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Ramadan - der heilige Monat des Islam


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Im Ramadan gilt für gläubige Muslime von der Morgendämmerung bis Sonnenuntergang nicht essen, trinken, rauchen und kein Sex. Alte, Kranke oder auch Kinder sind von der Pflicht ausgenommen. Am Ende des heiligen Monats feiern Muslime das Zuckerfest. Von Claudia Steiner (BR 2024)

Credits
Autorin dieser Folge: Claudia Steiner
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Katja Bürkle, Sebastian Fischer
Technik: Daniela Röder
Redaktion: Bernhard Kastner

Im Interview:
Prof. Serdar Kurnaz, Institut für Islamische Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Florian Lützen, Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen,
Familie Duran aus München  

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

 ZITATOR

Der Monat Ramadan ist es, in dem der Koran erstmals als Rechtleitung für die Menschen herabgesandt worden ist, und die einzelnen Koranverse als klare Beweise der Rechtleitung und der Rettung. Wer nun von euch während des Monats anwesend ist, soll in ihm fasten. 

SPRECHERIN

Koran, Sure 2, Vers 185. 

MUSIK (nein) aus!

SPRECHERIN

Der heilige Monat Ramadan ist der einzige Monat, der im Koran namentlich erwähnt wird. Da sich der Monat nach dem Mondkalender richtet, verschiebt sich der Beginn jedes Jahr um mehrere Tage. Der Ramadan erinnert an die Offenbarung der ersten Sure des Korans durch den Erzengel Gabriel an den Propheten Mohammed. 

MUSIK  forni 14c

ZITATOR 

Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes. 

Trag vor im Namen deines Herrn, der erschaffen hat, 

den Menschen aus einem Embryo erschaffen hat!

Trag Worte der Schrift vor! 

Dein höchst edelmütiger Herr ist es ja,

der den Gebrauch des Schreibrohrs gelehrt hat,

den Menschen gelehrt hat, 

was er zuvor nicht wusste.“ 

SPRECHERIN

Koran, Sure 96, Vers 1 bis 5. Die Suren im Koran sind nicht chronologisch geordnet. Der Überlieferung nach erschien Mohammed etwa im Alter von 40 Jahren in einer Höhle auf dem Berg Hira nordöstliche von Mekka auf der Arabischen Halbinsel der Erzengel Gabriel. Der Engel ergriff ihn. Er befahl Mohammed, die Offenbarung vorzutragen. Das geschah nach islamischem Glauben im Jahr 610 - und zwar am 27. Tag des Ramadan. Noch heute gedenken Muslime und Muslimas dieser ersten Offenbarung – im Arabischen heißt sie Lailat al Qadr, ‚Nacht der Bestimmung‘ oder ‚Nacht des Schicksals‘. Wie bedeutend diese Nacht für Muslime ist, geht aus Sure 97, Vers 3 bis 5 hervor: 

ZITATOR 

Die Nacht der Bestimmung ist besser als tausend Monate. Die Engel und der Geist kommen in ihr mit der Erlaubnis ihres Herrn hinab, lauter Logoswesen. Sie ist voller Heil und Segen, bis die Morgenröte sichtbar wird.  

MUSIK aus

SPRECHERIN

Der Ursprung des Begriffs Ramadan ist nicht eindeutig geklärt – es gibt verschiedene Erklärungsansätze. Manche Experten sind zum Beispiel der Ansicht, dass es eine Ableitung von „ramdâ“ ist. So wird der reinigende Regen nach einem heißen Sommer genannt – während des Fastenmonats wird das Herz der Gläubigen gereinigt. Außerdem ist Ramadan auch einer der Namen Allahs. Auch wenn die Herkunft des Begriffs nicht abschließend beantwortet werden kann, bekannt ist, dass es auf der Arabischen Halbinsel schon vor der Verbreitung des Islams üblich war, zu fasten. Im Koran, Sure 2, Vers 183 heißt es: 

MUSIK „until it blazes“

ZITATOR

Ihr Gläubigen! Euch ist vorgeschrieben, zu fasten, so wie es auch denjenigen, die vor euch lebten, vorgeschrieben worden ist. Vielleicht werdet ihr gottesfürchtig sein. 

