Katzen galten bisher als pflegeleichte Einzelgänger, die man stundenlang alleine lassen kann. Neue Forschungen haben indes gezeigt, dass ihr Bindungsverhalten dem von Kleinkindern gleicht und sie auf vielfältige Art mit dem Menschen kommunizieren. Von Brigitte Kramer
Credits
Autorin dieser Folge: Brigitte Kramer
Regie: Frank Halbach
Es sprach: Xenia Tiling
Technik: Andreas Lucke
Redaktion: Bernhard Kastner
Dennis Turner, Biologe, Zürich
Willa Bohnet, Biologin, Tierärztliche Fakultät der Hochschule Hannover
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Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
Ein Podcast-Tipp für alle, die gerne authentische Geschichten hören: „Ein Zimmer für uns allein“ – zwei Frauen, zwei Generationen und die Frage „Wie hast du das erlebt?“
Hier trifft Paula Lochte immer zwei Frauen aus verschiedenen Generationen und sie sprechen offen und ehrlich über ein Thema, das sie verbindet. Was waren die Kämpfe damals, was sind sie heute? „Ein Zimmer für uns allein“ findet ihr in der ARD-Audiothek und überall, wo’s Podcasts gibt.
Schötz, Susanne: „Die geheime Sprache der Katzen“, Ecowin Verlag. Erlebnisse und Erkenntnisse der schwedischen Wissenschaftlerin, die mit fünf Katzen lebt.
Turner, Dennis C.: Turners Katzenbuch: Wie Katzen sind, was Katzen wollen, Kosmos Verlag. Ein Klassiker und hilfreicher Ratgeber für Katzenhalter.
Linktipps:
Website von Susanne Schötz mit Lautbeispielen HIER
Telefonische Beratung von Willa Bohnet HIER gehts zur Website
Portal der US-amerikanischen Katzenforscherin Kristyn Vitale HIER gehts zur Website
Website von Dennis C. Turner HIER
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an [email protected].
Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Sie können sich jetzt entspannen. Genießen Sie die kommenden 21 Minuten!
… vorausgesetzt, Sie mögen Katzen?!
Wenn Sie eher zur Hundefraktion gehören oder Katzen sogar lästig und schädlich finden, weil sie ihr Geschäft in Ihren Vorgarten machen und Singvögel jagen …
… oder sie unsympathisch finden, wegen ihrer angeblichen Unnahbarkeit, Unberechenbarkeit und Gleichgültigkeit – dann sollten Sie vielleicht trotzdem – oder gerade deshalb - zuhören. Denn Katzen ...
02 ATMO Katzen Katze sauer hoch, dann weg
… sind gar nicht so, wie wir immer dachten!
Neue Forschungen zeigen ein ganz anderes Bild unserer Katzen: Sie sind gesprächig, anhänglich, sensibel, passen sich dem Leben ihrer Menschen an – ja, sie haben sogar eine eigene Sprache für ihre Betreuungsperson entwickelt … – Und: viele Katzen eigenen sich sogar gut für tiergestützte Therapie.
MUSIK privat Take 13 ”The Pink Panther Theme”; Album: Fascinating Rhythm; Label: Signum – SIG X76-00; Interpret: Ensemble Clarinesque; Komponist: Henry Mancini; ZEIT: 00:13
Katzen jagen Vögel und Mäuse, machen ihr Geschäft gerne auf weichem, lockerem Untergrund, sind eigenwillig. Das stimmt alles.
Und das ist auch ganz natürlich so, findet Dennis Turner (Englisch aussprechen), schweizerisch-amerikanischer Biologe:
01 Zsp. Katzen – Dennis Turner
Wir haben im Prinzip ein Wildtier, das freiwillig bei uns bleibt und interagiert mit uns.
