Share F.A.Z. Künstliche Intelligenz
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By Frankfurter Allgemeine Zeitung
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Generative KI hat sich im Marketing besonders schnell durchgesetzt. Inhalte schnell und günstig mit ChatGPT oder Midjourney zu erstellen, ist aber nur die Oberfläche. KI ermöglicht auch das Aufkommen der „Antwortmaschinen“ wie Perplexity, die statt Links auf andere Websites KI-generierte Antworten liefern – und damit die Nutzer gar nicht mehr wegschicken. Das hat Folgen: „Die Veränderungen werden fundamental sein, es wird kein Stein mehr auf dem anderen stehen“, erwartet Markus Caspari. Vor allem das Performance Marketing wird sich anpassen müssen, also die Werbung in Suchmaschinen und die Optimierung der Websites für die Suchmaschinen. Caspari erwartet schon bald, dass Performance Marketing seinen Höhepunkt mehr alsschreiten wird. Markenbildung werden dann wieder wichtiger.
Wir haben die wichtigsten Antworten von Markus Caspari hier aufgeführt:
Was sind denn die drei wichtigsten Änderungen durch KI, die schon heute im digitalen Marketing zu beobachten sind?
Subjektiv ist das zum erstens die Social Media Content-Generierung mit Texten, Bildern und Videos. Dort hat sich die Arbeitsweise von Agenturen bereits verändert.
Zweitens ist es Search mit den Teilbereichen SEA und SEO, hierbei beispielsweise die Generierung von Texten für Websites oder Anzeigen beziehungsweise Hilfe bei der Inspiration.
Die dritte wichtige Änderung ist der Bereich der Datenanalyse, vor allem die Analyse großer Datenmengen im Marketing und Mediabereich. Dabei spielen Daten-Anomalien eine große Rolle, die Frage ist: Was ist bei Marken oder Kampagnen anders als bei anderen und kann man dort Korrelationen feststellen, die man auch in anderen Bereichen findet. In den meisten Anwendungsfällen handelt es sich um Effizienzgewinne. Komplett disruptive Anwendungen sind aktuell noch selten anzutreffen.
Gab es einen KI-Moment, wo Du das erste Mal „wow“ gesagt hast und es Dich vom Stuhl gehauen hat?
Das erste Mal vom Stuhl gehauen hat mich der Launch von Chat GPT, sozusagen der „Interface-Moment“ für die Künstliche Intelligenz. Oft werden Vergleiche angestrebt, bei denen der Launch von ChatGPT mit dem Start des Internet oder der Veröffentlichung des ersten iPhone in Beziehung gesetzt werden. Aus meiner Sicht ist die Analogie mit dem Browser zutreffender. Die ersten Browser haben das Internet – das es schon zuvor gab – der breiten Masse erst durch ein einfaches User Interface zugänglich gemacht.
Im Bereich SEA-Kampagnen haben mich die Möglichkeiten der KI bereits beeindruckt. Gerade dann, wenn man sehr granular arbeiten muss, zum Beispiel im Personalmarketing oder Geomarketing. In diesen Bereich gibt es viele Anwendungsfälle für KI, die enorm Zeit ersparen.
Bleiben wir bei den Suchmaschinen, dort gibt es den Trend zu den „Zero Klicks“ schon länger, also dass die Suchmaschine direkt die Frage beantwortet und gar niemanden mehr auf eine Website schickt. Aus Suchmaschinen werden Antwortmaschinen, was dazu führt, dass Suchmaschinen-Optimierung (SEO) und Suchmaschinen-Werbung (SEA) schwieriger werden. Wie ist Deine Prognose zum Suchmarkt und wie wird sich Performance Marketing durch KI verändern?
