabschnitte an der Adria gesperrt werden. Weiter nördlich schlugen schleimige Algenteppiche Urlauber in die Flucht. Und in der Lagune von Orbetello in der Toscana kam es bei Rekordwassertemperaturen von 35 Grad zu einem Massensterben mit 200 Tonnen Fischkadavern. Die hohen Wassertemperaturen haben auch Auswirkungen auf die Speisekarten. Statt der bei Urlaubern sehr beliebten Spaghetti Vongole gibt es immer öfter Spaghetti mit „Granchio Blu“. Die eingewanderte Blaukrabbe, die warme Temperaturen liebt, ernährt sich von Muscheln und ist zu einer Plage geworden. Marianela Fader ist überzeugt davon, dass der Wassermangel im Mittelmeerraum bald auch zu Engpässen bei der Produktion von Obst und Gemüse führen wird und damit zu deutlichen Preissteigerungen.  

MUSIK

SPRECHERIN

Urlaub ist ein hochemotionales Thema. Es reicht schon, wenn Quallen das Bad im Meer unmöglich machen und der Pool kein Wasser hat. Am Ende bleiben die Touristen weg. Italien reagierte 2023 nicht umsonst sehr verschnupft auf einen Tweet des ehemaligen deutschen Gesundheitsministers Karl Lauterbach, der die Hitze in der Toskana als „spektakulär“ beschrieb und warnte „Wenn es so weiter geht, werden diese Urlaubsziele langfristig keine Zukunft haben.“ Eine Möglichkeit der betroffenen Länder ist die Schadensbegrenzung, um Urlaubern ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Da ist Kreativität gefragt, sagt Markus Pillmayer. 

29 ZUSPIELUNG PILLMAYER 

Welche Rolle zum Beispiel Museen oder auch Kirchen und Kapellen oder auch andere Gebäude spielen können, um sich abzukühlen, sprich eine völlig neue Funktion erreichen.

SPRECHERIN

Das andere sind langfristige Maßnahmen. Denn worüber viel zu wenig gesprochen werde, kritisiert der Tourismusforscher von der Hochschule München, ist, dass Tourismus ein wesentlicher Mitverursacher des Klimawandels ist:

30 ZUSPIELUNG PILLMAYER

In etwa acht bis zehn Prozent, eher Tendenz steigend, der globalen CO2-Emissionen sind auf den internationalen Tourismus zurückzuführen.

SPRECHERIN

Das Problembewusstsein auf Seiten von Reiseveranstaltern, Hotels, Airlines und Tourismuseinrichtungen ist seiner Einschätzung nach noch sehr gering. Alle würden immer erst dann reagieren, wenn ein entsprechendes Ereignis eingetreten ist. 

31 ZUSPIELUNG PILLMAYER 

Da fehlt es an vielen Stellen noch am notwendigen Bewusstsein, dass hier über alle Länder hinweg gemeinschaftlich Initiativen ergriffen werden. Im Moment ist es eher so, dass viele Länder oder Regionen, einzelne Städte versuchen, Einzelmaßnahmen aufzusetzen, wenn überhaupt und es auch nicht für alle Reiseveranstalter selbstverständlich ist, sich mit dem aktuellen bestehenden Geschäftsmodell auseinanderzusetzen, um sich am Ende des Tages die Frage zu stellen, wenn sich der Mittelmeerraum verändert, was Fakt ist, kann ich dann mein Geschäft in dieser Form noch aufrechterhalten?

SPRECHERIN

Es gäbe viele Möglichkeiten, den Wasser- und Energieverbrauch zu reduzieren. Wiederaufforstungsmaßnahmen mit feuerresistenteren Arten, Rückbau von Versiegelung, Renaturierung, umweltfreundliche Entsalzungsanlagen, sind nur ein paar von vielen Möglichkeiten, zu handeln. Griechenland macht bereits vor, wie sich derartige Maßnahmen finanzieren ließen. Seit Anfang 2024 erhebt das Land von Touristen eine Klimaabgabe. Urlauber können aber nicht nur durch Geld, sondern vor allem durch eigenes Verhalten dem Klimawandel entgegenwirken. Am Ende würde das vor allem denjenigen helfen, die tagtäglich mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert sind: den Menschen, die am Mittelmeer leben. 


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