Live vom 13. Tag der Allgemeinmedizin in Hamburg
Wir waren in Hamburg und haben wieder eine Podcast-Episode live mit Publikum aufgezeichnet. Dieses Mal waren wir beim 13. Tag der Allgemeinmedizin, der fand am Samstag, den 8. November am UKE statt. Wir haben gefragt: Ist Patientensteuerung, von der in der Politik derzeit viel gesprochen wird, überhaupt sinnvoll? Und falls ja: Welche brauchen wir? Was sagt uns die Evidenz? Und was bedeutet das für den klinischen Alltag?
**Spoiler: **Patientensteuerung – oder sprechen wir besser von Koordination – einfach mal so, wird wenig heilen, wenn nicht gleichzeitig andere Probleme und Fehlanreize beseitigt werden.
Plus für alle hier: die Zusammenfassung unseres Gesprächs, unten auf besonderen Wunsch ein paar Ergebnisse aus den HZV-Evaluationen und natürlich die Literatur: https://www.evidenzupdate.de/p/patientensteuerung-sinnvoll-furs
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[email protected]Noch bevor wir uns mit harter (oder weniger harter) Evidenz beschäftigt haben, tauchte Josef Hecken auf, der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), in Erinnerung an seinen legendären „Mittelfinger“-Moment. Ein „Fingerzeig“, um die Frage aufzuwerfen: Was bringt Patientensteuerung eigentlich wirklich? Geld sparen, wie manche glauben? Oder Ordnung ins System bringen, wie andere hoffen?
So wie Josef Hecken im Gesundheitsministerium nachfragte, wie man mit einem Primärarztsystem in den kommenden Jahren zwei Milliarden Euro einsparen könne („Seid Ihr besoffen, wo kommt denn diese Zahl her?“), sind wir uns einig: Wenn Steuerung nur der Sparlogik folgt, wird’s ein teurer Irrtum.
In der Literatur zur Patientensteuerung haben wir eine kleine Auswahl systematischer Reviews und Meta-Analysen gefunden, von Patientennavigation über Community-Based Healthcare bis zu Gatekeeping-Systemen.
Die Quintessenz: Es gibt viele Hinweise, aber wenig harte Beweise. Die Effekte sind mal „low“, mal „ambivalent“. Aber: „Evidenz ist kein Flutlicht, sondern eine Taschenlampe.“
Die Diskussion im Publikum zeigt, wie sehr Praxis und Politik ineinandergreifen.
Bürokratieabbau? Alle wünschen ihn, aber niemand hat ihn je erlebt.Zeit für Gespräche? Nur, wenn irgendwo anders entlastet wird.Digitale Tools? Nur dann hilfreich, wenn sie nicht wieder neue Faxe erzeugen.Digitale Ersteinschätzung? Kann man wiederum mittels KI austricksen.Iris Schluckebier, MFA und Expertin für Praxis- und Qualitätsmanagement, bringt es auf den Punkt: „Wir brauchen keine drei ostdeutschen Frauen, die sich betrinken und das Gesundheitssystem neu erfinden – wir brauchen Praxisteams, denen man zuhört.“
Und was passiert zum Beispiel, wenn KI-Tools oder auch etablierte Verfahren wie SmED bald regelmäßig der erste Patientenkontakt sind? Hilft das, oder schafft es neue Barrieren – vor allem für die, die ohnehin schon abgehängt sind?
Einige Ärzt:innen und MFAs im Saal warnen, andere sehen Chancen. In jedem Fall aber: Digitale Systeme können unterstützen, aber nicht das Denken ersetzen.
Am Ende steht keine Lösung, sondern ein ehrliches Fazit: Patientensteuerung ist kein Sparmodell. Sie kann funktionieren – aber nur, wenn sie als Kooperationsmodell gedacht wird, nicht als Kontrollinstrument.
Die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) zeigt das: Wo sie klug mit der spezialistischen Medizin vernetzt ist, wie in Baden-Württenberg, entstehen weniger Hospitalisierungen, sogar weniger Amputationen bei Diabetiker:innen.
Und noch etwas nehmen wir vom TdA aus Hamburg mit: Wissenschaft und Praxis – das ist kein Gegensatz. Heute haben wir beides in einem Raum gehabt.