Die Veränderungen werden fundamental sein, es wird kein Stein mehr auf dem anderen stehen. Die Thematik mit den „Zero Klicks“ ist nicht neu, sondern das ist schon länger sichtbar, bereits vor der generativen KI. Laut einer Studie führen bereits heute etwa zwei Drittel der Suchen in Suchmaschinen gar nicht mehr zu Klicks. Das ist strategisch sehr wichtig und daraus kann man auch Ableitungen für die Zukunft treffen. Hintergrund ist der Umstand, dass die Plattformbetreiber ein wirtschaftliches Interesse haben, die Nutzer in Ihren Apps zu halten. Das ist nicht nur bei der Suche so, sondern zum Beispiel auch im Bereich der sozialen Medien. LinkedIn ist nur ein Beispiel dafür: Der Algorithmus bestraft externe Verlinkungen. Je mehr Zeit die Nutzer auf den Plattformen verbringen, desto mehr Opportunitäten gibt es, diesen Personen Werbung auszuspielen
Durch die generative KI wird diese Problematik verschärft. Denn das nicht geschriebene Gesetz zwischen Publishern und Website-Betreibern, die Content verfügbar machen, der indexiert wird und in der Folge Besucher generiert, wird aufgekündigt. Die Content-Produzenten haben weiterhin Zeitinvest und Kosten, bekommen aber keinen Traffic mehr.
Was heißt das für das Performance Marketing, wenn Perplexity oder Google AI Overview die Fragen direkt beantworten?
Am wichtigsten ist die Diversifikation. Nach Möglichkeit sollte man sich breiter aufstellen und nicht nur auf einen Anbieter im Bereich Search setzen, sondern auch auf Social oder andere Plattformen, bei denen man mehr als Video- oder Display-Advertising Klicks einkauft.
Die Thematik Gen AI verändert vieles, wie zum Beispiel Online-Buchungen und damit auch die Rezensionen. Was passiert, wenn jetzt Rezensionen mit KI geschrieben werden und echte nicht mehr von unechten Bewertungen zu differenzieren sind? Geht dann das ganze Bewertungssystem über Bord?
Die Gefahr besteht durchaus. Am besten lässt sich diese Problematik anhand des Beispiels der Amazon-Produktbewertungen erklären. Amazon selbst hat diese Thematik bereits identifiziert und sie suchen mit ihrer KI nach Mustern in den Daten – was mal besser und mal schlechter funktioniert. Es werden Korrelationsanalysen gemacht, wer hat sich wann angemeldet, gibt es Auffälligkeiten, die mehr als Durchschnitt liegen. Bei den Amazon-Bewertungen wird zudem differenziert zwischen verifizierten Käufern und Nicht-Käufern. Die Konsumenten könnten lernen, dass Bewertungen verifizierter Käufer künftig noch wichtiger sind. Darüber hinaus geht Amazon auch öffentlichkeitswirksam juristisch gegen betrügerische Falschbewertungen vor und statuieren diesbezüglich Exempel.
Eine KI, die eine andere KI erkennt, ob eine Rezension mit KI geschrieben wurde – da bin ich skeptisch. Die Nachvollziehbarkeit ist doch nicht gegeben, oder?
Stimmt, hier startet ein klassisches Wettrüsten. Der Unterschied beim E-Commerce oder genauer Amazon im Vergleich zu anderen Lebensbereichen (beispielsweise Hausarbeiten an einer Hochschule) besteht einerseits durch die verifizierten Käufer und andererseits durch das Einloggen. Dadurch wird die Skalierbarkeit der automatisch generierten Produktbewertungen eingeschränkt.
Die großen Player in der Werbung – Google, Meta, Amazon – geben Milliarden aus für Künstliche Intelligenz. Werden sie dadurch ihre ohnehin schon gute Position im Digital Marketing nochmals ausbauen und mächtiger werden?
Der Markt wird sich verändern, Marktanteile werden sich verschieben, allerdings wird es schwer zu antizipieren, welcher Anbieter sich durchsetzen wird. Die Plattformökonomie spricht aber dafür, dass wir weiterhin oligopolistische Strukturen haben werden, mit wenigen Marktanbietern. Grundsätzlich werden die Starken werden nochmals stärker werden. Google selbst hat im Mai 2024 auf seinen Hausmessen Google I/O und Google Marketing Live gezeigt, dass die Innovationsschlagzahl aktuell auch wieder deutlich zunimmt, nachdem die Innovationen zuvor eher inkrementeller Natur waren. Analog ist das auch bei Meta und Amazon zu beobachten.
Plattformen sind dadurch so groß geworden, dass sie kuratierte Services angeboten und Third Parties auf ihre Plattformen geholt haben. Das wiederholt sich gerade jetzt mit der Künstlichen Intelligenz wieder. Wie verändern diese Tools die digitale Landschaft?