O-TON 1  

Also wir wissen aus Überlieferungen, dass schon vor der Entstehung des Islams das Fasten auf der Arabischen Halbinsel bekannt war, unter anderem durch die jüdische Tradition oder auch innerhalb der vorislamischen arabischen Stämme war es auch üblich, dass man gefastet hat.

SPRECHERIN

… sagt Serdar Kurnaz. (ADB? Serdar KURNASS) Er ist Professor am Institut für Islamische Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. 

MUSIK „Sem“ 

SPRECHERIN

Weltweit gibt es schätzungsweise mehr als zwei Milliarden Muslime – die meisten leben in Indonesien, Pakistan, Indien und Bangladesch. In Deutschland sind es mehr als fünf Millionen. Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2020 fasten in Deutschland rund 56 Prozent der Muslime mit Migrationshintergrund. Weitere knapp 20 Prozent fasten zumindest teilweise. Das heißt: sie verzichten - wie manche Christen in der Fastenzeit - auf bestimmte Genussmittel oder sie fasten tageweise. 

MUSIK 

SPRECHERIN

Der Ramadan ist der neunte Monat im islamischen Mondkalender. Das Fasten beginnt, wenn die Mondsichel gesichtet wird, heißt es in der Hadith-Sammlung, den Überlieferungen, die dem Propheten Mohammed zugeschrieben werden. Wenn der Himmel bedeckt ist, sollen die Gläubigen den Beginn des Ramadan bestimmen. 

MUSIK „breaker of chains“

SPRECHERIN

Das Fasten zählt zu den fünf Säulen des Islam. Zu den anderen grundlegenden Praktiken gehören das Glaubensbekenntnis, das Gebet, die Armensteuer und die große Wallfahrt nach Mekka. Der Ramadan ist eine Zeit der Gegensätze: Von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang verzichten gläubige Muslime auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex. Nachts aber ist der Genuss erlaubt. Koran, Sure 2, Vers 187: 

ZITATOR

… und eßt und trinkt, bis ihr in der Morgendämmerung einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden könnt! Hierauf haltet das Fasten durch bis zur Nacht! 

SPRECHERIN

Weiter steht geschrieben: 

ZITATOR

Es ist euch erlaubt, zur Fastenzeit bei Nacht mit euren Frauen Umgang zu pflegen. Sie sind für euch, und ihr für sie wie eine Bekleidung. Gott weiß wohl, dass ihr solange der Umgang mit Frauen während der Fastenzeit auch bei Nacht als verboten galt, euch immer wieder selbst betrogen habt. Und nun hat er sich euch gnädig gezeigt wieder zugewandt und euch verziehen. Von jetzt ab berührt sie unbedenklich … 

 (…)

SPRECHERIN

Im Internet stellen viele Gläubige islamischen Rechtsgelehrten ganz konkrete Alltagsfragen: Ist es erlaubt, während des Fastens Deo oder Parfüm zu tragen? Verstoßen Augentropfen gegen das Fasten? Darf ich Kaugummi kauen? Bricht Küssen das Fasten? Je nach Rechtsauffassung können die Antworten unterschiedlich ausfallen. 

MUSIK hier erst aus

SPRECHERIN

Da das islamische Jahr 354 statt 365 Tage hat; verschiebt sich der Ramadan jedes Jahr um zehn oder elf Tage nach vorn und durchläuft so im Laufe der Zeit die Jahreszeiten. Im Winter, wenn es früh dunkel und spät hell wird, ist die Fastenzeit nicht allzu lang. Im Sommer dagegen sind es oft viele Stunden des Verzichts – zumal die Menschen in südlichen Ländern auch mit viel höheren Temperaturen zurechtkommen müssen, ohne, dass sie tagesüber etwas trinken dürfen. Bei 40 Grad und mehr, die im Juli und August in Ländern wie Pakistan oder im Irak durchaus erreicht werden können, kann dies sehr anstrengend werden. Eine besondere Situation gibt es in Skandinavien, wenn der Ramadan dort auf einen Sommermonat fällt und es - wie rund um Mittsommer – kaum dunkel wird. Für sie gibt es unterschiedliche Empfehlungen von Rechtsgelehrten, sagt Florian Lützen vom Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen: 

O-TON 2  

Manche sagen, man könne nach den Fastenzeiten von Mekka und Medina beispielsweise fasten. Andere haben die Alternative gewählt, sich am nächsten muslimischen Land in Anführungsstrichen zu orientieren. (…) Eine dritte sagt, man soll trotzdem die vollumfängliche Zeit fasten. Insofern kann sich schon das unterscheiden je nach Gemeinde und welche Auslegung diese folgt. 