Es gibt inzwischen so genannte Rassekatzen, die sich in Felllänge und Farbe unterscheiden…–, aber die Unterschiede betreffen hauptsächlich das Äußere: Genetisch haben sich Hauskatzen, zu denen auch die Europäische Kurzhaar zählt, kaum verändert, seitdem die Ägypter sie in ihre Häuser gelassen haben. Unsere Hauskatzen stammen nicht von der Europäischen Wildkatze ab, sondern von der Falbkatze, einer afrikanischen Wildkatze. Sie ist zierlich, hat kurzes, hell-rötliches Fell - und sieht aus wie eine von Millionen Hauskatzen. Sie alle gehören zur Gruppe der Kleinkatzen: 40 Arten, zu denen unsere Hauskatze, ihre afrikanischen, asiatischen und amerikanischen Verwandten zählen, aber auch Geparden, Pumas oder Luchse. Den Unterschied zu Großkatzen wie Löwe, Tiger, Jaguar und Leopard macht nicht die Körpergröße, sondern die Beschaffenheit des Zungenbeins: Das ist ein kleiner, runder Knochen, der unterhalb des Munds an Sehnen und Bändern hängt.
03 ATMO Katzen Brüllender Tiger / oder Löwe hoch, dann weg
Großkatzen können brüllen …
BLENDE O3 ATMO 3 / 04 ATMO Schnurren laut
… dafür aber nur beim Ausatmen schnurren. Kleinkatzen können nicht brüllen …
… dafür aber beim Aus- und Einatmen schnurren.
04 ATMO Katzen Schnurren laut
SPRECHERIN drüber, dann weg
Sicherlich eines ihrer Erfolgsgeheimnisse an der Seite des Menschen.
Hunde begleiten den Menschen seit etwa 60.000 Jahren – Katzen „erst“ seit etwa 10.000 Jahren. Sie leben seit neun Millionen Jahren auf der Erde, von Asien breiteten sie sich auf der ganzen Welt aus. Mit der Sesshaftigkeit des Menschen kamen uns die Katzen näher, zunächst als Abfallvernichter, später als Mäusejäger in den Kornkammern … heute sind sie weltweit die beliebtesten Haustiere. Trotz ihres „Erfolgs“ haben Katzen in den letzten Jahrzehnten erheblich weniger wissenschaftliche Aufmerksamkeit erhalten als Hunde. Doch das ändert sich gerade.
02 Zsp Katzen – Dennis Turner
Es gibt sicher eine Veränderung in unserer allgemeinen Haltung gegenüber Katzen. Früher waren Katzen vor allem auf Bauernhöfen gehalten als Nagetiervertilger, das ist klar. Und zunehmend, in den letzten, sagen wir 100 Jahren, werden sie effektiv als sozialer Begleiter von Menschen aufgenommen.
Sie rücken uns buchstäblich näher. Und diese vermehrte Zuwendung bringt mehr Forschung mit sich. Bislang durchgeführte Studien deuten darauf hin, dass wir die sozial-kognitiven Fähigkeiten von Katzen – also ihre Fähigkeit, Informationen der Umgebung aufzunehmen, gedanklich und emotional zu verarbeiten und infolge zu handeln – unterschätzen. Zusammenfassend kann man sagen, dass Katzen sich stark auf ihre Bezugsperson einstellen. Vorausgesetzt, sie haben in ihren ersten Lebenswochen Umgang mit Menschen. Dennis Turner:
03 Zsp Katzen – Dennis Turner
Neuere Studien auch von mir zeigen, dass Katzen auch ein echte Bond mit den Menschen machen. Sie hat Probleme, wenn sie getrennt sind zu lange von uns. Die sind eben wirklich von Bindungstheorie her sind Katzen vielleicht nicht ganz so stark gebunden an den Menschen wie Hunde ...
… aber die Bindung ist da. Sie ist sogar mit der eines Kleinkindes vergleichbar! Kristyn Vitale (sprich: Kristinn Waitäli), US-amerikanische Forscherin, versetzt sich seit vielen Jahren in Katzen hinein. Vitale hat nachgewiesen, dass Katzen unterschiedliche Bindungsstile gegenüber menschlichen Bezugspersonen aufweisen, ähnlich wie Säuglinge.