Einen Teil der Veränderungen sehen wir bereits jetzt. Die Thematik Automatisierung spielt bei Google schon sehr lange eine Rolle. Genau wie das Thema KI an sich. Lediglich die Aufmerksamkeit ist jetzt eine andere durch generative KI. Google hat gerade die Conversational Experience für den deutschsprachigen Raum gelauncht, bislang war das nicht der Fall. Damit wird ein Kampagnenmanager beim Aufsetzen von Digital Marketing Kampagnen in Google Ads durch das Interface geführt, man beschreibt die Ziele und die KI macht Vorschläge, die nur noch genehmigt werden müssen. Im Bereich gibt Media es schon lange KI-getriebene Lösungen wie Performance Max von Google, das kontinuierlich weiterentwickelt wird. Daneben gibt es zum Beispiel Microsoft Performance Max, Pinterest Performance+, Amazon Performance+ und Meta Advantage+.
Pinterest denkt bei seinen KI-Mediaprodukten zum Beispiel über die reine Optimierung hinaus, was positiv hervorzuheben ist. Pinterest bedenkt auch Aspekte wie Inklusion, bei der Zusammenstellung des Feeds, das bedeutet: es wird dafür gesorgt, dass die Algorithmen nicht nur Stereotypen bedienen. Snapchat war – trotz aller Kritik, die es zum Start gab - mit dem Chatbot MyAI ein Early Adopter der Social Media Plattformen im Bereich KI.
Was kommt auf die anderen Player zu, also auf Publisher oder Mediaagenturen?
Mediaagenturen sind gewohnt Datengetrieben zu agieren, zu handeln und zu denken, insbesondere natürlich im Performance Marketing Bereich. Man ist es dort gewohnt, große Datenmengen zu analysieren, daraus Ableitungen zu treffen und in der Folge Daten- und Toolbasiert Entscheidungen zu treffen. In der Konsequenz können dann Empfehlungen ausgesprochen werden. Dementsprechend ist dort schon der richtige Mindset für KI vorhanden.
Publisher haben die Chance Inhalte so zu kennzeichnen, dass Anbieter von generativer KI diese nicht für Trainingszwecke nutzen dürfen. Hälst Du diese Verweigerung für eine gute oder eine nicht so gute Idee?
Publisher sind aktuell oft in einer finanziell schwierigen Situation, oft gebeutelt von jahrelangen Sparrunden und dementsprechend empfänglich für Angebote. Die Fragestellung ist eine von kurz- versus langfristig und dem Verhalten der anderen Mitspieler. Ferner ist entscheidend, ob ein Verlag tendenziell eher einzigartige und exklusive Inhalte hat oder ob es zahlreiche Substitute gibt. Zusätzlich ist Quellen-Transparenz in den KI-Antworten aus Medien-Sicht ganz entscheidend, das heißt werden der Publisher oder seine Marke prominent genannt oder nicht.
Ferner würde es mich nicht wundern, wenn in der Zukunft ein Wissenschaftsverlag von einem KI-Betreiber gekauft wird, damit die oft exklusiven Inhalte anderen Plattformen nicht mehr für Trainingszwecke zur Verfügung stehen.
Bei der Fragestellung welche Berufe mit am stärksten durch KI verändert werden, stehen meist Marketing und Software-Ingenieure relativ weit oben. Wie ist Deine Prognose, wie wird es den Job des Marketers verändern?
Die Marketing-Jobs werden sich grundlegend verändern – ich bin selbst von dieser Thematik betroffen. KIs können gut analysieren und generieren. Die Aufgaben der Marketers haben dazu eine sehr hohe Übereinstimmung: zunächst wird analysiert, dann wird geschaut welches Produkt man launcht oder in welchen Markt man einsteigt und am Ende werden Kampagnen & Kreationen generiert. Dementsprechend besteht eine große Übereinstimmung. Daher wird der Einschlag recht groß sein. Die Frage ist dabei nur wie lange das Zeitfenster noch ist, aber der Einfluss wird enorm sein.
Denkst Du im Bereich Marketing wird es in 3 bis 5 Jahren noch genau so viele Mitarbeiter geben wie heute?