SPRECHERIN

2024 begann  der Ramadan im März. Je nach Wohnort dauert das Fasten unterschiedlich lange. Muslime in Island müssen zum Beispiel mehr als 18 Stunden fasten, in Mekka in Saudi-Arabien sind es dagegen nur rund 14 Stunden. 

MUSIK „breaker of chains“ 

SPRECHERIN

Aufgrund des Verzichts im Ramadan verändert sich für viele Menschen der Tagesablauf. Gläubige stehen vor Sonnenaufgang auf, um noch einmal zu Essen und zu Trinken. Die Mahlzeit am Morgen heißt Sa(c)hur. Traditionell laufen in vielen muslimisch geprägten Ländern dann früh am Morgen Trommler durch die Straßen und wecken die Gläubigen auf, damit sie ihr Frühstück nicht versäumen. 

ATMO Ramadan-Trommeln (Schallarchiv) 

SPRECHERIN

Firmen nehmen Rücksicht darauf, dass die Menschen tagsüber etwas müder sind. Die Menschen sind oft weniger produktiv. In einigen Ländern sinkt während des Ramadan sogar das Bruttoinlandsprodukt. Viele Restaurants machen tagsüber gar nicht auf – es würden sowieso keine Kunden kommen. Manche Menschen ruhen sich aus und holen tagsüber etwas Schlaf nach. Abends füllen sich die Straßen dann wieder mit Menschen. Wenn die Zeit des Verzichts vorüber ist, schallt der Gebetsruf von den Minaretten der Moscheen. In Dörfern gibt es oft nur ein Gotteshaus. In großen Städten aber erschallt der Gebetsruf von mehreren Minaretten und vermischt sich zu einem großen Chor. 

ATMO Gebetsruf (evtl Schallarchiv) SUCHEN oder g-Minarett

SPRECHERIN

Der Ruf des Muezzin lautet: 

 ZITATOR

Gott ist groß. Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer Gott gibt. Ich bezeuge, dass Mohammed der Gesandte Gottes ist. Auf zum Gebet. Auf zum Heil. Gott ist groß. Es gibt keinen Gott außer Gott. 

HALL (?)

SPRECHERIN

Die Menschen versammeln sich zum Gebet. Männer und Frauen haben unterschiedliche Bereiche in der Moschee, um nicht abgelenkt zu sein und sich auf das Gebet konzentrieren zu können. Beim Gebet macht jeder Muslim die gleichen Gebetsbewegungen. Man beginnt im Stehen, verbeugt sich, richtet sich wieder auf, dann kniet man nieder und berührt mit der Stirn den Boden. Danach bleibt man knieend, richtet den Oberkörper aber wieder auf. Diese Abfolge wird mehrmals wiederholt. Währenddessen sagen alle die gleichen Gebete. 

MUSIK „In Doubt“ )

SPRECHERIN

Zum Iftar, also zum Fastenbrechen am Abend strömen Arme und Bedürftige in riesige Zelte, die oft auf öffentlichen Plätzen aufgebaut sind. Sie erhalten in der Fastenzeit jeden Abend ein kostenloses Essen. Auch Moscheegemeinden in Deutschland laden Gläubige, oft auch Vertreter anderer Religionen ein, um das Fasten gemeinsam zu brechen. Familien und Freunde besuchen sich zum gemeinsamen Fastenbrechen, auf Arabisch heißt das Abendmahl im Ramadan „iftar“. 

ATMO 1  

SPRECHERIN 

Fastenbrechen bei der türkischstämmigen Familie Duran in München. Während des Ramadan ertönt bei der vierköpfigen Familie jeden Abend der Gebetsruf, den ein Wecker in Form einer Moschee abspielt. 

