Alles Notwendige ist völkerrechtlich geregelt
Vor allem in rechtsextremen Kreisen wird oft behauptet: Da es nach dem Krieg keinen offiziellen Friedensvertrag gab, bestünde das Deutsche Reich in den Grenzen von vor dem Krieg weiter – also mit großen Teilen vom heutigen Polen und Tschechien. Doch das ist nicht so, sagt zum Beispiel der Völkerrechtsexperte Claus Kreß von der Universität Köln.
Einen Friedensvertrag – zwar nicht dem Wort, aber der Sache nach – gibt es, wenn auch mit großem zeitlichem Abstand.
Quelle: Prof. Claus Kreß, Universität Köln
Richtig ist: Am Ende des Zweiten Weltkrieges hat Deutschland zwar kapituliert, aber keinen Friedensvertrag abgeschlossen. Das lag daran, dass es in der Nachkriegszeit zunächst keine deutsche Regierung mehr gab, die einen solchen Vertrag hätte abschließen können.
Zwei deutsche Staaten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
Ab 1949 gab es zwei deutsche Staaten, auch dann war aber noch eine Weile umstritten, ob das deutsche Reich in diesen Staaten (oder wenigstens in der Bundesrepublik) völkerrechtlich gesehen weiterexistiert, ob also die Bundesrepublik überhaupt in der Lage wäre, einen Friedensvertrag für das Deutsche Reich abzuschließen. Im Völkerrecht war man sich dann irgendwann einig: Ja, das würde gehen. Aber dann kam das Problem hinzu: Wenn die Bundesrepublik einen Friedensvertrag geschlossen hätte, hätte die DDR ihn nicht akzeptiert. Die DDR pochte anfangs zwar auch auf einen Friedensvertrag – aber mit zwei deutschen Staaten, was wiederum für die Bundesrepublik nicht akzeptabel war.
Wiedervereinigung und Zwei-plus-vier-Vertrag
Deshalb wurde dieser völkerrechtliche Schlussstrich erst viel später nachgeholt, nämlich nach dem Fall der Mauer, als 1990 beide deutsche Staaten mit den ehemaligen alliierten Siegermächten die Wiedervereinigung im sogenannten Zwei-plus-vier-Vertrag geregelt haben.
Im Zuge der Wiedervereinigung 1990 kam es mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag zu einer Regelung von Fragen, die seit dem Zweiten Weltkrieg noch offen waren. Insbesondere gaben die vier Mächte ihre noch bestehenden Rechte im Hinblick auf Deutschland als Ganzes auf.
Quelle: Prof. Claus Kreß, Universität Köln
Zwei-plus-vier-Vertrag regelt Festlegung der Grenzen
Im Zwei-plus-vier-Vertrag steht alles drin, was in einem Friedensvertrag auch geregelt ist: Insbesondere die Grenzen des jetzt wiedervereinigten Deutschlands. Mit der Festlegung der Grenzen verzichtete das neue Deutschland endgültig auf die ehemaligen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie. Durfte Deutschland das? Claus Kreß sagt ganz klar: ja!
"Zu der Frage, wie es sich mit Grenzveränderungen verhält, sagt das Völkerrecht, dass staatliche Grenzen zwar völkerrechtlich ein hohes Gut und als solches geschützt sind, insbesondere gegen Gewaltanwendung. Aber es gibt dem Grundsatz nach kein völkerrechtliches Verbot für einen Staat, im Rahmen einer friedensvertraglichen Regelung Gebiete, die früher zu ihm gehörten, abzutreten. Völkerrechtlich spricht man bei einer solchen Abtretung von einer Zession. Der entscheidende Punkt ist, dass der Gebietsübergang einvernehmlich geschieht. Dann ist eine solche Gebietsregelung möglich. Einvernehmlich bedeutet: Einvernehmlich zwischen dem das Gebiet abtretenden Staat und demjenigen Staat, zu dem dieses Gebiet nun gehören soll." (Claus Kreß)
Da Polen und Tschechien auch einverstanden waren, war das somit in Ordnung. Insofern: Der Zwei-plus-vier-Vertrag ist kein Friedensvertrag – aber regelt alles Notwendige. Ein weiteres Papier, auf dem fett "Friedensvertrag" steht, in dem aber letztlich nur das Gleiche nochmal steht, ist deshalb nicht nötig.