Ein mehrstimmiges Werk des Komponisten Johannes Brahms beginnt mit einem eindringlichen, langgezogenen „Warum“. Mal ertönt es intensiv und gleicht einem Aufschrei, mal ist es nur verhalten zu hören. Der Fragende scheint kaum noch Kraft zu haben. Im Buch Hiob, Kapitel 3, den Versen 20.21, klagt er: „Warum gibt Gott dem Leidenden Licht und Leben denen, die verbittert sind, die sich sehnen nach dem Tod, doch er kommt nicht?“
Wer und was steht hinter dieser verzweifelten Aussage? Hiob war ein angesehener und reicher Großgrundbesitzer, ein Aramäer aus dem Ostland, mit einem über die Maßen großen Viehbestand samt dem erforderlichen Personal. Zeitlich gehörte er wohl zu den Patriarchen wie Abraham
Was kennzeichnet seine Persönlichkeit? * Seine ungetrübte, ganzheitliche Beziehung zum lebendigen Gott – * mit Auswirkungen auf den Alltag: Hiob mied das Böse; seine innere und äußere Haltung waren deckungsgleich. * Er lebte zur Ehre Gottes. * Er prägte, zusammen mit seiner Frau, das Leben seiner zehn Kinder.
Eines Tages brach über Hiob und seine Frau ein unvorstellbares Leid herein. An einem Tag verloren sie durch feindliche Völker ihren gesamten Viehbestand sowie die Viehhirten. Durch einen nicht näher beschriebenen Sturm - mit Erderschütterungen? - kamen alle Kinder im Haus des Ältesten bei einer Feier ums Leben. Welches Elternpaar kann einen solchen Verlust ertragen? Der innere Schmerz der Angehörigen ist unbeschreiblich. Während Hiob an seinem Vertrauen zu seinem Gott festhielt, zerbrach seine Frau daran (Hiob 1,21; 2,9.10). Erst als Hiob dann auch noch schwer erkrankte, war er der Verzweiflung nahe.
Der Besuch seiner drei Freunde, die ihn mit ihrer schweigenden Gegenwart trösten wollten, half ihm nicht. Schließlich stellte Hiob Fragen, die seine innere Not ausdrückten. „Warum gibt Gott dem Leidenden Licht und Leben denen, die verbittert sind, die sich sehnen nach dem Tod, doch er kommt nicht?“ Hiob war am Ende seiner Kraft.
Halten Sie einen Augenblick inne und machen sich bewusst, unter welch quälenden Gedanken Sie vielleicht an diesem Morgen leiden.
Viele Menschen fragen: „Warum lässt Gott das Übel zu? Warum leide gerade ICH?“ Dazu drei Überlegungen:
Hiob stellte die Existenz Gottes nicht infrage. Er hielt es nicht mit törichten Menschen, die sagen: „Es gibt keinen Gott“ (Ps 14,1). Er versuchte nicht, die Gerechtigkeit Gottes und die Warum-Frage rational zu erklären. Er wollte den Widerspruch zwischen der Allmacht und Liebe Gottes einerseits und dem Übel in der Welt andererseits nicht auflösen. Er hielt sich nicht für einen Anwalt Gottes.Hiob wandte sich mit all seinen Klagen und Fragen an Gott. Vor ihm schüttete er sein Herz aus. Hiob konzentrierte sich nicht jammernd auf sich und sein Leiden, sondern blieb in der auf Gott ausgerichteten Vertrauensbeziehung. Darin weist er uns auf Jesus hin, der in seiner dunkelsten Stunde am Kreuz die Gottverlassenheit erlitt und dennoch ausrief: „MEIN Gott, MEIN Gott, warum hast du mich verlassen?“Hiob wusste nicht, was wir heute durch die Bibel wissen: Es ging um einen Kampf zwischen Licht und Finsternis, zwischen Gott und Satan (Hiob 1 und 2). Hiob litt für die Ehre Gottes, und Gott hielt seinem glaubenden Diener die Treue.
Das irdische Leid des Hiob und seiner Frau war zeitlich begrenzt. Am Ende ihrer Gotteserfahrungen stehen a.) die Erkenntnis einer tieferen Gottesbeziehung (Hiob 42,4.5); und b.) der überwältigende Segen Gottes: Erneut die Geburt einer zehnköpfigen Kinderschar und der doppelte Viehbestand.
Nehmen Sie einen weiteren Teil der Brahms-Motette mit den Worten aus Jakobus 5,11 mit in den heutigen Tag:
„Wir schätzen jene glücklich, die im Leiden durchgehalten haben. Ihr kennt die Geduld Hiobs und wisst, wie der Herr alles zu einem guten Ende führte, denn er ist voll Mitgefühl und Barmherzigkeit.“ (NLB)
Autor: Schwester Christa Weik, Diakonissenmutterhaus Aidlingen
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