ATMO 1

SPRECHERIN

Eine Ecke im Wohnzimmer ist geschmückt. „Willkommen Ramadan“, steht auf einer goldfarbenen Girlande. Auf Instagram geben sich Gläubige – wie bei uns zur Weihnachtszeit – Tipps, wie man sein Zuhause festlich gestalten kann und tauschen Rezepte aus. Auf dem Esstisch stehen bereits mit Reis und Hackfleisch gefüllte Weinblätter, Kichererbsen Püree, Fladenbrot und Krüge mit frischem Wasser. 

O-TON 3 

Heute habe ich rote Linsensuppe gekocht, mercimek corbasi, dann habe ich Reis gemacht und hier im Ofen weiße Bohnen mit Fleisch gemacht. 

SPRECHERIN

… erzählt Funda Duran. Bevor es jedoch all die Köstlichkeiten gibt, wird eine Schale mit Datteln herumgereicht. Der Berliner Theologe Serdar Kurnaz: 

O-TON 4 

Das geht auf die Tradition des Propheten zurück. Es wird überliefert, dass der Prophet das Fasten mit einer Dattel gebrochen hat und dann darauf noch Wasser getrunken hat. Das hat sich als Tradition etabliert. Es gibt natürlich auch unterschiedliche Ansätze, die dann versuchen zu sagen: Ja, Dattel ist sehr nahrhaft, deswegen hat der Prophet Datteln gegessen, das hilft, es ist sozusagen ein Energiedepot für die Fastenden. 

SPRECHERIN

Die 17-jährige Fulya, die bald ihr Abitur macht, fastet seit sie 13 Jahre alt ist. In der Regel beginnen Jugendliche mit der Pubertät zu fasten. Schwer fällt ihr das Fasten nicht, erzählt die Gymnasiastin: 

O-TON 5 

Es fällt mir eher leicht, würde ich behaupten, weil ich generell einfach sehr wenig esse und trinke. Leider. Und ich würde sogar von mir behaupten, dass ich während dem Ramadan, so lustig es sich anhört, mehr esse und trinke als sonst, weil ich halt wirklich so am Abend wirklich dann gut und viel esse und mein Wasser vor mir hab und es auch trinke und ich Nacht es dann ebenfalls mache. Das ist auf jeden Fall mehr als ich sonst tagsüber während eines stressigen Schultags zum Beispiel essen würde. 

SPRECHERIN

Ausgenommen vom Fasten sind Kinder, Alte, Schwangere, Stillende,  Frauen, die ihre Tage haben, Reisende oder auch kämpfende Soldaten. Funda Duran ist gesundheitlich angeschlagen. Sie fastet nicht. Früher hat auch sie gefastet. 

O-TON 6  

Es ist sehr, sehr anstrengend, gerade im Sommer - Juni, Juli, August, die Zeit – das hab‘ ich ja auch gemacht. Natürlich wenn man jung ist, und wenn man nicht krank ist, man schafft das. Ich glaube immer daran, dass der liebe Gott uns hilft. Aber natürlich - je älter man wird (…), wenn man Medikamente einnimmt und bestimmte Krankheiten hat, sagt auch der Gott, man soll den Körper nicht belasten und man soll auch nicht fasten. 

SPRECHERIN

Es gibt klare Empfehlungen, wie man als gläubiger Mensch verfahren soll, wenn man nicht fasten kann oder krank wird. Florian Lützen: 

O-TON 7 

Wenn man während dem Ramadan krank wird und nicht fasten kann, sollte das zum nächstmöglichen Zeitpunkt nachgeholt werden, bis zum nächsten Ramadan. Falls das nicht möglich ist, (…) kann auch eine Spende an die Stelle dessen treten. 

SPRECHERIN

Die Ersatzspende ist in Höhe von der Speisung eines Armen für einen Tag angesetzt. Viele Kinder fiebern auf den Zeitpunkt hin, bis sie alt genug sind, um zu fasten, sagt der Berliner Theologe Serdar Kurnaz: 

O-TON 8 

Innerhalb der muslimischen Community ist das Fasten schon etwas, worauf Kinder oder Jugendliche sehr stolz sind. Die wollen das auch selber tun. Da gibt es auch so Möglichkeiten, so spielerisch die Kinder an das Fasten herantasten zu lassen, also zum Beispiel jüngere Kinder, denen würde man sagen: Ja, faste bis 2 Uhr. Und dann darfst du mal zwischendurch essen. Jeder weiß, dass es jetzt kein gültiges Fasten ist. Aber es geht ja nicht darum, sondern darum, dass die Kinder auch diese Möglichkeit haben, weil dieses Kollektivgefühl zu fasten und gemeinsam das Fasten zu brechen und einen Zustand zu erreichen, wo man noch besonders darauf bedacht ist, was man tut, was man sagt. (…) 

