In Folge 7 sprechen Fritz Simon und Andreas Kollar über soziale Systeme: Was unterscheidet sie von psychischen? Wie entstehen Regeln in Familien, Organisationen oder Gesellschaften? Und warum entstehen aus Lösungen oft neue Probleme? Eine erkenntnistheoretische Rundfahrt durch Rennstrecken, Regelsysteme und Regentänze. Inklusive Abstecher zu experimenteller Gruppendynamik.
Inhalte der Episode
• Was ist ein soziales System?
Kommunikation als Grundoperation: Erwartungen, Zeichenverstehen und die Rolle der Erwartungserwartung.
• Kontext macht Bedeutung
Warum ein Blinker nur im richtigen Kontext verstanden wird – und was das mit Beratung zu tun hat.
• Problemdefinition = Systembildung
Soziale Systeme organisieren sich um Problemdefinitionen (nach Anderson & Goolishian). Je nach Deutung entstehen völlig andere Interventionen.
• Familie als multiproblemdefiniertes System
Von Bedürfnis- zu Beziehungsproblemen – und warum die Lösung manchmal neue Probleme schafft.
• Organisationen als Lösungssysteme
Zahnärzte, Werbeagenturen und die Rüstungsindustrie: Wenn Probleme wegfallen, wird das Lösungssystem selbst zum Problem.
• Polykontextuale Kompetenz
Psychische Gesundheit heißt, sich in verschiedenen Systemen unterschiedlich verhalten zu können. Wer das nicht kann, fällt auf – oder raus.
• Interkulturelle Regelspiele
Von chinesischer Rotzlogik bis zur westlichen Serviettentaktik: Andere Länder, andere Unsitten.
• Beobachten statt Erklären
Statt die Psyche zu analysieren: Spielregeln beobachten. So wird Komplexität handhabbar.
• Außenseitertraining als Feldexperiment
Ausgrenzung inszenieren, um Inklusion zu verstehen. Ein gruppendynamisches Lehrstück in Alpbach.
• Nichtverstehen = Verrücktheit
Wenn Verhalten keine Erklärung hat, wird es pathologisiert. Ein Plädoyer fürs Perspektivwechseln.
Takeaways
• Soziale Systeme entstehen nicht durch Menschen, sondern durch Kommunikation. (Luhmann)
• Problemdefinitionen schaffen Realitäten und damit Strukturen.
• Familien und Organisationen sind Regelgeneratoren.
• Psychische Gesundheit heißt: kontextsensibles Verhalten.
• Beobachten entlastet – besonders in komplexen Mehrpersonensystemen.
Markante Zitate
• „Ein problemdefiniertes System ist oft nichts anderes als eine Lösung mit Folgeproblemen.“
• „Die Erwartungserwartung hält das soziale System am Leben.“
• „Polykontextuale Kompetenz ist ein anderes Wort für psychische Gesundheit.“
• „Wer auffällt, fällt raus, außer er erklärt es gut.“
• „Nichtverstehen ist das Kriterium für Verrücktheit.“
Literatur / Erwähnte Bezugspunkte
Fritz B. Simon (2025): Formen. Zur Kopplung von Psyche, Organismus und sozialen Systemen. Carl-Auer.
Harold Goolishian & Harlene Anderson: Problem-determined systems (u.a. in „The Client is the Expert“)
Raoul Schindler: Grundlagen der Gruppendynamik (diverse Veröffentlichungen)
Paul Watzlawick: Kommunikationstheorie & radikaler Konstruktivismus
_____________
Folgt auch den anderen Podcasts von Carl-Auer:
autobahnuniversität
https://www.carl-auer.de/magazin/autobahnuniversitat
Blackout, Bauchweh und kein` Bock
https://www.carl-auer.de/magazin/blackout-bauchweh-und-kein-bock
Cybernetics of Cybernetics
https://www.carl-auer.de/magazin/cybernetics-of-cybernetics
Genau Geschaut:
https://www.carl-auer.de/magazin/genau-geschaut
Frauen führen besser
https://www.carl-auer.de/magazin/frauen-fuhren-besser
Formen (reloaded) Podcast
https://www.carl-auer.de/magazin/formen-reloaded-podcast
Heidelberger Systemische Interviews
https://www.carl-auer.de/magazin/heidelberger-systemische-interviews
Zum Wachstum inspirieren
https://www.carl-auer.de/magazin/zum-wachstum-inspirieren
Zusammen entscheiden
https://www.carl-auer.de/magazin/zusammen-entscheiden-2