05 ATMO Katze lieb hoch, dann weg
Kristyn Vitale hat 2019 eine Studie zum so genannten „Sichere Basis-Effekt“, durchgeführt. Der Effekt stellt sich in der Eltern-Kind-Beziehung ein, wenn die Bezugsperson den Kindern Sicherheit vermittelt. Bei Hunden wurde dieser Effekt schon 2013 nachgewiesen. Nun ist er auch bei Katzen belegt. Die Tierwissenschaftlerin hat 79 Katzenjunge zwischen drei und acht Monaten einzeln zwei Minuten lang mit ihrer Betreuungsperson in einem unbekannten Raum platziert, gefolgt von einer 2-minütigen Alleinphase und dann einer zweiminütigen Wiedervereinigungsphase. Nach der Rückkehr der Betreuungsperson zeigten knapp 65 Prozent der Kätzchen ein Verhalten, das auf sichere Bindung schließen lässt: Reduzierte Stressreaktion und sowohl Kontakt- als auch Erkundungsverhalten. Der Rest zeigte unsicheres Bindungsverhalten: Die Kätzchen blieben gestresst, suchten entweder übermäßige Nähe, vermieden die Person oder verfielen in einen Annäherungs- Vermeidungskonflikt. Dahinter stecken die drei bei Menschen bekannten, unsicheren Bindungstypen: vermeidend, ambivalent oder desorganisiert.
Bei der Fortführung der Versuchsreihe über ein Jahr belegten Kristyn Vitale und ihr Team dann, dass die Katzen auch im Erwachsenenalter ihren Bindungstyp beibehalten und sich dabei ähnlich verhalten wie Kinder
MUSIK „Everybody wants to be a cat”; ZEIT:00:33
Katzen mit sicherem Bindungsverhalten, also die Mehrheit, können sogar mehr sein als „soziale Begleiter des Menschen“, wie Dennis Turner das nennt. Sie können Menschen heilen, oder zumindest ihre Heilung fördern. Dennis Turner hat in Zürich viele Jahre zu tiergestützter Therapie mit Katzen geforscht:
O4 Zsp Katzen – Dennis Turner
Was sie sehr speziell macht, ist, dass sie akzeptieren die Menge an sozialen Interaktionen, die der Mensch haben will. Entweder der Mensch will viel Kontakt mit Ihrer Katze oder wenig Kontakt mit Ihrer Katze, und das akzeptieren die Katzen. Sie bleiben in der Nähe oder im Haushalt.
Treue Seelen sozusagen, die zugleich zurückhaltend sind, was gerade bei Menschen mit Stimmungsschwankungen, die nicht immer gleich viel Kontakt zu ihrem Haustier halten wollen oder können, gut funktioniert. Katzen wollen im Gegensatz zu Hunden, so Dennis Turner, „nicht immer sofort alle Probleme des Menschen lösen.“ Turner hat in Zürich unter anderem das Mensch-Katze-Verhältnis bei Paaren untersucht, die mit einer Katze leben. Er hat festgestellt, dass in diesem Setting Katzen positiver auf Frauen als auf Männer wirken. Das heißt, bei Paaren, die Katzen haben, empfinden die Frauen die Katze und den fürsorglichen Partner als vergleichbar positiv. Für Männer ist allerdings die Frau wichtiger als die Katze, wenn es um seelische Leiden geht.
O6 ATMO Katze / Miauen („genau“) falls nicht zu ‚kindisch‘
O5 Zsp Katzen – Dennis Turner
Allerdings es gibt eine Ausnahme, wenn wir vergleichen die Wirkung von Katzen auf Stimmungen von alleinlebenden Frauen mit alleinlebenden Männern. Die Katze hat genau die gleiche Wirkung auf beide Geschlechter. Es ist ganz interessant.
Keine der Testpersonen hatte eine psychische Störung diagnostiziert, viele litten aber unter Stimmungsschwankungen:
O6 Zsp Katzen – Dennis Turner
Insbesondere konnte mein damaliger Masterstudent zeigen, dass mit Katzen negative Stimmungen wie Deprimiertheit, Ängstlichkeit und Introvertiertheit reduziert werden, also verbessert werden.