Das ist schon ein Anreiz für die Kinder. (hängt)

SPRECHERIN 

Manchmal verzichten Kinder, die noch nicht fasten, im Ramadan zum Beispiel auf Süßigkeiten. Fulyas kleiner Bruder Deniz geht noch in den Kindergarten. Er ist tatsächlich noch zu jung zum Fasten. Deshalb hat sich seine Mutter Funda für ihn etwas Besonderes ausgedacht. Sie hat eine Schachtel mit buntem Papier verziert. Jeden Abend nach dem Fastenbrechen darf Deniz zusammen mit seiner Familie ein Holzstäbchen in die Box werfen. 

ATMO 2 (etwas stehen lassen, dann drüber) 

Auf jedem Stäbchen steht eine gute Tat wie zum Beispiel: Ich habe nicht gelogen. Ich war heute lieb. Ich habe Mama oder Papa geholfen. Ich war geduldig. Auch seine Eltern und seine Schwester werfen je ein Stäbchen mit ihrem Namen und der guten Tat in die Schachtel. Die Idee hat Funda aus einem Buch. 

O-TON 9  

Das machen wir alle zusammen nach dem Fastenbrechen, da überlegen wir, was haben wir heute Gutes gemacht und dann suchen wir das hier raus, in die Kiste rein… und dann machen wir nach Ende der Ramadan auf und sehen wir alle Stäbchen und sehen, wer von uns ganz viele Sachen geleistet hat. 

SPRECHERIN

Inzwischen gibt es auch viele Kinderbücher mit Gute-Nacht-Geschichten zum Ramadan und viele Familien denken sich neue Bräuche aus so wie die Familie Duran. Serdar Kurnaz: 

O-TON 10 

Es ist eigentlich sehr individuell ausgeprägt, aber ich beobachte auch in Deutschland vermehrt zum Beispiel, dass es Ramadan-Kalender gibt wie einen Adventskalender. Also es etablieren sich mittlerweile Dinge, auf die man sich aufgrund der geteilten Erfahrungen und aufgrund der geteilten Prägung auch in Deutschland, dass man auch Möglichkeiten versucht, auszutarieren, um die Kinder noch stärker miteinzubeziehen.

 MUSIK „until it blazes“ 

SPRECHERIN 

Im Ramadan geht es aber nicht primär ums Fasten und um Verzicht. Noch wichtiger als der Verzicht an sich ist die spirituelle Ebene. Es ist vor allem eine Zeit der inneren Einkehr und des Gebets, sagt Fulya: 

O-TON 11 

Eigentlich sollte man im Ramadan versuchen, den ganzen Koran sozusagen einmal durchzulesen. Ich schau dann halt so, wie weit ich persönlich komme. Erstmal lese ich es auf Arabisch, aber ich verstehe es halt nicht. Und dann schaue ich mir noch mal die Übersetzung auf Türkisch an, damit ich überhaupt verstehe, was ich gelesen habe. 

SPRECHERIN

Im Ramadan sollen Gläubige üben, empathisch und aufrichtig zu sein. Sie sollen auch auf kleine Lügen verzichten – gemeint sind zum Beispiel Ausreden. Es geht um die Läuterung der Seele. In einer Aussage des Propheten Mohammed heißt es, dass sich Gott den fastenden Menschen zuwendet. 

Florian Lützen vom Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen: 

O-TON 12 

Ein berühmter Hadith, ein berühmter Bericht des Propheten, besagt, (…), dass das Fasten ein Schutz sei, vor dem Überwiegen des Diesseits im Herzen des Menschen. (…) Wenn man es etwas nüchterner ausdrücken möchte, hat das Fasten also das Ziel, den Charakter zu läutern oder zu verfeinern. Die Sufis haben das auch manchmal mit dem Satz ausgedrückt, dass das Fasten der Seele Raum verschaffen soll, sodass sie nicht vom Körper eingeengt wird. (…) Wenn man es noch ein bisschen weiterspinnt, diesen Gedanken, dann soll das Fasten ein tieferes Verständnis vom eigenen Wesen hervorbringen und ist gewissermaßen auch eine Art von Wissenserwerb, ein Wissen, das neben der intellektuellen Intelligenz steht, (…) und eine Art emotionale Intelligenz mit ins Spiel bringt.