Zunächst war ich tendenziell eher negativ gestimmt, bis ich eine spannende Analogie eines Marketing-Professors aus den USA gehört habe, die ich recht interessant fand. Und zwar von einem Autor des Buches „The AI Marketing Canvas“, das 2020 – das heißt vor dem Hype – geschrieben und 2021 veröffentlicht wurde. Er zitierte in einem Gespräch eine Gartner-Studie, die Manager aus dem C-Level befragte und die zu dem Ergebnis kam, dass an Punkt eins meist nicht die Kostensenkung steht, sondern sich in der Regel Wachstum auf Platz eins der Agenda befindet. Die Kostensenkungen erfolgen erst, wenn es mit dem Wachstum nicht klappt.
Wie ist Deine Prognose, was sind die drei Top-Themen, mit denen die KI das digitale Marketing in drei Jahren verändern wird?
Das Wechselspiel zwischen Branding und Performance kommt als Thema immer wieder auf die Marketing-Agenda - wie eine Mode oder die Jahreszeiten. Auch auf der aktuellen Messe dmexco wurde das Thema stark aufgegriffen.
Kurzfristig bekommt Performance Marketing nochmals einen Schub durch Künstliche Intelligenz, obwohl gerade dieser Bereich in den letzten zehn Jahren schon stark von der Digitalisierung profitiert hat. Denn attribuierte Bestellmengen und Conversion Rates werden erst einmal besser durch Automatisierung und KI, weil Effizienzen gehoben werden.
Mittelfristig werden wir bald den Peak im Performance Marketing sehen. Ich glaube es werden diejenigen besser aufgestellt sein, die stärker in ihre Marke investieren. Denn es ist sehr schwierig sich Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten, denn alle nutzen dieselben Tools, arbeiten mit denselben Vermarktern und Plattformen zusammen.
Tools und Plattformen werden eher ein Hygienefaktor, aber kein Wettbewerbsvorteil. Meistens gibt es zu Entwicklungen auch Gegenentwicklungen, d.h. wer jetzt in seine Marke investiert, ist gut beraten. Die Plattformökonomie führt zu mehr „The Winner takes it all“. Das konterkariert die vielen Long Tail Strategien, die es aktuell im Digital Marketing gibt. Es wird schwierig für diejenigen mit unbekannten Marken, denn künftig scrollt der Nutzer weniger in Suchergebnissen, sondern der Assistent bzw. die KI empfehlen die Nummer 1 und die Nummer 2, also die starken Marken. Dadurch werden die starken Marken noch stärker.
Marketing wird strategischer, smarte operative Digital Marketing Hacks werden seltener.
Es ist wichtig, ich mit Tools im Marketing zu beschäftigen, sie sind aber kein Selbstzweck. Oft liest man von KI-Toolexperten mehr als Marketingsoftware, aber die Werkzeuge stehen meist im Mittelpunkt anstatt Ergebnisse, Strategien, Prozesse und Kulturen.
Die Folge ist Teil unseres Podcasts „Künstliche Intelligenz“. Er geht den Fragen nach, was KI kann, wo sie angewendet wird, was sie bereits verändert hat und welchen Beitrag sie in der Zukunft leisten kann. Hosts des Podcasts sind Peter Buxmann, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik an der TU Darmstadt, und D:ECONOMY-Redaktionsleiter Holger Schmidt. Die Podcast-Folgen erscheinen jeweils am ersten Mittwoch im Monat.
Für Banken ist der Einsatz von maschinellem Lernen, um Kunden besser zu verstehen, längst selbstverständlich. „Im Grunde kann die KI für jeden Kunden prognostizieren, mit welcher Wahrscheinlichkeit er kündigt“, sagt Martin Schmidberger, Head of Customer Analytics bei ING Deutschland, im F.A.Z. KI-Podcast. Das eröffne den Banken die Möglichkeit, die Kunden mit den höchsten Wahrscheinlichkeiten zu finden und entsprechende Angebote zu unterbreiten. Die Machine-Learning-Algorithmen würden im Vergleich zu klassischen Modellen die Erklärungsqualität um 20 bis 30 Prozent verbessern. Diese scheinbar moderate Steigerung habe in der Praxis einen enormen wirtschaftlichen Mehrwert.