Immer mehr Psychotherapeuten und Psychiater wissen das und halten sich Katzen in der Praxis und beziehen diese auch in die Therapie ein. Bei Menschen, die Erfahrung mit Tieren haben, können sie als emotionale „Eisbrecher“ wirken, sie sind wie eine Brücke zwischen Patienten und Therapeut. Tiergestützte Therapie, also wenn Tiere als Co-Therapeuten dienen, funktioniert mit Katzen besonders gut:
O7 Zsp Katzen – Dennis Turner
Wenn man ein Tier in tiergestützte Therapie hinzufügt, muss die Wirkung vom Tier noch stärker sein, über die Wirkung von Psychotherapie oder medikamentöse Behandlungen haben. Und das ist inzwischen bewiesen. Und wir wissen auch, wieso Katzen funktionieren.
Katzen tun im Grunde dasselbe, wie wohlgesonnene Menschen, die einen psychisch Kranken in der Familie haben:
O8 Zsp Katzen – Dennis Turner
Sie ändert ihr Verhalten bei deprimierten Stimmungen, sie streichelt viel mehr um die Beine. Und da hilft die Katze. Und das ist genau das, was der gesunde Partner in Menschen macht bei chronisch depressiven Personen.
01 ATMO Schnurren konstant
Katzen interagieren mehr, zeigen mehr Zuneigung und Interesse, wenn ihre Besitzer depressiv verstimmt sind.
01 ATMO stehen lassen, dann BLENDE
MUSIK „Everybody wants to be a cat”; ZEIT:00:50
SPRECHERIN drüber, dann weg
Die französische Verhaltensforscherin Charlotte de Mouzon (sprich: Scharlott dö Musó) hat die innerartliche Kommunikation zwischen 18 Hauskatzen und Besuchern und Betreuern in zwei Katzencafés in Bordeaux und Toulouse untersucht. Sie hat dabei unter anderem festgestellt, dass Menschen oft ein bestimmtes Sprachregister verwenden, um mit Haustieren zu sprechen, nämlich eine höhere Tonlage. Das ist aber nur bedingt wirksam: Die Katze versteht zwar, dass sie gemeint ist, vor allem, wenn sich ihre Bezugsperson an sie wendet, aber noch besser versteht sie uns, wenn wir „bimodal“ kommunizieren, also visuell und stimmlich. Das gleiche gilt umgekehrt: Wir verstehen Katzen besser, wenn sie sich uns mittels Stimme und Körpersprache mitteilen:
06 ATMO verschiedene Katzengeräusche (falls vorhanden)
SPRECHERIN drüber, evtl Atmo dazwischen hochfahren, sodass eine Art „Sprechen“ entsteht
Gurren, Miauen, Schnattern, Keckern, Knurren, Zischen oder Fauchen kombiniert mit hin- und her wedelndem Schwanz, angelegten oder weggedrehten Ohren, Buckel oder steil aufgestelltem Schwanz mit gebogener Spitze … Katzenhalter wissen, was los ist.
06 ATMO nochmal hoch, dann weg
MUSIK privat Take 13 ”The Pink Panther Theme”; Album: Fascinating Rhythm; Label: Signum – SIG X76-00; Interpret: Ensemble Clarinesque; Komponist: Henry Mancini; ZEIT: 01:32
Und welche visuellen Signale sollten wir Menschen den Katzen senden, damit sie uns besser verstehen?
Bei Erstkontakt nie direkt in die Augen blicken, das wirkt herausfordernd. Dann: Sich in Katzenhöhe begeben, also in die Hocke gehen oder auf den Boden setzen; eine Hand ausstrecken und unterhalb des Kopfes der Katze platzieren, damit sie schnüffeln kann; beobachten, ob die Katze gestreichelt werden will oder nicht, also ihr die Initiative überlassen. UND: Von schnellen Bewegungen ist abzuraten, wenn man Vertrauen aufbauen will.