SPRECHERIN

In Deutschland hören Muslime manchmal Sätze wie: „Ach du Armer, Du musst fasten.“ Doch das spiegele nicht die Sicht und das Empfinden der Gläubigen wider, sagt der Theologe Serdar Kurnaz: 

O-TON 13 

Dieses Bedauern ist halt immer tatsächlich ein seltsamer Blick, weil es gibt überhaupt nicht die emotionale Ebene und die spirituelle Ebene wieder, die die Fastenden selbst empfinden. 

SPRECHERIN 

Ein weiterer wichtige Aspekt im Ramadan ist das soziale Engagement. Es ist ein Monat der guten Taten. Die Gläubigen entrichten die Armensteuer Zakat und unterstützen Bedürftige.  

O-TON 14 

Eine weitere Ebene ist, dass man auch nachempfinden kann, was es überhaupt bedeutet, Hunger zu haben. Wie man mit den Gottesgaben umzugehen hat, wie wichtig eigentlich alle Gaben Gottes sind und dass man das noch mal hautnah spürt bei den notwendigsten Mitteln, die wir im Alltag brauchen, also Essen und Trinken, das müssen wir über den Tag hinweg mehrmals tun. Und wenn man darauf verzichtet, sieht man eigentlich die Gottes Barmherzigkeit und die Gaben Gottes, wie wichtig sie sind und welchen wichtigen Teil des Lebens ja auch ausmachen.

MUSIK „Liebeslied“ 

SPRECHERIN

Am Ende des Monats Ramadan – nach vier Wochen des Fastens - wird gefeiert. Gläubige Muslime begehen dann das Zuckerfest, Eid al-Fitr, genannt. Es markiert das Ende des heiligen Monats. 

ATMO (Markt Türkei/arabisches Land – Schallarchiv) 

SPRECHERIN

In Konditoreien und auf Märkten herrscht dann Hochbetrieb. Die Menschen kaufen hübsch verpackte Pralinen, Schokolade oder auch Baklava, ein in Honig oder Zuckersirup eingelegtes Gebäck aus Blätterteig, der mit gehackten Walnüssen, Mandeln oder Pistazien gefüllt ist. Serdar Kurnaz:  

O-TON 15 

Man feiert, dass man einen Monat lang gefastet hat. Und die Feier besteht eigentlich darin, dass man morgens früh ein besonderes Gebiet verrichtet, das Festtagsgebet. Und dann kommt man mit der Familie zusammen, und man frühstückt, man besucht die älteren Familienangehörigen. Und dort ist es dann auch üblich, weil man ja einen Monat lang gefastet hat, dass man auch Süßigkeiten verteilt oder die Gäste auch mit Süßigkeiten empfängt. Weshalb es sich auch etabliert hat in der türkischen Sprache, das gab es schon unter den Osmanen, dass man das als Şeker Bayramı, als Zuckerfest dann auch bezeichnet hat. (…) 

SPRECHERIN

Auch zu Familie Duran in München kommen dann Freunde, erzählt die Mutter Funda: 

O-TON 16 

Man besucht dann die Älteren, (…) Geht man dann zum Zuckerfest, um frohes Fest zu wünschen. Aber wir merken schon ein paar Jahren, dass wir auch schon zu den Älteren gehören (…), dass wir jetzt auch langsam Besuch bekommen, dass die uns unsere Hand küssen, um uns frohes Fest zu wünschen. 

MUSIK „until it blazes“

SPRECHERIN

Zusammen fasten, zusammen beten, zusammen Fastenbrechen. Das Gemeinschaftsgefühl während des Ramadan ist für die Gläubigen wichtig. Aber es geht eben nicht nur um Verzicht, sondern vor allem um die innere Läuterung. Das reine Herz und die Offenheit für die Begegnung mit Allah sollten Muslime auch nach Ende des Fastenmonats beibehalten – im Idealfall bis zum nächsten Ramadan in einem Jahr. 


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