Die Folge ist Teil unseres Podcasts „Künstliche Intelligenz“. Er geht den Fragen nach, was KI kann, wo sie angewendet wird, was sie bereits verändert hat und welchen Beitrag sie in der Zukunft leisten kann. Hosts des Podcasts sind Peter Buxmann, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik an der TU Darmstadt, und D:ECONOMY-Redaktionsleiter Holger Schmidt. Die Podcast-Folgen erscheinen jeweils am ersten Mittwoch im Monat.
Der deutsche Fotograf Boris Eldagsen gewann 2023 mit einem KI-generierten Bild den renommierten Sony World Photography Award - und lehnte diesen daraufhin ab. Denn die Bilderstellung mit KI sei etwas völlig anderes als die Kunstform des Fotografierens. Begeistert ist Eldagsen trotzdem: KI sei für Kunstschaffende „ein tolles Werkzeug“, erzählt er im F.A.Z. KI-Podcast. Kreative könnten nun unabhängig von Ort, Außentemperatur, Lichtverhältnissen oder verfügbarer Technik mit ihren Prompts genau die Bilder erstellen, die sie sich vorstellen.
Der deutsche Drogeriewarenhändler dm ist einer der Pioniere in der Nutzung von Sprachmodellen. Schon im Sommer 2023 hat das Unternehmen die Sprach-KI dmGPT gestartet, die Texte zusammenfasst oder übersetzt. Der Roll-out ist inzwischen abgeschlossen und dmGPT steht 75.000 der insgesamt 81.000 dm-Mitarbeitern in 14 Ländern zur Verfügung. „Täglich gehen zigtausende Anfragen ein“, sagt Roman Melcher, Mitglied der Geschäftsführung und verantwortlich für das IT-Ressort, im KI-Podcast der F.A.Z.
Generative KI ist auch für die Robotik ein Durchbruch, sagt Sami Atiya, Mitglied der Konzernleitung des Schweizer Technologieunternehmens ABB und verantwortlich für den Geschäftsbereich Robotik und Fertigungsautomation, im KI-Podcast der F.A.Z. Die Fähigkeit der KI, mit Menschen per Sprache zu interagieren, eröffne neue Anwendungsfelder für die Robotik. Zwar gebe es in großen Unternehmen viele Robotik-Experten. Um Roboter aber in kleine Unternehmen zu bringen, müsse deren Einsatz stark vereinfacht werden. Hier kommt Generative KI ins Spiel. Sie erlaubt es, Roboter über Sprache zu instruieren und wortwörtlich an die Hand zu nehmen, um ihnen Handlungen vorzuführen, die sie dann eigenständig nachahmen – nicht unähnlich dazu, „wie wir als Kinder gelernt haben, mit Objekten umzugehen“. So existierten bereits Roboter, die einem Menschen beim Schreiben zusehen und dann dessen Handschrift exakt nachahmen könnten. Solche Roboter seien auch dann enorm hilfreich, wenn komplexe Handgriffe präzise ausgeführt werden müssen, wie beim Schweißen von Nähten in der Metallindustrie: „Der Roboter sieht dem Meister zu und ahmt es letztendlich nach“, erzählt Atiya.
Künstliche Intelligenz ist im Krankenhaus schon an vielen Stellen im Einsatz. Im OP aber wird es schwierig. Das Nähen kleiner Wunden funktioniere zumindest im Labor schon gut. Für größere Operationen brauche es den Menschen, sagt Dirk Wilhelm, Oberarzt der chirurgischen Klinik des Klinikums rechts der Isar der TU München, im F.A.Z. KI-Podcast.
Künstliche Intelligenz arbeitet heutzutage schon in Krankenhäusern mit, zum Beispiel durch das Mitschreiben von diktierten OP-Berichten oder Arztbriefen, durch Vitalwertanalysen oder als Hol- und Bring-Roboter. Obwohl Roboter in Operationssälen bereits routinemäßig eingesetzt werden, würden diese bislang manuell von Chirurgen und nicht von einer KI gesteuert. Grund dafür seien die enorme Komplexität und Variabilität von Operationen, für die es aktuell noch die menschliche Auffassungsgabe brauche: „Bei der Interaktion mit Gewebe integrieren wir viele Informationen. Da kommt Verständnis über Schwerkraft, da kommt physikalisches Denken und weitere Sachen hinzu, die wir selbst gar nicht benennen können, die aber wichtig sind, um gute Operationen durchzuführen“, so Wilhelm.