Abgesehen davon kennen Katzen ihre Besitzer oder Betreuer genau, das hat Charlotte de Mouzon auch herausgefunden. Sie haben sich sozusagen auf uns Menschen spezialisiert: Sie können beispielsweise unsere Zeige-Gesten lesen, um verstecktes Futter zu finden und dem menschlichen Blick folgen, um wichtige Informationen zu erhalten, zum Beispiel wo die Spielmaus liegt – unterm Sofa etwa. Katzen blicken auch schnell zu ihrem Besitzer, wenn sie ein potenziell beängstigendes Objekt sehen. Darüber hinaus können sie menschliche Gefühlsausdrücke, Aufmerksamkeitszustände und Stimmungslagen unterscheiden: Sie können genau wie Hunde und Pferde visuelle und akustische Signale aufnehmen und „deuten“, um unsere Emotionen zu erkennen, und ihr Verhalten daran anzupassen.
06 ATMO Katze "genau" hoch, dann weg
Zur Kommunikation Katze-Mensch hat auch Susanne Schötz geforscht. In ihrem Buch „Die geheime Sprache der Katzen“ unterscheidet die schwedische Phonetikerin zwischen mit geschlossenem Maul erzeugten Lauten ...
01 ATMO Schnurren konstant
… allen voran das Schnurren, das Katzen übrigens nicht nur bei Zufriedenheit, sondern auch bei Schmerzen, Geburt und sogar beim Sterbeprozess erzeugen. Es bedeutet so etwas wie „Von mir geht keine Gefahr aus“.
Katzen können mit geschlossenem Maul auch kurz Trillern, Murren, Grunzen oder Brummen, oft in Kombination mit einem Miau oder während des Schnurrens.
07 ATMO Gurren (Archiv? auf der Webseite von Susanne Schötz sind Klangbeispiele, leider so schlecht aufgenommen, dass man sie nicht senden kann)
Diese knappe Lautäußerung wird oft zur Begrüßung, bei der Annäherung und beim Spielen eingesetzt. Manchmal klingt sie höher, manchmal tiefer. Zu den Lautäußerungen mit offenem Maul gehört natürlich das Miauen, und hier gibt es ein breites Register. Katzenbesitzer können ein „Ich habe dich vermisst“...
07 ATMO Katze Ich habe dich vermisst hoch, dann weg
… von einem „Futter her!“
08 ATMO Futter her! hoch, dann weg
... und einem „Vorsicht Freundchen“- Miauen eindeutig unterscheiden:
09 ATMO Vorsicht Freundchen! hoch, dann weg
Beim Kämpfen zeigen sich Katzen von ihrer wilden Seite. Sie können anhaltend tief knurren und sich dabei steigern, sie können fauchen und dabei die Zähne zeigen, kreischen - als allerletzte Warnung, und sogar spucken. Diese Eigenschaften bleiben uns oft verborgen, denn Freigänger-Katzen scheinen oft zwei Persönlichkeiten zu haben: In der Stube das Schmusekätzchen, im Freien der Raufbold:
10 ATMO Katze Revierverteidiger
Bei der Jagd imitieren Katzen sogar oft die Geräusche des Vogels oder Insekts, um die Aufmerksamkeit abzulenken.
O1 MUSIK sanft etwas stehen lassen
MUSIK privat Take 13 ”The Pink Panther Theme”; Album: Fascinating Rhythm; Label: Signum – SIG X76-00; Interpret: Ensemble Clarinesque; Komponist: Henry Mancini; ZEIT: 00:22
Miaut wird im Leben einer wild lebenden Katze, wenn wir das entspannte Miauen in heller Tonlage meinen, übrigens nur am Lebensanfang. Hauskatzen behalten es ihr Leben lang bei. Verhaltensforscherin Willa Bohnet am Institut für Zoologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover weiß auch, warum:
09 Zsp Katze – Willa Bohnet
Weil das so ein Kontaktlaut ist der Kitten mit der Mutter. Und die jungen Katzen, die zeigen das später auch, also wenn sie dann nicht mehr bei der Mutter sind, aber vielleicht noch mit Geschwistern zusammen sind als Kontaktlaut zwischen einander und dann eben auch als Kontakt mit dem Menschen. Und ja, wenn die dann lernen, dass sie eben mit dem Miauen bei uns was erreichen, auch wenn es nur unsere Aufmerksamkeit ist.
