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Weniger Regulierung, weniger Bürokratie, einen schlanken Staat – das fordern viele Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik. Die Sorge geht um, dass ein hohes Maß an Regulativen wirtschaftliches Wachstum bremst und Innovation verhindert. Doch ist diese Sorge berechtigt?
Aktuelle Zahlen scheinen den Zusammenhang zwischen überbordenden Regelwerken und innovationsfeindlicher Überlastung von Unternehmen zu bestätigen. Laut einer Hochrechnung der Wirtschaftsforscher von Economica erreichen Bürokratiekosten für Industrie und Wirtschaft in Österreich eine Größenordnung von 10 bis 15 Milliarden Euro, was rund 3,8 Prozent des BIP entspricht. Österreichs Unternehmen geben der Studie zufolge im Durchschnitt 2,5 Prozent ihrer Umsatzerlöse für die Einhaltung bürokratischer Vorschriften aus. Wirtschaftsverbände schlussfolgern, dass genau diese Mittel für Investitionen und Innovationen fehlen. In einer jüngsten Investitionsumfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB) nennen 61 Prozent der EU-Unternehmen den Bereich „Unternehmensregulierung“ als stärkstes Investitionshindernis. In Österreich sind es sogar 71 Prozent.
„America innovates, Europe regulates“
In die Kritik geraten ist insbesondere die Europäische Union. Der AI Act, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD, Stichwort Nachhaltigkeitsberichterstattung) stehen beispielhaft für eine vermeintliche Regulierungswut, die ob der bürokratischen Folgewirkungen als Wachstumsbremse angeprangert wird. Der Sinnspruch „America innovates, Europe regulates“ nimmt darauf Bezug, dass Europa auf diesem Weg im Weltgefüge an wirtschaftlicher Macht verliert.
Im „Presse“-Podcast wirbt Stefan Haas, CEO des TÜV Austria, für einen differenzierteren, „unaufgeregten Blick aus größerer Flughöhe“ auf die Thematik. Regulative per se seien grundsätzlich eine Notwendigkeit, um neue Technologien bei deren wirtschaftlicher Nutzbarmachung zu begleiten und sie zum Wohle der Gesellschaft sicher verfügbar zu machen. Damit Regulierung nicht zur Überregulierung mutiert, gilt es laut Haas, vor allem bei der praktikablen Umsetzung nachzubessern und – aus Sicht des staatlichen Gesetzgebers – bei der Anwendbarkeit von Regeln bis zum Ende zu denken, mit Fokus auf die Wirksamkeit. Gelingt dies, findet Innovation auch in Europa weiterhin statt und Regulierungswerke werden von „Verhinderungsakten zu Ermöglichungsakten“.
„Nachgefragt: Viertel vor Haas“ ist eine vierteljährliche Podcast-Reihe mit Christian Lenoble („Die Presse“) im Gespräch mit TÜV-AUSTRIA-CEO Stefan Haas. Alle Folgen:
Viertel vor Haas #1 Nachhaltigkeit
Viertel vor Haas #2 Künstliche Intelligenz
Viertel vor Haas #3 Cybersecurity
Viertel vor Haas #4 E-Mobility
Viertel vor Haas #6 Innovationen
Viertel vor Haas #7 Optimismus
Vierte vor Haas #8 Faktencheck
tuvaustria.com/viertelvorhaas
Zur Person: Stefan Haas, geboren 1965 in Wien, studierte Maschinenbau an der Technischen Universität Wien und schloss 1994 das Studium mit dem Doktorat der technischen Wissenschaften mit Auszeichnung ab. Seit dem 1. März 2013 ist der Manager und Wissenschaftler, der für seine Forschungs- und Entwicklungsarbeiten mit nationalen und internationalen Preisen bedacht wurde, Vorsitzender des Vorstands (CEO) der TÜV AUSTRIA Holding AG.