Marianne Janik, die Geschäftsführerin von Microsoft Deutschland, ist fasziniert von der Geschwindigkeit, mit der deutsche Fertigungsunternehmen aktuell KI-Lösungen implementieren. An Beispielen wie Siemens’ Industrial Copilot, der die Interaktion von Menschen und Maschinen über natürliche Sprache ermöglichen soll, erkenne man den rasanten Fortschritt in der KI-Integration. Kaum ein Unternehmen traue sich aktuell, die Entwicklung auszusitzen und auf die ersten Erfolgsgeschichten von Wettbewerbern zu warten. „Im Vergleich zu den Diskussionen, die wir zur Cloudtechnologie geführt haben, ist das Thema generative KI in Deutschland in fast allen Unternehmen – auch mittelständischen – angekommen“, so Janik.
Nun ginge es darum, sowohl Menschen als auch Organisationen für die Zusammenarbeit mit KI zu schulen. Denn KI reife nicht im Labor – stattdessen müsse man eigene Erfahrungen mit der Technologie sammeln und zum Beispiel durch mehrmaliges Scheitern erst das korrekte Briefing von Sprachmodellen erlernen. „Da ist in Deutschland Nachholbedarf. Das sehen wir auch an Studien: Während wir weltweit führend sind bei der KI-Patentanmeldung, sind wir bei der Weiterbildung so auf Platz elf oder zwölf“, erzählt Janik.
Deshalb habe Microsoft kürzlich eine Qualifizierungsinitiative lanciert, die Teil einer 3,2-Milliarden-Euro-Investition in deutsche KI-Infrastruktur und Rechenkapazitäten ist. Die Investition solle sicherstellen, dass die für die KI-Entwicklung benötigten Ressourcen auch in Deutschland zur Verfügung stehen – und zwar nicht nur für Microsoft-eigene Produkte wie den Copilot, betont Janik, sondern auch für andere proprietäre Anbieter sowie Open-Source-Lösungen wie das Sprachmodell von Mistral. Auf die Nachfrage, ob Microsoft auf dem KI-Markt eine Monopolstellung anstrebe, führt die Deutschlandchefin aus, dass sie sich in der Zukunft keinen Winner-takes-it-all-Market vorstellen könne. Vielmehr glaube sie an ein Nebeneinander von vielfältigen KI-Modellen mit jeweils eigenen Charakteristika innerhalb eines KI-Ökosystems. „Es hat sich immer Wettbewerb eingestellt, und der Wettbewerb war immer von Vorteil – für die Kunden, für die Wertschöpfung. Und am Ende haben alle profitiert, je mehr Interoperabilität da ist.“
Profitieren würden die Kunden des hauseigenen Microsoft Copilots auch heute schon – trotz des nicht ganz billigen Preispunktes von rund 28 Euro je Nutzer und Monat. Dieser sei zum einen durch die Entwicklungskosten und den hohen Bedarf an Rechenkapazität gerechtfertigt, die „ein kostbares Gut ist und weiterhin bleiben wird“. Zum anderen liege der Preis noch unter den stündlichen Arbeitskosten in Deutschland, weshalb sich der Copilot bereits mit der ersten eingesparten Stunde im Monat rechnen könne. Im verwandten Bereich der KI-assistierten Softwareentwicklung seien auch schon einige ROI- und Wertbeitragsanalysen durchgeführt worden, an welchen man klar erkenne, „dass der Return on Invest auf jeden Fall da ist. Die Business Cases sind alle positiv“, so Janik.