Und da sind sie geschickt:
10 Zsp Katze – Willa Bohnet
Sie lernen auch sehr gut, ihre lautliche Kommunikation auf den Menschen anzupassen. Also je nachdem, was sie haben möchten: Leiser, lauter, schriller zu sein. Wie auch immer. Und das kann bei manchen Katzenrassen, die sehr stimmgewandt sind, so Siamkatzen und ähnliche, da kann das dann ganz schön nervig werden, weil, die werden lauter und lauter und lauter und kreischen und kreischen.
Willa Bohnet verweist auf das Bindungsverhalten dahinter:
12 Zsp Katze – Willa Bohnet
Ich habe das bei meinen Katzen auch immer genauso ausgenutzt. Das heißt von Anfang an, wenn ich mit den Kätzchen dann nach draußen gegangen bin, habe ich miaut, um ihnen auch zu zeigen, wo ich bin und dann sind die mir dann auch hinterhergelaufen.
Willa Bohnet forscht zur Kommunikation und sozialen Bindung von Katzen gegenüber ihren Besitzern und Artgenossen. Und sie berät Tierbesitzer telefonisch zu Verhalten und Tierschutz. Unsaubere Katzen, aggressive Katzen, Katzen, die den ganzen Tag schlafen, bereiten den Anrufern und Anruferinnen Sorgen. Viele halten ihre Katze nur in der Wohnung. Bei Wohnungskatzen kommen tatsächlich die meisten Verhaltensprobleme vor, haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt:
15 Zsp Katze – Willa Bohnet
Einfach weil das Erkundungsverhalten fehlt. Und Erkundungsverhalten wird ja einmal von innen heraus wird das, wird das motiviert. Also ich möchte jetzt gerne irgendwas machen, irgendwas tun, aber genauso eben auch durch Außenreize. Und wenn eine Wohnungskatze halt eben nur in der Wohnung ist, da gibt es dann halt nicht so viel Außenreize. Ja, es sei denn, ich gestalte das so, dass das die Katze zum Fenster rausgucken kann. Und es ist nicht gerade die fünfte Etage, sondern es ist irgendwo ein Garten dahinter und sie kann da noch irgendwas beobachten. Ja, wobei es auch dadurch zu Problemen kommen kann. Wenn da nämlich regelmäßig durch den Garten fremde Katzen laufen, dann kann es sein, dass meine Katze an der Terrassentür dann eben auch Markierverhalten zeigt. Entweder durch Kratzen oder auch durch Urinspritzen. Ganz normales Verhalten.
Können unterforderte Wohnungskatzen auch Depressionen bekommen?
16 Zsp Katze – Willa Bohnet
Wenn Tiere Depressionen aufweisen, dann ist damit auch anderes verbunden. Also nicht nur viel schlafen, sondern zum Beispiel auch vermindertes Sozialverhalten, wenig Interesse an der Umgebung usw. usw. Und das sieht man bei den meisten dieser Katzen nicht. Die schlafen einfach nur mehr, die ruhen mehr. Aber wenn dann der Besitzer da ist und mit denen spielt, dann sind sie auch aufmerksam und spielen.
Spielen, Schmusen, ‚Reden‘ ... jegliche Interaktion zwischen Mensch und Tier ist in diesem Fall besonders wichtig. Für Vollzeit-Berufstätige außer Haus oft eine Herausforderung. Sind dann zwei Katzen eine Lösung?
17 Zsp Katze – Willa Bohnet
Ich gehe los und suche für meine Katze eine Katze, die ich besonders toll finde. Und dann komme ich nach Hause und dann sagt meine Katze Neeh, wer ist das denn? So was kann ich ja hier gar nicht gebrauchen. Vollkommen unsympathisch! Und dann bei einer Wohnungskatze, das ist ihr Territorium! Und plötzlich kommt da eine fremde Katze ins Territorium rein. Hallo? Und das ist auch nicht die Lösung. Also wenn man so viele Stunden nicht zu Hause ist, dann sollte man sich überlegen, ob es überhaupt gut ist, sich ein Haustier anzuschaffen.
Das ist der Extremfall. Geschwisterkatzen oder Katzen, die vom Charakter her zusammenpassen, können sich sehr wohl ergänzen und gegenseitig unterhalten. Das Grundproblem ist und bleibt aber das Dasein als Wohnungskatze:
18 Zsp Katze – Willa Bohnet
Da fehlt natürlich der Katze eine ganze Menge von ihrem normalen Ausleben ihrer Funktionskreise. Viel ist zum Beispiel das Jagdverhalten. Und wenn jetzt im Tagesablauf diese 20 Prozent der Beschäftigung zum Jagen und dann kommen ja auch noch mal dazu, wenn die draußen umherlaufen, die erkunden ja, die zeigen Sozialverhalten. Da sind Markierungen, die kann man lesen, da kann man schnuppern, da kann man neu drüber markieren. Das heißt, ganz viel Erkundungsverhalten wird da auch gestillt. Die beobachten die Umgebung dann finden sie tatsächlich mal sehen sie irgendein Beutetier? So eine Jagd auf eine kleine Maus ist sehr anstrengend. Ja, da müssen die sich sehr stark konzentrieren. Die dürfen sich ja fast gar nicht bewegen. Die müssen sich anschleichen, den richtigen Moment abpassen. Dann springen sie los und verfehlen die Maus. Dann geht das Ganze noch mal von neuem los. Das heißt, da haben die ganz viel für den Kopf auch zu tun. Ja, und so eine Wohnungskatze ist dann halt zu Hause und die beschäftigen sich zum größten Teil mit Schlafen.
Willa Bohnet empfiehlt Spielen, und zwar mindestens eine halbe Stunde lang Jagdspiele, auf zwei, dreimal über den Tag verteilt. Katzen sind heute viel abhängiger von uns als früher, denn wir haben ihnen viel Freiraum genommen. Und Katzen sind, außer bei der Jagd, keine Einzelgänger, das haben diverse Forschungen der letzten Jahre belegt. Sie sind soziale Tiere, die mit Partnerkatzen oder Menschen, die sie mögen, „soziopositives Verhalten“ zeigen: Um die Beine streichen, Köpfchen geben, schnurren, Milchtritt. …
19 Zsp Katze – Dennis Turner
Sie hat Riesenfreude, und kann man es nicht anders sagen, wenn wir nach Hause kommen, und das wissen alle Katzenhalter, wer kommt entgegen mit dem Schwanz hoch, um uns zu begrüßen, wenn wir nach Hause kommen? Sie hat uns vermisst, wenn wir weg sind, und sie freut sich. Vielleicht kehrt sie um und geht weg für ein Weilchen, nachher. Zuerst kehrt sie den Rücken. Also, du hast mich verraten! Du bist weggegangen! Aber relativ kurz danach kommt die Katze und schmust mit dem Halter, der Halterin.
MUSIK privat Take 13 ”The Pink Panther Theme”; Album: Fascinating Rhythm; Label: Signum – SIG X76-00; Interpret: Ensemble Clarinesque; Komponist: Henry Mancini; ZEIT: 01:05
Sagt Dennis Turner. Katzenhalter muss man nicht überzeugen. Katzenhasser oder Mitglieder der Hundefraktion können an dieser Stelle vielleicht erkennen, dass Katzen in manchen Bereichen Hunden ähnlich sind: Katzen sind treu, sie können eine stabile Bindung zu uns aufbauen, sie sind uns gutgesonnen, wenn sie früh mit uns sozialisiert wurden. Das geht so weit, dass sie uns aus Depressionen, Angstzuständen und anderen psychischen Krankheiten heraushelfen können, weil sie unsere Gefühlsausdrücke deuten können, Aufmerksamkeitszustände erkennen und Stimmungslagen spüren. Dabei sind sie nicht aufdringlich, sondern bleiben einfach ‚nur‘ … in unserer Nähe.