Bezüglich des kommenden EU AI Acts zeigt sich die Microsoft-Chefin ebenfalls optimistisch. Microsoft sei aktuell noch in der Explorationsphase zu den Auswirkungen der Verordnung, doch der Copilot sei datenschutztechnisch schon sehr weit und werde kontinuierlich weiterentwickelt. Eventuell notwendige Anpassungen wären deshalb zwar mit Investitionen verbunden, seien aber durchaus umsetzbar und keine Stoppschilder für den KI-Assistenten, erklärt Janik. „Grundsätzlich begrüßen wir auch Regulierung. […] Es geht ja darum, mit diesem risikobasierten Ansatz die Entwicklung und die Akzeptanz vertrauenswürdiger KI zu fördern – und damit natürlich auch Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in der EU.“ Abzuwarten sei allerdings noch, wie der AI Act in der nationalen Gesetzgebung ausgelegt werde. Hier gäbe es noch Bedarf an Aufklärung und aktivem Austausch mit Experten, damit die nationale Umsetzung der Verordnung „kleine Unternehmen, Start-ups oder die Open-Source-Community nicht überfordert“.
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Künstliche Intelligenz wird auch für die Musikbranche zum Gamechanger: Einerseits ein hilfreiches Instrument, andererseits aber auch eine Bedrohung, die viele Musiker aus dem Geschäft drängen könnte, erläutern Götz von Sydow, Musiker, Komponist und Manager der Band PUR, sowie Matthias Hornschuh, Filmkomponist, GEMA-Aufsichtsratsmitglied und Sprecher der Kreativen in der Initiative Urheberrecht, im KI-Podcast der F.A.Z.
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Spätestens der Streik der Schauspieler und Drehbuchautoren in den Vereinigten Staaten hat der Öffentlichkeit gezeigt: Künstliche Intelligenz ist auch in der Filmbranche angekommen. "KI sickert von allen Seiten durch die Türen", sagt Richard Huber, mehrfach preisgekrönter Regisseur und Drehbuchautor. "Man kann sich dem heute gar nicht mehr verwehren – und ich weiß auch nicht, warum man das tun sollte“. Heute schon habe die Künstliche Intelligenz einen großen Einfluss auf den Schnitt und die Vertonung der Filme. Zudem erhalten Sprachmodelle wie ChatGPT auch Einzug in die Entstehung von Filmen. Besonders hilfreich seien diese als Sparring-Partner oder zum Überwinden von Schreibblockaden. „Es ist immer leichter, Dinge zu korrigieren, als vor einem leeren Blatt Papier zu sitzen.“
Ein aktuelles Beispiel für die Nutzung von KI für die Generierung von Sprache sind auch die neuen Pumuckl-Folgen. „Der Pumuckl, den alle kennen, die eine gewisse Lebensspanne haben, ist neu aufgelegt worden. Und kein Pumuckl ohne die Stimme von Hans Clarin - der aber leider tot ist. Eine KI hat dem neuen Pumuckl die Stimme und den Tonfall von Hans Clarin auf sehr befriedigende Art und Weise gegeben“.
Aber Huber sieht auch Risiken: "Was wäre, wenn man die Stimme von Robert de Niro mit KI generieren und in alle möglichen Sprachen übersetzen könnte - und wenn die KI, wenn es nötig ist, auch in das Bild eingreift, um die Lippenbewegungen an den Text anzupassen? Solche Entwicklungen werden seiner Einschätzung nach relativ bald kommen - und hier müssen sich ganze Berufsgruppen insbesondere in der Übersetzung und Synchronisation große Sorgen machen.
KI wird aber nicht nur zunehmend fürs Filmemachen genutzt, sondern ist auch häufig selbst Thema in Filmen. In vielen Fällen nehmen Roboter die Rolle des Bösewichts ein, aber es gibt auch zahlreiche Drehbücher und Filme mit emotionalem Bezug zur KI. Huber denkt an die Szene aus Blade Runner, in dem ein menschlich aussehender Roboter nach vier Jahren seinen Lebenszyklus beendet und im Regen auf diesem Dach stirbt. Tränen im Regen. „Und ich glaube selbst 1968 dieses kleine rote Licht von Hal9000 in 2001, das nach und nach und nach abgeschaltet wird. Selbst dieses eine Licht schafft eine gewisse Emotion."
Wenn immer mehr möglich wird: Wo sind die Grenzen der KI? Huber glaubt, es sind zwei Dinge, die dem Menschen vorbehalten bleiben werden: "Herzblut und Empathie - alles andere kann man anfüttern".
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